Im Würgegriff der Generäle
Unter Präsident Al-Sisi weiten Ägyptens Militär und die Geheimdienste ihren Einfluss auf Medien, Wirtschaft und Parlament massiv aus und bauen im Land einen totalitären Überwachungsstaat auf
Sieben Jahre sind seit dem Ausbruch des sogenannten Arabischen Frühlings inzwischen vergangen. Doch die Hoffnung auf politischen, gesellschaftlichen und sozialen Wandel ist längst erloschen und dem Kampf ums Überleben oder Resignation gewichen. Libyen, Syrien und Jemen versinken im Krieg oder kriegsähnlichen Zuständen während Tunesiens demokratischer Übergang angesichts der voranschreitenden Rückkehr der alten Eliten zunehmend ins Stocken gerät.
In Ägypten hingegen herrschen klare Verhältnisse, ist es doch das einzige von den Aufständen 2011 betroffene Land, das heute als machtpolitisch stabil gilt. Die immer tiefere Wurzeln schlagende Konterrevolution hat sämtliche seit 2011 entstandenen Ansätze eines politischen und gesellschaftlichen Pluralismus hinweggefegt und durch ein auf Repression, Gleichschaltung und puritanischen Moraldiskursen aufbauendes System ersetzt, das selbst die 30jährige autokratische Regentschaft von Expräsident Hosni Mubarak weit in den Schatten stellt.
Jahrelange Straßenproteste, Arbeitskämpfe und zivilgesellschaftlicher Druck waren nicht in der Lage, den heute uneingeschränkt regierenden Staats- und Sicherheitsapparat auch nur ansatzweise zu Kompromissen oder gar der Durchsetzung einer inklusiveren politischen und sozialen Ordnung zu zwingen.
Der beispiellose Wiederaufstieg des ägyptischen Militär- und Geheimdienstapparates seit dem von großen Teilen der Gesellschaft mitgetragenen Putsch gegen Expräsident und Muslimbruder Mohamed Mursi im Juli 2013 dürfte sich auch 2018 fortsetzen. Im Frühjahr stehen Präsidentschaftswahlen an, doch mit einer fairen Abstimmung geschweige denn überraschenden Ergebnissen ist nicht zu rechnen.
Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi hat seine Kandidatur zwar nach wie vor nicht öffentlich bekanntgegeben und zögert diese wie schon vor der letzten Präsidentschaftswahl 2014 hinaus. Dennoch wird allgemein erwartet, dass der autoritär regierende ehemalige General, Verteidigungsminister und Chef des Militärgeheimdienstes erneut für das höchste Staatsamt antreten und abermals deutlich gewinnen wird. Denn aussichtsreiche Gegenkandidaten sind nicht in Sicht.
Beschwerliche Wege zur Gegenkandidatur
Neben der eher symbolischen Ankündigung der Literaturprofessorin Mona Prince, 2018 gegen Al-Sisi antreten zu wollen, wagten sich bisher vier weitere mögliche Anwärter auf eine Kandidatur aus der Deckung. Deren Vorstöße erwiesen sich allerdings als äußerst steinig oder gar kurzlebig, haben doch alle mit heftigem Gegenwind aus dem Sicherheitsapparat zu kämpfen oder sitzen bereits hinter Gittern.
Ende November kündigte Ahmed Konsowa, ein bisher völlig unbekannter Oberst der ägyptischen Armee, in einem Video seine Absicht an, für das Präsidentenamt kandidieren zu wollen. Wenige Tage später wurde er verhaftet, verhört und vor ein Militärgericht gestellt.
Dieses verurteilte ihn zu sechs Jahren Haft mit der Begründung, er habe seine Ankündigung in Militäruniform gemacht, obwohl Armeeangehörigen in Ägypten politische Aktivitäten strikt untersagt sind. Ob Konsowas Kandidatur Chancen gehabt hätte, darf bezweifelt werden, doch der Alleingang eines Offiziers sorgte offenbar für Unmut im straff hierarchisch organisierten Militärapparat, der nicht zum ersten Mal repressive Maßnahmen ergreift, um in den eigenen Reihen für Ruhe zu sorgen.
Als möglicher Kandidat gilt derweil Mohamed Anwar Al-Sadat, Neffe des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Anwar Al-Sadat, und bis zu seinem Rauswurf Anfang 2017 Mitglied des ägyptischen Parlaments.
Al-Sadat gilt zwar keineswegs als regimefern, auch wenn er immer wieder deutliche Kritik an der Politik von Regierung und Staatspräsident übt, doch repräsentiert er einen Flügel der herrschenden Klasse, der angesichts der Dominanz des Sicherheitsapparates in Ägyptens Politik unter massivem Druck steht. Bisher hat er seine Kandidatur offiziell nicht verkündet, brachte diese aber mehrfach öffentlich zur Sprache.
Auch wenn eine Gegenkandidatur Al-Sadats Al-Sisi kaum gefährlich werden dürfte, werfen ihm die Sicherheitsbehörden bereits Steine zwischen die Füße. Erst im Dezember zeigte sich Al-Sadat in einem Brief an die Oberste Wahlbehörde besorgt darüber, dass der mächtige Inlandsgeheimdienst National Security Agency (NSA) eine geplante Pressekonferenz seiner Partei in einem Kairoer Luxushotel untersagt hatte.
Von Querelen mit dem Sicherheitsapparat ein Lied singen kann auch Ahmed Shafiq, ehemaliger Minister für zivile Luftfahrt unter Mubarak und kurzweilig Premierminister während der Revolution 2011. Shafiq trat bereits 2012 als Vertreter des alten Regimes in den Ring, verlor aber in der Stichwahl denkbar knapp gegen Mursi.
Ende November kündigte auch er in einer in seinem Exil in den Vereinten Arabischen Emiraten (UAE) aufgenommenen Videobotschaft an, antreten zu wollen, behauptete jedoch nur Stunden später, es sei ihm nicht gestattet worden die Emirate zu verlassen. Die Regierung der UAE dementierte und ließ Shafiq kurz darauf angeblich gegen seinen Willen in ein Flugzeug nach Kairo setzen, wo er direkt nach seiner Ankunft kurzweilig verschwand und in einem Hotel wieder auftauchte.
Shafiq versicherte zwar gegenüber ägyptischen Medien, er verweile freiwillig in besagtem Hotel, da sein Haus angesichts seines fünfjährigen Exils in den UAE zurecht gemacht werden müsse. Doch unmittelbar nach seiner Ankunft in Kairo hatte er überraschend erklärt, er wolle seine Kandidatur noch einmal überdenken.
Die Posse um seine Rückkehr, angebliche Aufforderungen aus dem Umfeld der ägyptischen Regierung, Shafiq solle sich aus der Politik heraushalten, aber auch die Meldung, der Winterputz in dessen Haus sei Ende Dezember immer noch nicht abgeschlossen, bekräftigen erhebliche Zweifel an der öffentlichen Darstellung seines plötzlichen Sinneswandels.
Als ehemaliger Funktionär von Mubaraks National Democratic Party (NDP) verfügt Shafiq über Verbindungen in den Staatsapparat und die Unternehmerschaft im Land. Ob er wirklich fähig wäre, Teile der privaten Geschäftselite und NDP-nahe Seilschaften hinter sich zu vereinen, bleibt unklar, doch Shafiq und seine 2012 gegründete Ägyptische Nationalbewegung, eines von mehreren Sammelbecken für ex-NDPler, sind dem Sicherheitsapparat ein Dorn im Auge und werden von diesem als Bedrohung wahrgenommen.
Am vergangenen Sonntag bereitete Ahmed Shafiq dann dem Hin- und Her über seine Kandidatur ein Ende: Er verkündete, er werde bei der Wahl nicht antreten.
Eine Rückkehr zum Status Quo unter Mubarak - einer bipolaren Herrschaftsordnung, in der sich Sicherheitsapparat und eine zivile der Unternehmerschaft nahe stehende Partei wie die NDP die Macht teilen - wird vom Sicherheitsapparat vehement und gezielt unterbunden.
Ob der Präsidentschaftskandidat von 2012 und populäre linke Menschenrechtsanwalt Khaled Ali zur Wahl zugelassen wird, ist weiterhin ungewiss. Ali, der seine Kandidatur bereits bekanntgegeben hat, kann auf die Unterstützung weiter Teile des linksliberalen Lagers bauen und wäre eine echte Alternative.
Doch selbst in einer fairen Abstimmung wären seine Aussichten auf einen Erfolg gegen Al-Sisi mehr als gering, als zu einflusslos gilt die hinter ihm stehende politische Strömung abseits der urbanen Regionen des Landes. Seine Verurteilung zu drei Monaten Haft wegen einer angeblich von ihm öffentlich gemachten "unsittlichen" Geste könnte der Kandidatur zudem von Beginn an einen Strich durch die Rechnung machen.
Wird der Richterspruch in der auf den 7. März verschobenen Urteilsverkündung des Revisionsverfahrens bestätigt, ist ihm aufgrund einer Vorstrafe eine Kandidatur gesetzlich untersagt. Fraglich bleibt jedoch, ob Ali von der Obersten Wahlbehörde berhaupt zugelassen wird, will diese doch schon Anfang Februar die Kandidaten für den Urnengang bekanntgebenund könnte mit Verweis auf Alis erstinstanzliche Verurteilung dessen Kandidatur ablehnen.