Terrorgruppe ISIL erobert Millionenstadt Mosul

Angeblich 500.000 auf der Flucht

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Die irakische 1,8-Millionen-Stadt Mosul war einmal ein Zentrum des orientalischen Christentums und Sitz mehrerer Erzbischöfe. Nachdem die USA 2003 einen Regimewechsel im Irak durchführten, verließen zahlreiche Christen Mosul. Nun drohen auch dem verbliebenen Rest Tod oder Vertreibung.

Der Grund dafür ist, dass es der salafistischen Terrorgruppe Islamischer Staat Irak und Levante (ISIL) gestern gelang, die Metropole zu erobern. Dort weht jetzt das schwarze Dschihadistenbanner auf den teilweise ausgebrannten Verwaltungsgebäuden und durch die Straßen fahren ISIL-Fahrzeuge, deren Lautsprecher verkünden, man habe die Stadt "befreit". Der BBC zufolge kontrolliert ISIL seit gestern sogar die gesamte nordwestirakische Provinz Niniveh, Teile der 850.000-Einwohner-Ölstadt Kirkuk und zwei größere Ortschaften in der südlich davon gelegenen Provinz Salah ad-Din.

Angeblich sind deshalb bereits 500.000 auf der Flucht - bei weitem nicht nur Christen, sondern auch Jesiden, Schiiten und sunnitische Kurden und Araber. Die meisten davon retteten sich in das nahe gelegene autonome Kurdengebiet, wo die Behörden in drei Städten Zeltlager aufgebaut haben. Der kurdische Ministerpräsident Nechirvan Idris Barzani bat mittlerweile offiziell die UN um Hilfe bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge.

Bereits im Januar hatte die Terrorgruppe, die schon seit letztem Jahr größere Teile Nordostsyriens kontrolliert, die irakische Stadt Falludscha in der Provinz Anbar erobert. Ein Angriff auf Samara scheiterte letzte Woche an Stammesmilizen - oder war vielleicht nur ein Ablenkungsmanöver, dass vom geplanten Sturm auf die wesentlich größeren Beutestücke Mosul und Kirkuk ablenken sollte. In jedem Fall scheint der Handstreich der Dschihadisten die irakische Armee relativ unvorbereitet getroffen zu haben: Soldaten entledigten sich lieber ihrer Uniformen und flüchteten, statt Mosul zu verteidigen. Nur in der Stadt Rashad, die zwischen Mosul und Kirkuk liegt, sollen Truppen noch Widerstand leisten.

Ob ausgerechnet dieser Armee die Wiedereroberung der an ISIL verlorenen Gebiete gelingt, ist fraglich. Da nützt womöglich auch die vom irakischen Premierminister Nouri Maliki beim Parlament beantragte Möglichkeit zur Generalmobilmachung nichts. Manche Beobachter räumen den Kurdenmilizen bessere Chancen ein. Deren Herren beanspruchen jedoch mehr irakische Gebiete, als sie derzeit kontrollieren - und sie könnten beispielsweise in Kirkuk die bislang eher schleppend verlaufende Aussiedlung jener Araber forcieren, die unter Saddam Hussein dort hinzogen - und anschließend die seit 2007 angekündigte Volksabstimmung über die Zugehörigkeit der Stadt zum Kurdengebiet abhalten. Zudem ist fraglich, ob die Milizen den Terroristen tatsächlich die Stirn bieten können: In Nordsyrien mussten die Kurden in diesem und im letzten eine Reihe militärischer Niederlagen gegen ISIL und andere Dschihadisten einstecken.

Die US-Außenministeriumssprecherin Jen Psaki bezeichnete die Situation im Nordirak in einer Stellungnahme als "ausgesprochen ernst" und verlautbarte, ihre Regierung werde, eine "starke koordinierte Antwort unterstützen, um diese Aggression zurückzudrängen". Ob dazu ein direktes militärisches Eingreifen oder eine Änderung der US-Syrienpolitik gehört, ließ sie offen.

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