Im Land der Brunnenvergifter
Seite 4: Die List der Unvernunft: Wahlen gewinnen mit Ausländerhass
- Im Land der Brunnenvergifter
- "Ausländer ’raus" als Devise der offiziellen Politik
- Ob Rot oder Schwarz - Alle profitieren von Fremdenhass
- Die List der Unvernunft: Wahlen gewinnen mit Ausländerhass
- Die Zukunft des Landes ist nur noch eine Nebensache
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Doch in der Mechanik der politisch geschürten Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit liegt eine doppelte List. Indem die Politik aller Parteien eine sinnvolle Zuwanderung und Integration von Zuwanderern aktiv behindert, schafft sie die Voraussetzungen dafür, dass viele Zuwanderer schlecht oder gar nicht integriert sind. Darüber wiederum macht sich in der Bevölkerung Unmut und Unruhe breit - wenn auch eher in Gestalt von Unmut über die Ausländer. Und damit wiederum lassen sich Wahlen gewinnen.
Wenn je das Bild vom circulus vitiosus, vom tückischen Teufelskreis, berechtigt war, dann in genau dieser Situation. Teuflisch daran ist, dass die auf Mobilisierung dumpfen Fremdenhasses basierende Politik der primitiven Rückständigkeit und Fortschrittsfeindlichkeit in Demokratien auch mit Wahlsiegen belohnt wird. Welche List der Unvernunft! In demokratischen Systemen kann Politik, die sich gezielt jeder Vernunft entgegenstemmt und groben Unsinn erzeugt, auch noch erfolgreich sein. Was für eine bodenlose Schweinerei!
Vor dem Hintergrund dieser Stimmungslage sind bisher so gut wie alle vernünftigen Vorschläge für ein geregeltes System der Zuwanderung wie übrigens auch die meisten Vorschläge für eine geregelte Integration der bereits in Deutschland lebenden Ausländer gezielt und planmäßig vereitelt worden.
Klassische Einwanderungsländer wie Kanada und Australien haben ausgeklügelte Punktesysteme entwickelt, um qualifizierte Ausländer ins Land zu holen. Die Punkte werden nach Kriterien wie Alter, Familienstand, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung vergeben. Auch die Bereitschaft zu Investitionen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen wird bewertet.
Die USA haben für die Einwanderung ein Fünf-Klassen-System geschaffen. An der Spitze rangieren "Hochqualifizierte" aus Wissenschaft, Kunst, Bildung, Wirtschaft oder Sport. Professoren und Forscher müssen einen erstklassigen internationalen Ruf vorweisen. Facharbeiter, Geistliche und Ordensmitglieder haben in Klasse drei und vier noch eine Chance. Unternehmensgründer sind erwünscht, wenn sie bereit sind, zwischen einer halben und einer Million Dollar zu investieren, und damit mindestens zehn Arbeitsplätze für Einheimische schaffen.
Nach diesem Muster hatte die Zuwanderungskommission der Bundesregierung, die Süßmuth-Kommission, schon 2001 ein Punktesystem vorgeschlagen, wonach Einwanderer ins Land gelassen werden sollten, die zumindest 65 bis 70 Prozent einer Höchstpunktzahl erreichten, etwa für Berufsqualifikation, Alter - die Bewerber sollten nicht älter als 45 Jahre alt sein - und für die Sprachkenntnisse der Kandidaten.
Die 21 Experten der Süssmuth-Kommission forderten damals in einer rund 300 Seiten starken Studie die "langfristige Öffnung Deutschlands" mit Hinweis auf zwingende "demografische Gründe". Das Punktesystem sollte die jährliche Zuwanderung regeln. Seitdem ist die Politik keinen Schritt vom Fleck gekommen.
Obwohl die Kommission überaus zaghaft vorschlug, das Ganze in einer Testphase zu erproben und das Schlupfloch kontrollierter Einwanderung vorerst für 20.000 Ausländer zu öffnen, hatte der Vorschlag keine Chance: Ein Jahr vor der Bundestagswahl fürchtete der tapfere SPD-Innenminister Otto Schily schon die bloße Möglichkeit, dafür zur Zielscheibe im Wahlkampf zu werden. Wenn es in der demokratischen Politik einmal darauf ankäme, Führungsstärke und mannhafte Durchsetzungsfähigkeit auch vor Wahlen zu zeigen, dann ziehen noch alle Helden der Politik lieber tapfer den Schwanz ein.