Intervallfasten – könnte das eine Alternative sein?
Seite 4: Ein weiterer Erfahrungsbericht
Zu den im Buch von Andreas Michalsen13 aufgeführten Fallberichten über die Wirkung des Intervallfastens kann ich einen eigenen Erfahrungsbericht beisteuern. Solche Fallberichte haben für sich natürlich keine Beweiskraft, können aber als Hinweis darauf gewertet werden, dass weitere Untersuchungen Sinn machen.
Mitte März 2020 suchte mich ein langjähriger Freund auf, den ich schon viele Jahrzehnte in gesundheitlicher Hinsicht berate und betreue. Bei dem über 80-jährigen 1,75 m großen Mann besteht seit vielen Jahren ein Bluthochdruck, der mit zwei niedrig dosierten Medikamenten (Candesartan und Hydrochlorothiazid) gut kompensiert war, außerdem eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (paVK) im Stadium I und ein Prädiabetes mit grenzwertigen Nüchtern-Blutzuckerwerten. Die Mutter des Patienten ist mit 82 Jahren an einem Schlaganfall verstorben und hatte ebenfalls die drei genannten chronischen Krankheiten.
In den letzten 20 Jahren ist es meinem Freund gelungen, durch eine sättigende, energiearme und kalorienreduzierte Mischkost mit viel Gemüse und Obst und eine regelmäßige körperliche Aktivität sein Körpergewicht bei 74 bis 75 kg stabil zu halten.14 Die gelegentlich kontrollierten HbA1c-Werte lagen immer im Normbereich.
Ende 2/2020 war er in Teneriffa zu einer Golden Hochzeit eingeladen und hatte auch anschließend Gelegenheit, viele kulinarische Köstlichkeiten kennenzulernen, so dass er während der 14 Tage dort ca. 6 kg an Gewicht zugelegt hatte. Bei einer Laboruntersuchung wurde daraufhin zum ersten Mal ein leicht erhöhter Langzeitzuckerwert (HbA1c) von 6,5 Prozent festgestellt, so dass bei ihm ein beginnender Diabetes zu diagnostizieren war.
Deshalb wollte er unbedingt möglichst schnell zehn kg an Gewicht abnehmen und zwar mit Intervallfasten, von dem er in den Medien gelesen hatte.
Ich war zunächst skeptisch, habe mich aber dann mit dem Thema befasst (siehe diesen Artikel) und ihn dann entsprechend beraten und von 4/2020 bis heute begleitet.
Mein Freund hat für sich die 16/8-Methode des Intervallfastens ausgewählt, da er Rentner ist und morgens gerne länger schläft. Das bedeutet, dass er in der Regel auf das Frühstück verzichtet und sich nur zweimal am Tage, mittags und abends, satt gegessen hat. Nach Erreichen seines Zielgewichts von etwa 70 kg hat er, um nicht weiter abzunehmen, zusätzlich auch nachmittags noch eine Zwischenmahlzeit eingelegt.
Tabelle 1: Befunde unter Intervallfasten 16/8 (persönlicher Erfahrungsbericht) | |||||||
4/2020 | 5/2020 | 8/2020 | 9/2021 | 3/2022 | 8/2022 | 12/2022 | |
Gewicht in kg: | 80 | 76 | 72 | 69 | 70 | 69 | 70 |
Bauchumfang: | minus 5-6 cm | ||||||
Blutdruck: | Normalwerte unter 1 Tabl. (vorher 2 Tabl.) | ||||||
Nüchtern-BZ (mg/dl): | 117 | 115 | 107 | 103 | 110 | 111 | 108 |
HbA1c (%): | 6,5 | 5,8 | 5,6 | 5,7 | 5,7 | 5,7 | 5,8 |
LDL-Chol. (mg/dl): | 159 | 165 | 137 | 124 | 149 | 142 | |
HDL-Chol. (mg/dl): | 57 | 53 | 55 | 55 | 56 | 59 | |
Triglyceride (mg/dl): | 162 | 159 | 134 | 113 | 109 | 152 |
Die Tabelle 1 zeigt die einschlägigen Untersuchungsbefunde, die bei ihm von 4/2020 bis 12/2022 erhoben werden konnten. So war das Zielgewicht von 70 kg nach ca. fünfMonaten erreicht und konnte bis heute gehalten werden. Der Bauchumfang hat sich um ca. sechs cm verringert als Ausdruck eines deutlichen viszeralen Fettabbaus. Bei der Medikation gegen den Bluthochdruck konnte auf ein Präparat (Hydrochlorothiazid) verzichtet werden.
Der Nüchtern-Blutzuckerwert wurde deutlich abgesenkt und der Langzeitzuckerwert (HbA1c) hatte sich seit 5/2020 normalisiert und ist bis 12/2022 auf diesem Niveau geblieben, so dass weiter von einem Prädiabetes ausgegangen werden kann. Und schließlich war beim LDL-Cholesterin, dem "schlechten" Cholesterin, eine Absenkung um ca. neun Prozent zu verzeichnen.
Besonders erfreulich war weiterhin, dass mein Freund subjektiv über Wohlbefinden und einen erholsamen Nachtschlaf berichtete und angab, mit dem Umsetzen der 16/8-Methode keinerlei Schwierigkeiten und bisher an keinem Tag Hunger gehabt zu haben. Abschließend sei noch auf eine Sendung im NDR vom 02.09.2022 mit dem Titel "Intervallfasten: So funktioniert gesundes Abnehmen " hingewiesen, die interessierten Übergewichtigen und Adipösen durchaus empfohlen werden kann.
Vielleicht kann diese Sendung einige Übergewichtige und Adipöse dazu bewegen, es einmal mit dem Intervallfasten zu versuchen. Wenn allerdings Arzneimittel, etwa gegen Bluthochdruck oder Diabetes, eingenommen werden, sollte bei diesem Versuch immer der Hausarzt mit einbezogen werden, damit die Medikamente dann, falls erforderlich, rechtzeitig in der Dosis reduziert werden können.
Fazit und Schlussfolgerungen
Bei Übergewicht und Adipositas ist für eine Gewichtsreduktion eine zeitweilige Negativierung der Energiebilanz erforderlich, die durch Reduzierung der Energiezufuhr (Kalorienrestriktion) und/oder vermehrtem Energieverbrauch (körperliche Aktivität) erreicht werden kann. Ein bekanntes Problem ist dabei, dass mittel- und langfristig viele Adipöse an der nachhaltigen Umsetzung dieser Vorgaben scheitern.
Beim Intervallfasten, z.B. nach der Methode 16/8, ist die Nahrungsmittelaufnahme auf etwa 8 Stunden täglich zeitlich eingeschränkt. Eine der drei Hauptmahlzeiten fällt dabei meist weg (entweder das Frühstück oder das Abendessen). Dadurch kommt es indirekt ebenfalls zu einer täglichen Kalorienverminderung in einer Größenordnung von 10 bis 20 Prozent.
Von daher kann das Intervallfasten eine effektive Methode zur Gewichtsabnahme bei der Adipositas-Behandlung sein. Hinweise dafür sind zahlreiche Erfahrungsberichte, aber auch eine Reihe von kleineren kontrollierten Studien.
Bisherige Studien zeigen, dass das Intervallfasten nicht schlechter wirkt als eine herkömmliche kalorienverminderte Kost und für manche Menschen leichter durchzuhalten ist. Ein Vorteil ist, dass beim Intervallfasten nach der Methode 16/8 ein großer Teil der täglichen Fastenzeit verschlafen wird. Ein weiterer Vorteil könnte sein, dass es dabei nicht zu einer Reduzierung des Grundumsatzes kommen soll und damit ein Jo-Jo-Effekt vermieden wird.
Das Intervallfasten könnte also für manche Menschen eine angenehmere Form sein, Kalorien zu reduzieren. Ob die Adhärenz, d. h. die Einhaltung der mit Patienten gemeinsam festgelegten Therapieziele, generell tatsächlich besser ist, ist aber wissenschaftlich bisher nicht bewiesen.
Ob durch das Intervallfasten weitere in Tierversuchen nachgewiesene zusätzliche günstige metabolische Effekte, etwa auf den Zuckerstoffwechsel und /oder den Fettstoffwechsel, auch beim Menschen ausgelöst werden können und von Bedeutung sind, ist ebenfalls noch unklar.
Es gibt aber Hinweise aus einer Studie aus Tschechien an einer kleinen Gruppe von Diabetes-Patienten, dass Intervallfastende bei allen Studienendpunkten, d. h. Gewichtsverlust, Leberfettgehalt und Insulinresistenz, besser abgeschnitten haben als Diabetiker mit sechs Mahlzeiten. Zur Klärung sind hier weitere kontrollierte Studien erforderlich.
Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin – Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de