Im Goldrausch

Aus der Umweltkatastrophe in Baia Mare hat Rumänien wenig gelernt: Wieder bedroht ein Goldbergbau Natur und historisches Erbe

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Rumänien ist auf dem Weg nach Europa. 2007 wird das Land Mitglied der Europäischen Union, so entschied es der EU-Gipfel in Kopenhagen. Es kann ein langer Weg werden: Gerade hat eine Studie (PDF) des Open Society Institute ergeben, dass Rumänien unter den EU-Aufnahme-Kandidaten der Staat sei, der am meisten von Korruption heimgesucht werde. In Rumänien selbst sorgen derzeit die Pläne der kanadischen Bergwerksgesellschaft Gabriel Resources Ltd.für Furore: Die Kleinstadt Rosia Montana soll einem Goldbergbau weichen, der 2.000 Menschen zur Umsiedlung zwingt, die Umwelt massiv bedroht und mit der römischen Bergbausiedlung Alburnus Maior eine archäologische Kostbarkeit ersten Ranges vernichten wird.

Bilder: Rosiamontana.org

Erst zwei Jahre ist es her, dass in Baia Mare der Damm des Goldbergwerks “Aurul" brach und sich 100.000 Kubikmeter Zyanid-Schlamm in Theiss und Donau ergossen, wo sie 1.200 Tonnen toten Fisch fabrizierten. Kaum 100 Kilometer von Baia Mare entfernt soll nun ein neuer Goldtagebau errichtet werden. Um in Rosia Montana 300 Tonnen Gold und 1.600 Tonnen Silber aus der Erde zu holen, sind in den nächsten 15 Jahren 200 Millionen Tonnen Gestein aufzubereiten - auch hier mit Zyanid. Das benachbarte Coma-Tal wird in eine gigantische Abfallbehandlungsanlage verwandelt, einen giftigen Stausee von 600 Hektar Fläche.

Als im Jahr 2000 bekannt wurde, dass in den Westkaparten die bedeutendsten Goldvorkommen Europas lagern, schossen die Börsenkurse von Gabriel Resources in die Höhe. Die Kanadier besitzen achtzig Prozent der dortigen Rosia Montana Gold Corporation, das rumänische Staatsunternehmen Minvest die restlichen zwanzig. Die Umsiedlung von 2.000 Menschen schien niemandem ein Hindernis zu sein. Auch die Weltbank sagte einen Kredit über 100 Millionen Dollar zu.

Doch bald formierte sich Widerstand Umweltschützer fürchten ein zweites Baia Mare. Auch 83 Professoren der rumänischen Wirtschaftakademie legten Protest ein. Und Greenpeace hat darauf hingewiesen, dass die offene Lagerung von Giftschlamm eine klassische Unfallquelle des Erzbergbaus darstellt. Doch nicht einmal als die Weltbank ihre Kreditzusage wegen ökologischer Bedenken zurückzog, schreckte das Gabriel Resources ab. Man greift auf privatwirtschaftliche Gelder zurück und unterwirft sich einem höheren Renditedruck. Auch dass eine ganze Anzahl der Bewohner von Rosia Montana nicht willens ist, ihre Heimat zu verlassen, stört die Kanadier nicht.

Auch aus einer anderen Ecke wird Kritik an dem Vorhaben laut. Denn der Tagebau zerstört nicht nur den Ort Rosia Montana mitsamt seinen fünf Kirchen, sondern auch das antike Bergwerk Alburnus Maior. Schon die Römer bauten hier Gold ab. Ein kilometerlanges, noch begehbares Stollensystem überdauerte fast zweitausend Jahre. Zahlreiche Funde von antikem Bergbaugerät, Inschriftenaltären, ja sogar beschriebenen Wachstafeln geben einzigartige Einblicke in die antike Sozialgeschichte. Bei den derzeit in aller Eile voranschreitenden Notgrabungen fanden Archäologen neben Tempeln und Badeanlagen ein Mausoleum, wie es in Rumänien kein zweites gibt.

Dieses römische Eldorado ist Rosia Montanas eigentliches Kapital. Eingebettet in eine eindrucksvolle Landschaft, in die sich 2.000 Jahre Bergbaugeschichte eingeschrieben haben, stellt es eine touristische Attraktion ersten Ranges dar und bietet die einzige Entwicklungschance der Region, die nachhaltig Menschen, Umwelt und historisches Erbe schont. Denn was wird von der Gegend übrig sein, wenn 15 Jahre Bergbau keinen Stein auf dem anderen ließen und alle Geschichte vernichteten?

Es sind vor allem die internationalen Proteste, die in Rumänien Wirkung zeigen. Dass die Denkmalschutz-Weltorganisation ICOMOS auf ihrer 13. Generalversammlung in Madrid Anfang Dezember erklärte: ICOMOS strongly urges all interested parties in this project as well as UNESCO and the international community involved in Romania to do all they can to prevent the destruction of this important archaeological site, blieb zwar noch weit gehend unbemerkt. Für große Aufregung sorgte jedoch eine Petition von mehr als 600 Archäologen und Historikern aus der ganzen Welt. Die rumänischen Behörden beschlossen, ihre Entscheidung über den Goldbergbau noch einmal zu überdenken. Nach Aussage von Greenpeace will man erst die Ergebnisse eines neuen Umwelt-Gutachtens abwarten.

Warum aber? Ein Gutachten der Universität Wien stellte bereits fest, dass der Zyanid-Bergbau gegen EU-Recht verstößt, auf das man sich in Rumänien schon jetzt einstellen muss. Auch sind Zwangsumsiedlungen unrechtens. Möchten die rumänischen Behörden also nur auf Zeit spielen und abwarten, bis die internationale Aufmerksamkeit nachlässt? Einer der Petitions-Initiatoren, der Professor für Alte Geschichte an der Universität Cluj und Leiter des dortigen Museums Ioan Piso, sieht sich derzeit mit der Anschuldigung konfrontiert, er stünde in ausländischen, und zwar ungarischen Diensten. Das habe der rumänische Staatssicherheitsdienst herausgefunden, berichteten mehrere Zeitungen.

In einem offenen Brief an den Chef des Rumänischen Geheimdienst (SRI) Radu Timofte äußerte Ioan Piso seinen Verdacht, hier fände ein Einschüchterungsmanöver statt: “In my opinion, there are people who want to associate SRI's name with that of Gold Corporation just to scare us because I believe that a secret service such as ours is actually focusing its activity on protecting Romania's fundamental interests and that the unprofessional way in which it approached the matter in mass-media is not typical of the SRI." Wenn also nicht der SRI dahinter steckt: Wer dann?

Andrerseits kursieren in Rumänien Gerüchte, zwischen dem rumänischen Geheimdienst und der Rosia Montana Gold Corporation existierten enge Verbindungen. So soll der Chef von Gabriel Resources, Frank Timis, eine Geheimdienst-Konferenz gesponsert haben. Sei es nicht merkwürdig, schreibt Piso, dass Rumänien nur zwanzig Prozent der Gewinne in Rosia Montana bekäme? Und der Rest dieser strategischen Goldreserve Rumäniens an einen ausländischen Staat ginge? Müsste da nicht der rumänische Staatssicherheitsdienst einschreiten? Von Korruption war in dem Brief keine Rede.

Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum zeigt bis zum 5. August 2003 die Ausstellung: Das Gold der Karpaten. Bergbau in Rosia Montana