Inflationsbekämpfung: Kommt ein "Zinsschock"?

Seite 2: "Die Zeiten der Wunderbörse sind vorbei"

Henrik Müller, Professor für wirtschaftspolitischen Journalismus an der Technischen Universität Dortmund, hat unter anderem im Spiegel einen Beitrag veröffentlicht, wo er vor "gravierenden" Auswirkungen stark steigender Leitzinsen und einem "Zinsschock" warnt.

Der gleiche Beitrag wurde auch im manager magazin veröffentlicht, wo Müller einst als Vize-Chefredakteur gearbeitet hat. Auch er geht von einer Zinsanhebung der Fed um einen "dreiviertel Prozentpunkt" aus. Er schließt sogar nicht aus, dass Fed-Chef Jerome Powell und dessen Kollegen sogar einen noch größeren Zinsschritt um 100 Basispunkte wagen könnten.

Denn auch wenn man Energie und Nahrungsmittel aus der Inflationsrate herausrechne, hätten "die Verbraucherpreise im August im Schnitt um 6,3 Prozent höher" gelegen als ein Jahr zuvor. Die Fed-Vizepräsidentin Lael Brainard hatte zudem gerade angekündigt, dass die Notenbank die Aufgabe habe, für Preisstabilität zu sorgen. "Wir machen so lange weiter wie nötig, um die Inflation herunterzukriegen."

Was hier immer wieder betont wurde, bestätigt auch Müller. Es zeige sich, "dass die Preise keineswegs von kurzfristigen Schocks wie der russischen Invasion in der Ukraine und den folgenden Sanktionen und Embargos getrieben werden, sondern von heimischen Faktoren. Und deren Auftrieb im Rahmen zu halten, dafür hat letztlich die Notenbank die Verantwortung".

Wie hier aufgezeigt, dient der Krieg der EZB aber immer wieder gerne als Ausrede. Dabei lag die Inflationsrate schon im vergangenen November, also mehr als drei Monate vor dem Kriegsausbruch, im Euroraum bei sechs Prozent.

Klar ist, dass auch die Zinserhöhung am Mittwoch nicht die letzte sein wird und die EZB sogar erst noch ganz am Anfang eines langen und wohl schmerzlichen Wegs steht, da die Bilanzsumme, anders als in den USA, auch noch nicht verringert wird, also weiter inflationstreibend Staatsanleihen angekauft werden. Eines ist aber auch bei der Inflation klar.

"Je länger man das Problem verschleppt, desto härter werden die Konsequenzen", haben Experten wie der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, gewarnt.

Müller zieht Parallelen zu der Situation in den 1970er Jahren, als die Leitzinsen schließlich sogar die Leitzinsen "zeitweise auf über 19 Prozent" von der FED angehoben werden mussten, was zu einer heftigen Rezession führte, um die Inflation wieder einzufangen.

"Damit die Notenbank die Preisdynamik wirklich einbremsen kann, müssen die Leitzinsen über der Inflationsrate liegen", erklärt der Professor und zeigt damit die Spanne an, auf welche die Zinsen explodieren können.

Mit dem Blick zurück warnt er auch davor, dass sich bei einer "Inflationspsychologie", die sich erst einmal "verselbstständigt hat", es eines "umso stärkeren Anstiegs der Realzinsen" und länger anhaltender restriktiver Maßnahmen bedarf. "Zwischenzeitliche Rückgänge der Inflation können sich als trügerisch erweisen, weshalb man besser nicht darauf reagiert und die Zinsen über längere Zeiträume hochhält."

Er hält es nicht für abwegig anzunehmen, dass angesichts der US-Kerninflationsrate ein Zinssatz von über sieben Prozent droht. Das wäre dann der Zinsschock, der deutlich auf die Konjunktur schlagen würde. Dann "wäre wohl eine heftige Rezession in den USA unumgänglich."

Laut Müllers Lageeinschätzung steht in Europa das bevor, was derzeit in den USA geschieht.

Abzusehen ist, dass weiter stark steigende Zinsen in den USA den Euro weiter stark unter Druck setzen würden. Die weitere starke Aufwertung des Dollars werde auch "viele Entwicklungs- und Schwellenländer in extrem schwierige Situationen" treiben.

Eine Warnung hat Müller auch für die bereit, die an der Börse spekulieren: "Die Zeiten der Wunderbörse sind damit vorbei."

Mit dem Ende der Geldschwemme markierten die nun bröckelnden Kurse erst der Anfang sein, prognostiziert er "eine fundamentale Trendwende" und sieht an den Börsen "reichlich Luft nach unten".

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