"Ich sehe eine Tendenz der Medien, selbstkritischer zu arbeiten"
Seite 2: "Jeder Befragte interpretiert den pauschalen Begriff 'die Medien' anders"
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Sie haben sich mit den Daten aus dem Standard Eurobarometer auseinandergesetzt. Was ist der Unterschied zu dem Spezial Eurobarometer?
Kim Otto: Spezial-Eurobarometer werden zu spezifischen Themen in unregelmäßigen Abständen erhoben, manchmal auch nur einmalig. Das hat den Vorteil, dass die Fragen stärker in die Tiefe gehen, allerdings mit dem Nachteil, dass ein Vergleich über längere Zeiträume oft nicht möglich ist.
Auch das Spezial Eurobarometer hat sich mit der Frage des Vertrauens in die Medien beschäftigt (Befragung September-Oktober 2016). Die Ergebnisse: 53 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass "ihre nationalen Medien vertrauenswürdige Informationen liefern", 44 Prozent stimmen dem nicht zu. Das ist eine ziemlich hohe Zahl.
Kim Otto: Die von Ihnen genannten Daten beziehen sich auf die Befragten aus ganz Europa. In Deutschland stimmen im Spezial-Eurobarometer 72 Prozent der Aussage zu, dass "ihre nationalen Medien vertrauenswürdige Informationen liefern", 26 Prozent widersprechen ihr.
Eine Zahl, die sich vom Standard-Eurobarometer unterscheidet.
Kim Otto: Ja, sie ist jedoch erkennbar geringer als im europäischen Durchschnitt.
Welche Gründe gibt es dafür?
Kim Otto: Die Gründe können vielfältig sein: Die Frage ist etwas anders gestellt, auch hier ist wieder nur unkonkret von "den Medien" die Rede und nicht konkret von Presse, Hörfunk und Fernsehen. Dies führt dazu, dass nicht nachvollziehbar ist, auf was sich der Medienbegriff bezieht: Sind es journalistische Medien oder zum Beispiel private Websites, Blogs und YouTube?
Jeder Befragte interpretiert den pauschalen Begriff "die Medien" anders. Es ist nicht eindeutig, ob das gemessen wird, was auch gemessen werden soll. Die Adressaten der Aussage sind unklar, was die Interpretation des Ergebnisses erschwert. Zudem könnte es unterschiedliche Ausstrahlungseffekte anderer Fragen geben, es sind nicht die gleichen Befragten, der Befragungszeitraum unterscheidet sich.
Aber grundsätzlich: Eine kritische und reflektierte Haltung gegenüber Medien und Informationen, die man konsumiert, ist nicht gänzlich unangebracht. Man muss unterscheiden zwischen Medienkritik und Verallgemeinerung und Medienschelte. In einem Staat, in dem 100 Prozent der Befragten den Medien vertrauen, läuft sicher auch was falsch.
Im Global Trust Report 2017, der im März erschienen ist, wurde festgestellt , dass 45 Prozent der Deutschen ihren Medien vertrauen. Also eine deutliche Abweichung im Vergleich zu den Ergebnissen, die der Standard Eurobarometer präsentiert. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?
Kim Otto: Im Global-Trust-Report der GfK sind "die Medien" als eine Institution zusammengefasst bei der Frage nach dem Vertrauen. Das ist kritisch zu sehen, da das Vertrauen zwischen Fernsehen, Presse und Hörfunk sich unterscheidet.
Dadurch kann natürlich eine größere Ungenauigkeit resultieren. Auch wurde hier mit einer anderen Antwortskala gearbeitet als in den Standard-Eurobarometer-Daten. Weitere Unterschiede können sich aus dem Befragungsverfahren und der Stichprobe ergeben haben, die man leider auf der Website der GfK nicht einsehen kann.
Selbstkritischere Medien?
Sie blicken immer wieder mit einem kritischen Blick auf die Medien und die Berichterstattung. Was ist denn Ihre persönliche Einschätzung? Haben Sie eine Veränderung bzw. eine Verbesserung der Berichterstattung beobachten können?
Kim Otto: Ich sehe eine Tendenz der Medien, vor allem in Presse und Rundfunk, selbstkritischer zu arbeiten und ihre eigene Arbeit - gerade vor dem Hintergrund der Debatte um Medienkritik - etwas stärker zu reflektieren und Transparenz zu schaffen.
Es wird etwas mehr erklärt: Woher kommen Informationen, wie haben wir als Journalisten gearbeitet, was ist noch unsicher? Das passiert teilweise in Blogs, teilweise am Rande von Sendungen oder Artikeln, teilweise in Diskussionsrunden mit Zuschauern. Da gibt es sicherlich auch noch Potential, aber der eingeschlagene Weg ist hier sicher nicht falsch.