Ideologie der Meritokratie als Herrschaftstechnik

Fussnoten

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Die athenische Demokratie und die Demokratiekonzeption der amerikanischen Gründerväter waren durch ein Zensuswahlrecht gekennzeichnet, bei dem das Wahlrecht, das Stimmgewicht und die Bekleidung politischer Ämter an den Besitz von Vermögen gebunden ist. Noch im 19. Jahrhundert war in repräsentativen Demokratien die Bevorzugung der besitzenden Bürger noch ganz selbstverständlich. Die meritokratische Ideologie ist also eng verflochten mit der Konzeption der repräsentativen Demokratie und findet in der besonders von Walter Lippmann und Joseph Schumpeter formulierten Konzeption einer Elitendemokratie ihren ungeschminkten Ausdruck. Als anti-egalitäre Ideologie sind meritokratische Herrschaftsformen mit einer Demokratie nicht verträglich.

2

"Das aber ist es eben, was dem präkapitalistischen Menschen so unfasslich und rätselhaft, so schmutzig und verächtlich erscheint. Dass jemand zum Zweck seiner Lebensarbeit ausschließlich den Gedanken machen könne, dereinst mit hohem materiellen Gewicht an Geld und Gut belastet ins Grab zu sinken, scheint ihm nur als Produkt perverser Triebe: der 'auri sacra fames' [des 'fluchwürdigen Hungers nach Gold', Vergil] erklärlich." (Max Weber, 1904, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus).

3

Pierre Bourdieu spricht von Soziodizee. "Diese Wort habe ich nach dem Vorbild des Leibnizschen Begriffs der Theodizee, der Rechtfertigung Gottes, gebildet; Soziodizee ist mithin die Rechtfertigung der Gesellschaft. Dieser Begriff bezeichnet all diejenigen Strategien, deren Funktion es ist, die Dinge so, wie sie sind, zu rechtfertigen. Man fasst das vage unter den Begriff der Ideologie, der jedoch dermaßen ungenau und nebulös ist, dass ich ihn lieber abschaffen und durch Soziodizee ersetzen möchte." (Bourdieu, 2012, S. 420) "Max Weber hat gesagt, dass es die Herrschenden immer nach einer 'Theodizee ihrer Privilegien' verlangen, oder besser nach einer Soziodizee, einer gedanklichen Rechtfertigung ihrer gesellschaftlichen Sonderrechte. Kompetenz bildet heute das Herzstück dieser Soziodizee, die nicht nur, und ganz naheliegend, von den Herrschenden anerkannt wird, sondern auch von allen anderen. […] Diese Philosophie ist unterschwellig in das gesamte Schulsystem eingeschrieben. Sie ist sehr mächtig, zutiefst verinnerlicht." (Bourdieu, 2004a, S. 63)

4

"The ordinary progress of a society which increases in wealth, is at all times tending to augment the incomes of landlords; to give them both a greater amount and a greater proportion of the wealth of the community, independently of any trouble or outlay incurred by themselves. They grow richer, as it were in their sleep, without working, risking, or economizing. What claim have they, on the general principle of social justice, to this accession of riches? In what would they have been wronged if society had, from the beginning, reserved the right of taxing the spontaneous increase of rent, to the highest amount required by financial exigencies?" John Stuart Mill (1848, Book V, Ch.II) Principles of Political Economy with some of their Applications to Social Philosophy.

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