In der Freizeit wünschen die Menschen Erlebnisse aus erster Hand

Ein Gespräch mit Douglas Rushkoff

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nicht Internet und Fernsehen werden die Unterhaltung der Zukunft bestimmen, sondern direkte zwischenmenschliche Begegnungen. Diese Meinung vertritt der bekannte amerikanische Autor Douglas Rushkoff in diesem Interview und in seiner letzten Kolumne über die Fallstricke des interaktiven Stils.

Dominik Landwehr: Unterhaltung im nächsten Jahrtausend

Sie gelten als Spezialist für Neue Medien und Unterhaltung. Wie unterhalten Sie sich am liebsten?

Douglas Rushkoff: Soll ich ganz ehrlich sein? - Mit Sex! Mit einer schönen Frau zu schlafen, das ist für mich die beste Art von Unterhaltung. Oder mit Masturbation... das ist für mich auch Unterhaltung. Ganz ernst: ich gehe wenig in Kinos oder an Parties, am liebsten mag ich es, wenn wir in einer kleinen Gruppe zusammenkommen und uns unterhalten.

Sind Sie auch ein Fernsehkonsument?

Douglas Rushkoff: Ja, unbedingt, ich schaue sehr gerne TV. Aber ich schaue nicht ein Programm, sondern ich zappe herum.

Sind das nun einfach Ihre persönlichen Vorlieben, oder sind das auch allgemeingültige Trends?

Douglas Rushkoff: Das sind schon Trends. Die Leute wollen heute keine leeren, kommerziellen Events mehr. So vieles ist sinnlos. Ich glaube, daß sich in Zukunft immer mehr Leute am liebsten abkoppeln vom Lärm der Medien.

Bedeutet das, daß die elektronischen Medien in Zukunft weniger wichtig sein werden?

Douglas Rushkoff: Nein, ganz und gar nicht. Sie werden einfach sehr viel mehr mit Arbeit zu tun haben. Börsenkurse via Internet - das hat für mich nichts mit Freizeit zu tun. Tele-Arbeit ist nicht Freizeit, sondern Arbeit, auch wenn sie in den eigenen vier Wänden stattfindet. In der Freizeit möchten die Leute nicht mehr mediale Erfahrungen, sondern Erlebnisse aus erster Hand.

Diese Aussagen überraschen - gerade in den USA schauen viele Kinder jeden Tag stundenlang TV.

Douglas Rushkoff: Das stimmt sicher. Aber was passiert dabei wirklich: Schauen sich die Kids ein bestimmtes Programm an oder zappen Sie einfach nur herum? Für mich ist Fernsehen eine Art von Meditation. Es ist wie ein Droge, in der man einen bestimmten Bewußtseinszustand erreicht. Die Kinder haben heute eine total andere TV-Erfahrung als wir meinen. Sie springen herum und verfolgen gleichzeitig mehrere Programme. Zappen ist eine Abwehr gegen ein Medium, das einen versucht, in Beschlag zu nehmen. Damit schafft man Distanz. Wir mögen es eben nicht, wenn wir "programmiert" werden.

Heißt das, daß Fernsehkonsumenten in Zukunft eine andere Einstellung zum Medium haben werden?

Douglas Rushkoff: Nein, man wird nur ehrlicher sein und zugeben, daß man nicht wirklich zuschaut.

Das werden Fernsehproduzenten und Werbetreibende nicht gerne hören

Douglas Rushkoff: Es klingt hart, aber es ist die Wirklichkeit: Die Fernsehwerbung in der heutigen Form funktioniert nicht und ist zum Untergang verurteilt. Werbung und Programm werden in Zukunft miteinander verschmelzen. Die Technologie dafür liefert das Internet. Man wird einfach die Turnschuhe des Helden anklicken können und erhält so alle Informationen. Auf die gleiche Art und Weise wird man diese Schuhe auch kaufen können.

Internet und Fernsehen nähern sich also aneinander an.

Douglas Rushkoff: Ja. Trotzdem sind das zwei verschiedene Dinge: Fernsehen ist passiv, die Benutzung des Internets eine aktive Tätigkeit.

Welche Rolle spielen dann Videogames?

Douglas Rushkoff: Im Grund genommen sind das einfach Trainingsmodelle für neue Medien. Die Kinder lernen anhand von Spielen, mit den neuen Medien umzugehen. Die heutigen Spiele sind noch stark auf die rein technologische Seite ausgerichtet. Das ändert sich jetzt schon ein wenig. Die Spiele der Zukunft werden vernetzte Spiele sein. Das bedeutet, daß man sich seine Mitspieler über das Internet aussuchen kann. Erste solche Spiele gibt es bereits.

Es fällt den Kindern sehr viel leichter, sich mit diesen neuen Medien auseinanderzusetzen. Was empfehlen Sie den Erwachsenen, den über 40jährigen Menschen?

Douglas Rushkoff: Ein 14-Jähriger kann immer besser mit dem Computer umgehen als ein 40-Jähriger. Das ist einfach so. Man sollte als Erwachsener nicht versuchen, mit Kindern in einen Konkurrenzkampf zu treten. Das ist aussichtslos. Stattdessen muß man wissen, was Erwachsene können und was Kinder.

Und das wäre?

Douglas Rushkoff: Kinder und Junge sind unheimlich gut im Sammeln von Informationen. Die Älteren verstehen sich aber besser auf das Auswerten. Sie haben Erfahrungen, die den Jungen abgehen. Schauen Sie, so viele Kinder kriegen heute zuwenig Aufmerksamkeit, dabei dürsten sie geradezu danach, daß man sich mit ihnen auseinandersetzt, daß man sie ernst nimmt. Aber wenn man Kinder als Konkurrenten ansieht, wird man immer verlieren.