Infrastruktur Deutsche Bahn: Der Eiertanz im Deutschlandtakt

Seite 3: Deutschlandtakt 2030: Wann hat das angefangen?

Wann hat das alles angefangen? Wahrscheinlich Anfang der 1990er-Jahre, als die Bundespolitik im Angesicht hoher Verluste der einstigen Bundesbahn daraus die Deutsche Bahn AG machte, in der der Bund bis heute Alleinaktionär ist. Die Deutsche Bahn AG sollte sogar Gewinn machen, sich der Bund nur noch wenig einmischen.

Personal wurde abgebaut, kaum noch in die Infrastruktur investiert. Später wollte man dann sogar die Deutsche Bahn AG an die Börse bringen, erfolglos; der Börsengang wurde abgesagt.

Heute ist die Deutsche Bahn AG ein schwer durchschaubares Geflecht aus Tochterunternehmen, mit teils doppelten Strukturen. Und in der Bundespolitik wird über eine Zerschlagung und möglicherweise auch Privatisierung dieses Firmen-Universums diskutiert.

Doch tatsächlich war es vor allem die Politik, die das Ganze befeuert hat. Indem sie der Bahn AG die Gewinnorientierung mit auf den Weg gab. Und indem in den vergangenen Jahren mit knackigen Slogans Erwartungen geweckt wurden, die immer schon mindestens völlig überambitioniert waren.

Der "Deutschlandtakt 2030" sei "das größte Projekt im Eisenbahnbereich seit der Bahnreform 1994", erklärte der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer bei Vorstellung des Gutachterentwurfs für den Zielfahrplan 2018. Man werde damit bis 2030 die Zahl der Fahrgäste verdoppeln. Schon damals war allerdings klar, dass das gar nicht machbar ist. Weil die Infrastrukturprojekte, die dafür erforderlich sind, nicht einmal annähernd bis 2030 umgesetzt worden sein können.

Allerdings ist der "Deutschlandtakt" auch kein statisches Projekt. Denn die Entwürfe für den Zielfahrplan können nur Infrastrukturprojekte berücksichtigen, die nach dem Stand der Dinge einigermaßen realistisch erscheinen.

"Bahnhof 21"

Beispiel Frankfurt. In den 1990er-Jahren war bei der Bahn ein Konzept namens "Bahnhof 21" der letzte Schrei: Der Flächenverbrauch der Bahn in den Städten sollte reduziert werden. In diesem Zuge wurde auch über den Umbau von Kopfbahnhöfen wie in Frankfurt, München, Stuttgart zu Durchgangsbahnhöfen nachgedacht.

Der Gedanke: Auf den immensen, frei werdenden Flächen in Innenstadtlage könnten dann neue Stadtviertel entstehen. In Frankfurt sollte der Bahnverkehr durch einen Tunnel zu einem neuen Tiefbahnhof verlaufen. Anfang der Nullerjahre legte man das Projekt im Angesicht der prognostizierten Kosten ganz tief zu den Akten im Giftschrank.

Die Leute, die bis 2018 den ersten Zielfahrplan für den Deutschlandtakt ausarbeiteten, konnten also im Leben nicht damit rechnen, dass wenige Wochen nach der Vorstellung das Bundesverkehrsministerium völlig überraschend einen Fernbahntunnel samt Tiefbahnhof als vordringlichen Bedarf in den Bundesverkehrswegeplan 2030 aufnehmen würden – die Pläne ähneln dem ursprünglichen Frankfurt 21 doch ziemlich.

In solchen Fällen wird dann im nächsten Entwurf nachgearbeitet – was die endgültige Umsetzung des Deutschlandtakts dann natürlich nach hinten verschiebt. Tatsächlich könnte es sogar passieren, dass der Deutschlandtakt nie vollständig fertig wird. Denn was wissen wir schon, was in Zukunft passiert?

Eldenburg in Brandenburg könnte zur Großstadt werden und Fernverkehr brauchen. München könnte zur Kleinstadt schrumpfen.