Indien: Der Heilsbringer im Griff der Schlangen, die er nährte
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Narendra Modis komplette Wachstumsstrategie beruht auf dem Wohl der Konzerne. Seine großindustriellen Freunde zeigen ihm nun deutlich, dass sie nur ihr eigenes Wachstum interessiert
Letzte Woche ließ die indische Regierung die europäische Gemeinschaft aussehen, wie ein loser Verbund kleiner Fürstenstaaten, der verängstigt unter der Knute des Kaisers steht: Die indische Außenministerin Sushma Swaraj hatte erklärt, dass Indien sich nicht an Sanktionen gegen den Iran beteiligen würde.
"Wir haben deutlich gemacht, dass wir nur UN-Sanktionen befolgen werden. Wir akzeptieren keine einseitigen Maßnahmen eines einzelnen Landes. Als die USA das letzte Mal Sanktionen gegen den Iran verhängt haben, haben wir unseren bilateralen Handel auch fortgesetzt", sagte Swaraj am Rande eines Treffen mit ihrem iranischen Amtskollegen.
Schon zu Beginn dieses Jahres hatten Indien und der Iran mehrere Verträge unterzeichnet, um die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu verstärken. Dazu arbeitet Indien an einer Kopie zum chinesischen Coup im süd-pakistanischen Gwadar: Im iranischen Chabahar wollen sie ihren eigenen Tiefseehafen mit Zugang zum Arabischen Meer bauen.
Die Leichtigkeit, den USA die Stirn zu bieten
Noch nie war es so einfach für Indien, den USA die Stirn zu bieten: Pakistan hat sich an China verkauft und die Vereinigten Staaten dürften es sich drei Mal überlegen, ob sie ihren Einfluss in diesem Teil der Erde vollkommen aufs Spiel setzen, indem sie jetzt auch Indien mit Strafzöllen belegen.
Doch ausgerechnet Mukesh Ambani, Chef von Reliance Industrie, erklärte kurz darauf, sich an die Sanktionen halten zu wollen. Reliance Industrie ist der weltgrößte Besitzer von Ölraffinerien und fest eingebunden ins amerikanische Finanzsystem. Dass Ambani seine eigenen Interessen wichtiger sind, ist ein heftiger Schlag ins Gesicht von Indiens Premierminister.
Dabei hat Modi Reliance Industrie quasi die indische Staatsbank (SBI) geschenkt, inklusive 225 Millionen Kunden und einem Netzt mit 23.000 Filialen, das in die entlegensten Ecken des Landes reicht. Dazu hielt der Premierminister auch seinen Kopf für die 48 Milliarden fauler Kredite hin, die einige indische Konzerne bei den öffentlichen Banken Indiens angesammelt haben. Bis heute weigert sich Modi die Namen der Schuldner zu nennen.
Doch ein Bericht der Schweizer Bank Credit Suisse aus dem Jahr 2015 gibt einen Hinweis: Mit 20 Milliarden Dollar an nicht beglichenen Krediten soll die Reliance-Gruppe der größte Schuldner sein, die Anil Ambani gehört, dem Bruder von Mukesh Ambani (Reliance Industries). Ebenfalls auf der Liste ist der Vedanta Konzern von Anil Agarwa mit 17 Milliarden Dollar fauler Kredite.
Wenig Dankbarkeit
Aber auch Anil Agarwa zeigt wenig Dankbarkeit gegenüber seinem Gönner, denn sein Vedanta Konzern bringt Narendra Modi augenblicklich in große Schwierigkeiten. Bei Demonstrationen in der südindischen Hafenstadt Thoothukudi wurden 13 Demonstranten erschossen.
Die Proteste richteten sich gegen Umweltverschmutzungen der Kupferfabrik Sterlite, die dem Vedanta Konzern gehört. Obwohl die schweren Verschmutzungen der Kupferfabrik seit knapp 20 Jahren bekannt sind, wollte Anil Agarwa die Produktion von Sterlite verdoppeln.
Ein Faktenfindungsbericht der All India Students' Association (AISA) und eine Untersuchung, die von zwei ehemalige Richtern geleitet wurde, brachten weitere erschreckende Einzelheiten über die Vorkommnisse in Thoothukudi ans Licht.
Polizisten als Anstifter von Gewalttätigkeiten
Nicht die Protestler hatten die Gewalttätigkeiten begonnen, sondern es wurden Polizisten und Mitarbeiter von Sterlite in Zivilkleidung identifiziert, die die Ausschreitungen auf Seiten der Demonstranten angezettelt haben.
Auch hatte die Polizei schon am Morgen des 22. Mai, dem Tag der Großdemonstration, die Bewohner der Dörfer Süd Veerapandiapuram, Kumarareddipuram und Pandarapatti verhaftet.
Bewohner anderer Dörfer, die sich zur Demonstration nach Thoothukudi aufmachen wollten, wurden von der Polizei auf Transporter gehievt und weit ab der Stadt ausgesetzt. Zwei weitere Aktivisten wurden abseits der Demonstration von Sicherheitskräften erschossen. Dazu kam heraus, dass einige der Scharfschützen, die auf die Demonstranten geschossen haben, dem Sicherheitspersonal von Sterlite angehörten.
Mit Blick auf die Parlamentswahlen im nächsten Jahr, hat Anil Agarwa seinem "Freund" einen Bärendienst erwiesen, denn das Bild, das Modi schaffen wollte - er und die Konzerne die zum Wohl Indiens und seiner Menschen Wachstum schaffen - bröckelt.
Bis jetzt konnte sich Modi dabei auf die Medien verlassen, die wie ein Mantra widerholten, dass es vom Ausland gesponserte NROs, Aktivisten, wie Maoisten seien, die Indiens Aufstieg mit unbegründeten Protesten verhindern wollen.
Antisoziale Elemente? Tod eines 17-jährigen Schulmädchens
Doch in Thoothukudi wurde zu offensichtlich, dass es wieder die Zivilgesellschaft war, die auf die Straße ging, da sie genug von der Verschmutzung ihres Grundwassers und der verpesteten Luft hat.
Dass unter den Toten auch ein 17-jähriges Schulmädchen war, das von einer Polizeikugel in den Mund getroffen wurde, entlarvte die übliche Behauptung der Verantwortlichen, bei den Protestlern in Thoothukudi handele sich um anti social elements.
Schon bei den lokalen Wahlen im Bundestaat Karnataka konnte Modis Bharatiya Janata Partei (BJP) nur einen Pyrrhussieg erringen: Obwohl die BJP die meisten Stimmen erhielt, stellt sie nicht den Ministerpräsidenten, da sich die Opposition zusammenraufte und ihren Kandidaten durchdrückte.
Auf einmal gilt der lange Unschlagbare als besiegbar, weil die Kongress Partei von ihrem hohen Ross herunterkommen ist und akzeptiert hat, dass sie weitere 5 Jahre (neoliberalen) Hindunationalismus nur im Verbund mit anderen Parteien verhindern kann.