Informationsfreiheit, selbst gebacken
Weil Rot-Grün nicht handelte, haben Bürgerrechtsorganisationen und Journalistenverbände selbst einen Entwurf für ein IFG verfasst, der heute vorgelegt wird
Seit 1998 versprechen SPD und Bündnis 90/Die Grünen dem Wahlvolk ein Informationsfreiheitsgesetz - also das Recht, der Regierung und Bürokratie in die Akten schauen zu dürfen. Seit 1998 wird immer wieder erzählt, es würde bald kommen (vgl. Neuauflage Informationsfreiheitsgesetz).
In der ersten Wahlperiode wurde nichts daraus und in der 15. Wahlperiode ist auch bereits Halbzeit. Insbesondere das Wirtschafts- und Verteidigungsministerium haben sich immer wieder als Blockierer eines Bundes-IFG hervorgetan (vgl. Bananenrepublik Deutschland).
Jetzt haben jene Organisationen, die seit Jahren für ein Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene (IFG) kämpfen, netzwerk recherche, Deutsche Journalisten Verband, Deutsche Journalistinnen- - und Journalisten Union, Humanistische Union und Transparency International einen eigenen Entwurf für ein solches Bundes-IFG geschrieben und am 2. April 04 Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse überreicht. Artikel 1 des Gesetzentwurfs definiert als Zweck dieses Gesetzes
den freien Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen des Bundes vorhandenen Informationen sowie die Verbreitung dieser Informationen zu gewährleisten und die grundlegenden Voraussetzungen festzulegen, unter denen derartige Informationen zugänglich gemacht werden sollen.
Quelle (voraussichtlich ab 13 Uhr verlinkt)
Als Informationen werden "alle in Schrift-, Bild, Ton- oder in Datenverarbeitungsform oder auf sonstigen Informationsträgern festgehaltenen Inhalte, Mitteilungen und Aufzeichnungen" genannt; als Behörden "alle Stellen im Sinne des § 1Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetze, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, auch die Bundesregierung"; als Öffentliche Stellen "alle Behörden... sowie alle Einrichtungen, die mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut sind, und der Kontrolle oder einer vergleichbaren Einflussnahme von Behörden unterliegen."
Als "Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben" wird "auch die fiskalische Tätigkeit sowie die Beratung von öffentlichen Stellen und sonstiger Dienstleitungen für öffentliche Stellen" definiert. In der Begründung heißt es dazu:
Es genügt, wenn eine Einflussnahme des Bundes besteht. Der Bund muss beispielsweise nicht über eine absolute Mehrheit der Anteile verfügen. Die Vorschrift soll einer informationsrechtlichen Flucht ins Privatrecht' vorbeugen. Zugänglich bleiben (bzw. werden) sollen jedenfalls Informationen bei Einrichtungen wie der Telekom AG und der Deutschen Bahn AG
Der "Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen" wird in einem eigenen, dem Paragraphen 12 gewährleistet. Dort wird auch klargestellt, was nicht unter diesen Schutz fallen soll, das sind
- Angaben über Emissionen;
- Angaben über Gesundheitsgefährdungen;
- Angaben über Erzeugnisse im Sinne des Lebensmittelhygiene- und Bedarfsgegenständegesetzes
- Angaben über Empfänger und Höhe öffentlicher Fördermitte
- Angaben über Bieter und die Höhe der Gebote bei Ausschreibungen durch öffentliche Stellen (...)
- Angaben über Auftragnehmer und vereinbarte Preise bei freihändig vergebenen Aufträgen öffentlicher Stellen
Damit würde das IFG einen wirksamen Beitrag gegen Korruption und Bestechlichkeit leisten (vgl. Transparenz versus Korruption).
Der "Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung" wird im vorgelegten Entwurf sehr eng formuliert. So heißt es in § 9, Absatz 1:
Der Anspruch auf Zugang zu Informationen besteht nicht, soweit und solange das Bekanntwerden der Informationen die internationalen Beziehungen, die Landesverteidigung oder die innere Sicherheit schädigen würde.
Gleiches gilt für die Gewährleistung eines anhängigen Gerichtsverfahrens oder Disziplinarverfahrens. Auch darf die Bekanntgabe von Informationen nicht den Erfolg eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gefährden.
Kosten sollen nur für die Überlassung und Übersendung von Kopien von Informationsträgern in Rechnung gestellt werden, wobei die ersten 100 Fotokopien, die erste Diskette sowie die erste CD-Rom kostenfrei bleiben sollen.
In einigen Kommunen, in denen bereits ein landesweites IFG gilt, hatte man mehrfach versucht, den Informationszugang der Bürger über die Gebührenordnung zu beschränken So hatte die Stadt Bonn versucht, mit exorbitanten Gebühren das Interesse ihrer Bürger an den nicht seltenen Mauscheleien in der Verwaltung zu zügeln (vgl. Transparenz versus Korruption).
Erfahrungen aus NRW
Das IFG in NRW, vor zwei Jahren vom Landtag beschlossen, überlässt den kommunalen Verwaltungen die Entscheidung über die Herausgabe von Akten zur Einsicht, und die Verwaltung erhebt dann Gebühren. Verweigert die Verwaltung die Einsichtnahme, bleibt den Antragstellern der - allerdings recht kostspielige - Rechtsweg vor Verwaltungsgerichten.
In der Praxis muss sich erst noch erweisen, wie weit die Einsichtsrechte gehen können (vgl. Informationsfreiheit in NRW kaum gefragt)
Eigentlich soll das IFG ja dazu dienen, Verwaltungsvorgänge für die Bürger transparenter zu machen. Genau das scheinen aber Kommunen zu befürchten. So geschah es in Dormagen im Kreis Neuss. Dort wollten Bürger wissen, wer dem Bürgermeister die neue Amtskette gespendet hatte. Die Verwaltung verweigerte die Einsichtnahme mit dem Hinweis darauf, dass die Spender um Anonymität gebeten hätten. Nun klagt einer der Bürger vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. Einer der Antragsteller reichte daraufhin vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage nach dem IFG ein. Dieser Fall könnte sich zu einem Paradebeispiel für die Praxis der Anwendung des IFG in Nordrhein-Westfalen entwickeln, meint Rechtsanwalt Adolf Robert Pamatat, der den Kläger anwaltlich vertritt. Weil das Gesetz noch relativ neu ist, gibt es zur Zeit erst wenige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten in solchen Fragen. Die Kammer wisse um die Bedeutung dieser Entscheidung, so Pamatat.
Zu den bisherigen Erfahrungen mit dem IFG in NRW veranstaltet die Grüne Landtagsfraktion am 30.4.2004 im Landtag NRW ein Fachgespräch. Dort wird auch die bisherige Informationsverweigerung zur "Dormagener Amtskette" thematisiert.