Intervallfasten – könnte das eine Alternative sein?

Zeitlich begrenztes Essen mit größeren periodischen Essenspausen ist bei der Adipositas-Behandlung wahrscheinlich nicht weniger effektiv als eine herkömmliche Reduktionskost mit Kalorienbeschränkung, aber möglicherweise für manche Menschen leichter umsetzbar.

Übergewicht und Adipositas betreffen Zweidrittel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland und ein Viertel ist adipös, d. h. fettleibig. Die Adipositas fördert Folgeerkrankungen, insbesondere den Diabetes mellitus Typ 2, den sogenannten Altersdiabetes. Dieser gilt als einer der wichtigsten Risikofaktoren für kardiovaskuläre Krankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall, die die häufigsten Todesursachen bei uns darstellen. Aber Adipositas ist auch eine bedeutsame Ursache für Krebserkrankungen. Eine erfolgreiche Behandlung der Adipositas ist komplex und häufig frustran.

Im ersten Teil dieser Abhandlung habe ich mich mit dem wissenschaftlich-fundierten Münchner Erfolgskonzept der Adipositas-Behandlung beschäftigt, das um die Jahrtausendwende von dem leider viel zu früh verstorbenen Ernährungsmediziner Volker Schusdziarra begründet wurde.1 2020 haben ehemalige Mitarbeiter von ihm dieses herausragende Konzept in aktualisierter Form in einem neu gestalteten, sehr empfehlenswerten Sachbuch mit dem programmatischen Titel "Satt essen und abnehmen" veröffentlicht.2

Der folgende zweite Teil dieser Abhandlung behandelt das Intervallfasten und beruht auf einem Vortrag, den ich im Rahmen der Ringvorlesung "Alter, Gesundheit und Lebensstil" des Instituts für Sportwissenschaften im Dezember 2022 an der Universität Kiel gehalten habe.

Dabei geht es um die Frage, ob das Intervallfasten eine Alternative bei der Adipositas-Behandlung sein und einen Beitrag zu einer nachhaltigen Gewichtsreduktion bei Übergewicht und Adipositas leisten kann. Darüber hinaus beschäftigt sich dieser Artikel damit, ob mit dem Intervallfasten beim Diabetes Typ 2, der wichtigsten Folgeerkrankung von Übergewicht und Adipositas, zusätzliche günstige metabolische Effekte verbunden sind.

Was bedeutet Intervallfasten?

In einer 2019 erschienenen Übersichtsarbeit im Deutschen Ärzteblatt schreibt die Autorin, dass das Intervallfasten in den letzten Jahren in Mode gekommen sei und es mittlerweile kaum einen Kiosk gebe, an dem es nicht angepriesen werde.3

Bekanntlich erfordert eine erfolgreiche Therapie von Übergewicht und Adipositas eine Negativierung der Energiebilanz durch Reduzierung der Energiezufuhr und/oder Vermehrung des Energieverbrauchs.4 Deshalb besteht diese aus den beiden Säulen:

  • Ernährungsumstellung auf eine sättigende, energiearme und kalorienreduzierte Mischkost mit viel Gemüse und Obst und
  • eine regelmäßige körperliche Aktivität.

Während es also bei der üblichen Ernährungsbehandlung der Adipositas im Prinzip um eine Verminderung der Kalorienaufnahme geht, ist beim Intervallfasten nicht eine Kalorienbegrenzung der Nahrungsaufnahme das primäre Ziel, sondern ein zeitlich begrenztes Essen.

Synonyme sind Intermittierendes Fasten, Teilfasten, Time-Restricted-Eating (TRE) bzw. Time-Restricted-Feeding (TRF), soweit es sich um Tierversuche handelt.

Im Unterschied zum kontinuierlichen Fasten, etwa im Rahmen einer Kur über zwei bis vier Wochen Dauer, umfasst das Intervallfasten eine Reihe von Ernährungsweisen, die durch längere periodische Pausen der Nahrungsaufnahme, z. B. über 16 bis 48 Stunden, gekennzeichnet sind und für längere Zeit durchgeführt werden können. Dazu gehören die in Abbildung 1 aufgeführten Methoden.

Abb. 1: Methoden des Intervallfastens

Zurzeit am weitesten verbreitet dürfte die 16/8-Methode sein, bei der täglich ca. 16 Stunden gefastet und ca.acht Stunden gegessen wird, z. B. dadurch, dass entweder das Frühstück oder das Abendbrot weggelassen wird. Andere Methoden sind die 5:2- oder die 10 in 2-Methode (siehe Abbildung 1).

In den letzten Jahren ist Intervallfasten in Mode gekommen. In vielen Ratgebern und Medienberichten finden sich vielversprechende Botschaften: für Übergewichtige und Adipöse eine leichtere Gewichtsabnahme ohne Jo-Jo-Effekt, aber auch ein Schutz vor Diabetes, Krebs, Alzheimer und ein längeres Leben werden versprochen.

Für viele dieser günstigen Effekte gibt es überraschende wissenschaftliche Evidenz aus tierexperimentellen Befunden, vor allem an Mäusen, während Studien an Menschen leider klein und rar und bisher nicht überzeugend sind.

Kleiner Exkurs in die Chronobiologie

Dieser Wissenschaftszweig untersucht die Biologie der zeitlichen Organisation von physiologischen Prozessen und wiederholten Verhaltensmustern bei Organismen.

Die hierbei nachgewiesenen Regelmäßigkeiten wiederkehrender Erscheinungen werden als biologische Rhythmen bezeichnet (nicht zu verwechseln mit esoterischen Biorhythmuslehren). Sie treten mit verschiedener Periodendauer auf und können als regelmäßige Anpassungen innerer Zustände an äußere Umstände verstanden werden.

So bestimmen zirkadiane, etwa 24-Stunden dauernde, tägliche Rhythmen die Biologie aller Lebewesen, etwa den Schlaf-Wach-Rhythmus, die Körpertemperatur, den Blutdruck und Hormonspiegel und vieles mehr.

Diese Rhythmen sind weitgehend unabhängig von äußeren Faktoren und werden gesteuert von einer circadianen "innerer Uhr". Diese ist in jeder einzelnen Zelle vorhanden. Das übergeordnete Zentrum der inneren Uhr ist im Zwischenhirn (Nucleus suprachiasmaticus) lokalisiert. Die Steuerung erfolgt durch An- und Ausschalten von Genen über bestimmte Signalstoffe, etwa in der Leber.

Wechselnde Tageslänge erfordert eine ständige (langsame) Synchronisation der inneren Uhr. Diese erfolgt über die Einwirkung von Licht auf lichtempfindliche Nervenzellen (Melanopsin) in der Netzhaut. Bei kurzfristig notwendiger Synchronisation bei Überfliegen von Zeitzonen entsteht bekanntlich ein Jet-Lag.

Eine neue Erkenntnis aus dem berühmten Mäuse-Experiment (siehe unten) ist nun, dass jeder Rhythmus in der Leber unabhängig vom Lichtsensor von der Nahrungsaufnahme gesteuert wird.

Die dicke und die dünne Maus

Eine wichtige wissenschaftliche Studie, die großes Aufsehen erregte und zu dem Hype über das Intervallfasten beigetragen hat, stammt aus 2012 und trägt den Titel "Time-Restricted Feeding without reducing caloric intake prevents metabolic diseases in mice fed in high fed diet" (zu Deutsch: Zeitlich eingeschränktes Füttern ohne Kalorienbeschränkung verhindert Stoffwechselkrankheiten bei Mäusen, die mit fettreicher Kost gefüttert werden").5

Während ernährungsbedingte Fettleibigkeit bisher ausschließlich auf eine erhöhte Kalorienzufuhr zurückgeführt wurde, zeigt die genannte Studie, dass Mäuse (nachtaktive Tiere!), die mit einer fettreichen Diät (HFD) mit freiem Zugang (ad libidum) gefüttert wurden, Tag und Nacht häufig fressen, so dass es zu Fettleibigkeit und weiteren chronischen Krankheiten bei ihnen kommt (Abbildung 2).

Abb. 2: Abstract in grafischer Form aus "Time-Restricted Feeding without Reducing Caloric Intake Prevents Metabolic Diseases in Mice Fed a High-Fat Diet". Erläuterungen im Text. Quelle: Cell Metab / Grafik: TP

Um zu testen, ob diese Krankheiten auf die Fütterung mit HFD oder Störungen der von Signalstoffen abhängigen Stoffwechselzyklen zurückzuführen sind, wurden Tiere mit einer überkalorischen HFD entweder mit freiem Zugang über 24 Stunden oder mit einer TRF mit zeitbeschränktem Zugang von 8 Stunden nachts gefüttert.

Dabei erhielten die Mäuse unter TRF äquivalente Mengen an Kalorien von HFD wie diejenigen mit freiem Zugang. Unter TRF waren sie jedoch gegen Fettleibigkeit, erhöhtem Insulinspiegel, Leberverfettung und -entzündung geschützt und wiesen eine verbesserte motorische Koordination auf.

Die Autoren schlossen daraus, dass TRF die Funktion bestimmter Signalwege des Stoffwechsels, die Oszillationen der circadianen Uhr und die Expression ihrer Zielgene verbessert.

Diese Veränderungen der Stoffwechselwege führten zu Verbesserungen des Lebermetabolismus mit einer Verbesserung des Zuckerstoffwechsels, der Nährstoffverwertung und des Energieverbrauchs.

Die Schlussfolgerung war, dass an Mäusen gezeigt werden konnte, dass TRF eine nicht-pharmakologische Strategie gegen Fettleibigkeit und damit verbundene Krankheiten ist.

Effekte des Intervallfastens im Tiermodell

In einer Übersichtsarbeit konnte 2017 gezeigt werden, dass Intermittierendes Fasten (ebenso wie zeitlich beschränktes kontinuierliches Fasten) tatsächlich tiefgreifende positive Auswirkungen auf viele verschiedene Gesundheitsindizes im Tiermodell hat und vielen Krankheitsprozessen entgegenwirken kann.

In experimentellen Modellen wird das funktionelle Ergebnis einer Vielzahl von altersbedingten Erkrankungen verbessert, darunter Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und neurologische Störungen wie Alzheimer, Parkinson und Schlaganfall.6

Im Einzelnen wurden an Tieren folgende Effekte festgestellt:

  • Gehirn: Bildung neuer Nervenzellen aus Stammzellen gefördert, beschleunigte Autophagie, kognitive Verbesserungen, z. B. der Wahrnehmung
  • Herz: Herzschlag und Blutdruck vermindert
  • Stoffwechsel: Blutzucker, Insulin, Leptin, Cholesterin und Entzündungsmarker vermindert
  • Leber: erhöhte Insulinempfindlichkeit, Ketonkörper-Produktion gesteigert
  • Muskulatur: erhöhte Insulinempfindlichkeit, vermehrte Autophagie
  • Fettgewebe: Mobilisation von Fettsäuren, verminderte Entzündungsreaktionen
Andreas Michalsen:
"Mit Ernährung heilen"

Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde an der Charité-Universitätsmedizin Berlin, ist Hauptautor eines 2020 veröffentlichten informativen Sachbuches, das sich u. a. mit dem Intervallfasten befasst.7

Zur Bewertung der oben genannten Effekte sagt er in seinem Buch (S. 252): "Es bleibt zu klären, ob all diese Erkenntnisse voll umfänglich auch auf den Menschen zutreffen. Mice tell lies, lautet eine Meinung unter kritischen Forschern, Mäuse erzählen lügen. Nicht zu reden von den ethischen Problemen bei Tierversuchen. Daher werden mit großer Spannung die endgültigen Ergebnisse zum Intervallfasten beim Menschen erwartet."

Effekte des Intervallfastens bei Übergewicht, Adipositas und Diabetes beim Menschen

Aber einige Ergebnisse aus Human-Studien über die Effekte des Intervallfastens bei diesen Gesundheitsstörungen gibt es schon, die ich kurz vorstellen möchte.

In einer größeren Studie aus Heidelberg aus 2018 wurden bei 150 übergewichtigen oder adipösen Probanden zwölf Wochen lang Intervallfasten nach der 5:2-Methode und eine konventionelle Reduktionskost miteinander verglichen. In beiden Gruppen lag die Kalorienreduktion bei 20 Prozent. Auf die zwölf-wöchige Interventionsphase folgten 38 Wochen, in denen Gewicht und Gesundheitszustand der Studienteilnehmer beobachtet wurden.8

Nach zwölf Wochen hatten die Intervallfastenden mit 7,1 Prozent ihres Körpergewichtes zwar ein wenig mehr abgenommen als die Probanden, die auf herkömmliche Weise durch Kalorienverminderung Diät gehalten hatten (−5,2 Prozent). Aber nach knapp einem Jahr gab es keinen signifikanten Unterschied mehr beim Gewichtsverlust einschließlich der Abnahme des Taillenumfangs zwischen den beiden Gruppen. Das gilt auch für eine umfangreiche Liste von verschiedenen untersuchten Stoffwechselparametern.

Zusammenfassend zeigte diese Studie, dass das Intervallfasten und die konventionelle Reduktionskost alternative Energierestriktionsmaßnahmen zur Gewichtsreduktion mit vergleichbaren Verbesserungen der Adipositas-assoziierten metabolischen Profile sind, mindestens über die Beobachtungszeit von einem Jahr.

Beide Therapien wurden von der Mehrheit der Teilnehmer gut vertragen und können gleichwertige Gewichtsmanagementansätze sein. Weitere Untersuchungen zur Wirksamkeit, Praktikabilität und Sicherheit des Intervallfastens für Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs sind erforderlich.

Das Resultat wurde von den Autoren somit positiv interpretiert: Die Studie zeige, dass Intervallfasten nicht schlechter ist als eine herkömmliche Reduktionskost und für manche Menschen, denen eine zeitweise Kalorienreduktion leichter fällt als eine dauerhafte, eine Alternative darstellen könnte, heißt es in der Diskussion dieser Studie.

Andreas Michalsen, der in seinem oben genannten Sachbuch9 die Auffassung vertritt, dass das Intervallfasten fast immer zu einer guten und nachhaltigen Gewichtsabnahme führt und dafür eine Reihe von eindrucksvollen Fallbeispielen anführt, sagt ebenfalls, dass das Intervallfasten den gleichen Effekt wie eine herkömmliche Reduktionskost habe, die aber im Alltag selten durchgehalten wird. Es scheine so, dass die 16/8-Methode leichter umzusetzen sei, denn ein Teil der täglichen Fastenzeit werde verschlafen, wird er im Deutschen Ärzteblatt zitiert.10

Weiterhin gibt es eine sehr interessante kleinere Studie aus Tschechien zum Intervallfasten bei Diabetes.11

In dieser Studie werden bei Diabetikern die Wirkung von sechs kleinen (A6-Regime), die einer üblichen Diabetes-Diät entspricht, versus zwei großen Mahlzeiten pro Tag, Frühstück und Mittagessen (B2-Regime), die einem TRE entspricht, auf Körpergewicht, Leberfettgehalt, Insulinresistenz und Betazellfunktion untersucht und verglichen.

Methode: In einer randomisierten, offenen, Crossover-Studie wurden 54 Patienten mit Typ-2-Diabetes, die mit oralen Antidiabetika behandelt wurden, sowohl Männer als auch Frauen im Alter von 30 bis 70 Jahren, BMI 27 bis 50 kg/m2 und HbA1c von 6 bis 11,8 Prozent, den oben genannten zwei Regimen einer kalorienverminderten Kost, A6 und B2, jeweils für zwölf Wochen zugeteilt.

Ergebnisse: Ein B2-Regime (nur Frühstück und Mittagessen) reduzierte Körpergewicht, Leberfettgehalt, Nüchternplasmaglukose, C-Peptid (endogenes Proinsulin) und Glucagon stärker und verbesserte die Insulinresistenz mehr als ein B6-Regime.

Schlussfolgerung: Für Typ-2-Diabetiker mit einer kalorienverminderten Kost scheint ein TRE mit zwei Mahlzeiten, einem größeren Frühstück und Mittagessen, vorteilhafter zu sein als sechs kleinere Mahlzeiten während des Tages.

Und schließlich möchte ich noch auf eine aktuelle Metaanalyse über die metabolischen Auswirkungen des Intermittierenden Fastens auf Patienten mit Typ 2-Diabetes mellitus eingehen.12

Im Abstract dieser großen wissenschaftlichen Studie wird einleitend gesagt, dass Intermittierendes Fasten (IF) als eine Strategie zur Gewichtabnahme mit zusätzlichen kardiometabolischen Vorteilen für Patienten mit Adipositas vorgeschlagen wird. Trotz seiner wachsenden Beliebtheit bleibe jedoch die Wirkung von IF bei Patienten mit Typ-2-Diabetes (T2DM) unklar.

Deshalb wurde ein systematischer Review und eine Meta-Analyse durchgeführt, um die metabolischen Auswirkungen von IF im Vergleich zur Standarddiät bei Patienten mit T2DM zu bewerten.

Methodik: Über die einschlägigen Portale wurde nach randomisierten und Diät-kontrollierten Studien in der Zeit zwischen 1950 und 8/2020 gesucht, die eine IF-Intervention bei Erwachsenen mit T2DM bewerten. Es wurde der Einfluss von IF auf Gewichtsverlust, Glukosesenkung und glykolisiertes Hämoglobin (HbA1c), dem Langzeitzuckerwert, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe untersucht.

Befund: Sieben Studien (n = 338 Teilnehmer; mittlerer Body-Mass-Index [BMI] 35,65, mittlerer Ausgangswert HbA1c 8,8 Prozent) erfüllten die Einschlusskriterien. IF induzierte eine stärkere Abnahme des Körpergewichts (-1,89 kg) im Vergleich zu einer normalen Ernährung. Der zusätzliche Gewichtsverlust, der durch IF induziert wurde, war in Studien mit einer schwereren Population (BMI größer als 36) und in Studien mit kürzerer Dauer (gleich/kleiner als 4 Monate) mit -3,73 kg größer. IF war nicht mit einer weiteren Reduktion des HbA1c im Vergleich zu einer Standarddiät assoziiert.

Schlussfolgerung: Aktuelle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass IF bei Patienten mit T2DM im Vergleich zu einer Standarddiät mit einem größeren Gewichtsverlust verbunden ist, mit jedoch ähnlichen Auswirkungen auf die glykämische Kontrolle.

Ein weiterer Erfahrungsbericht

Zu den im Buch von Andreas Michalsen13 aufgeführten Fallberichten über die Wirkung des Intervallfastens kann ich einen eigenen Erfahrungsbericht beisteuern. Solche Fallberichte haben für sich natürlich keine Beweiskraft, können aber als Hinweis darauf gewertet werden, dass weitere Untersuchungen Sinn machen.

Mitte März 2020 suchte mich ein langjähriger Freund auf, den ich schon viele Jahrzehnte in gesundheitlicher Hinsicht berate und betreue. Bei dem über 80-jährigen 1,75 m großen Mann besteht seit vielen Jahren ein Bluthochdruck, der mit zwei niedrig dosierten Medikamenten (Candesartan und Hydrochlorothiazid) gut kompensiert war, außerdem eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (paVK) im Stadium I und ein Prädiabetes mit grenzwertigen Nüchtern-Blutzuckerwerten. Die Mutter des Patienten ist mit 82 Jahren an einem Schlaganfall verstorben und hatte ebenfalls die drei genannten chronischen Krankheiten.

In den letzten 20 Jahren ist es meinem Freund gelungen, durch eine sättigende, energiearme und kalorienreduzierte Mischkost mit viel Gemüse und Obst und eine regelmäßige körperliche Aktivität sein Körpergewicht bei 74 bis 75 kg stabil zu halten.14 Die gelegentlich kontrollierten HbA1c-Werte lagen immer im Normbereich.

Ende 2/2020 war er in Teneriffa zu einer Golden Hochzeit eingeladen und hatte auch anschließend Gelegenheit, viele kulinarische Köstlichkeiten kennenzulernen, so dass er während der 14 Tage dort ca. 6 kg an Gewicht zugelegt hatte. Bei einer Laboruntersuchung wurde daraufhin zum ersten Mal ein leicht erhöhter Langzeitzuckerwert (HbA1c) von 6,5 Prozent festgestellt, so dass bei ihm ein beginnender Diabetes zu diagnostizieren war.

Deshalb wollte er unbedingt möglichst schnell zehn kg an Gewicht abnehmen und zwar mit Intervallfasten, von dem er in den Medien gelesen hatte.

Ich war zunächst skeptisch, habe mich aber dann mit dem Thema befasst (siehe diesen Artikel) und ihn dann entsprechend beraten und von 4/2020 bis heute begleitet.

Mein Freund hat für sich die 16/8-Methode des Intervallfastens ausgewählt, da er Rentner ist und morgens gerne länger schläft. Das bedeutet, dass er in der Regel auf das Frühstück verzichtet und sich nur zweimal am Tage, mittags und abends, satt gegessen hat. Nach Erreichen seines Zielgewichts von etwa 70 kg hat er, um nicht weiter abzunehmen, zusätzlich auch nachmittags noch eine Zwischenmahlzeit eingelegt.

Tabelle 1: Befunde unter Intervallfasten 16/8 (persönlicher Erfahrungsbericht)
4/2020 5/2020 8/2020 9/2021 3/2022 8/2022 12/2022
Gewicht in kg: 80 76 72 69 70 69 70
Bauchumfang: minus 5-6 cm
Blutdruck: Normalwerte unter 1 Tabl. (vorher 2 Tabl.)
Nüchtern-BZ (mg/dl): 117 115 107 103 110 111 108
HbA1c (%): 6,5 5,8 5,6 5,7 5,7 5,7 5,8
LDL-Chol. (mg/dl): 159 165 137 124 149 142
HDL-Chol. (mg/dl): 57 53 55 55 56 59
Triglyceride (mg/dl): 162 159 134 113 109 152

Die Tabelle 1 zeigt die einschlägigen Untersuchungsbefunde, die bei ihm von 4/2020 bis 12/2022 erhoben werden konnten. So war das Zielgewicht von 70 kg nach ca. fünfMonaten erreicht und konnte bis heute gehalten werden. Der Bauchumfang hat sich um ca. sechs cm verringert als Ausdruck eines deutlichen viszeralen Fettabbaus. Bei der Medikation gegen den Bluthochdruck konnte auf ein Präparat (Hydrochlorothiazid) verzichtet werden.

Der Nüchtern-Blutzuckerwert wurde deutlich abgesenkt und der Langzeitzuckerwert (HbA1c) hatte sich seit 5/2020 normalisiert und ist bis 12/2022 auf diesem Niveau geblieben, so dass weiter von einem Prädiabetes ausgegangen werden kann. Und schließlich war beim LDL-Cholesterin, dem "schlechten" Cholesterin, eine Absenkung um ca. neun Prozent zu verzeichnen.

Besonders erfreulich war weiterhin, dass mein Freund subjektiv über Wohlbefinden und einen erholsamen Nachtschlaf berichtete und angab, mit dem Umsetzen der 16/8-Methode keinerlei Schwierigkeiten und bisher an keinem Tag Hunger gehabt zu haben. Abschließend sei noch auf eine Sendung im NDR vom 02.09.2022 mit dem Titel "Intervallfasten: So funktioniert gesundes Abnehmen " hingewiesen, die interessierten Übergewichtigen und Adipösen durchaus empfohlen werden kann.

Vielleicht kann diese Sendung einige Übergewichtige und Adipöse dazu bewegen, es einmal mit dem Intervallfasten zu versuchen. Wenn allerdings Arzneimittel, etwa gegen Bluthochdruck oder Diabetes, eingenommen werden, sollte bei diesem Versuch immer der Hausarzt mit einbezogen werden, damit die Medikamente dann, falls erforderlich, rechtzeitig in der Dosis reduziert werden können.

Fazit und Schlussfolgerungen

Bei Übergewicht und Adipositas ist für eine Gewichtsreduktion eine zeitweilige Negativierung der Energiebilanz erforderlich, die durch Reduzierung der Energiezufuhr (Kalorienrestriktion) und/oder vermehrtem Energieverbrauch (körperliche Aktivität) erreicht werden kann. Ein bekanntes Problem ist dabei, dass mittel- und langfristig viele Adipöse an der nachhaltigen Umsetzung dieser Vorgaben scheitern.

Beim Intervallfasten, z.B. nach der Methode 16/8, ist die Nahrungsmittelaufnahme auf etwa 8 Stunden täglich zeitlich eingeschränkt. Eine der drei Hauptmahlzeiten fällt dabei meist weg (entweder das Frühstück oder das Abendessen). Dadurch kommt es indirekt ebenfalls zu einer täglichen Kalorienverminderung in einer Größenordnung von 10 bis 20 Prozent.

Von daher kann das Intervallfasten eine effektive Methode zur Gewichtsabnahme bei der Adipositas-Behandlung sein. Hinweise dafür sind zahlreiche Erfahrungsberichte, aber auch eine Reihe von kleineren kontrollierten Studien.

Bisherige Studien zeigen, dass das Intervallfasten nicht schlechter wirkt als eine herkömmliche kalorienverminderte Kost und für manche Menschen leichter durchzuhalten ist. Ein Vorteil ist, dass beim Intervallfasten nach der Methode 16/8 ein großer Teil der täglichen Fastenzeit verschlafen wird. Ein weiterer Vorteil könnte sein, dass es dabei nicht zu einer Reduzierung des Grundumsatzes kommen soll und damit ein Jo-Jo-Effekt vermieden wird.

Das Intervallfasten könnte also für manche Menschen eine angenehmere Form sein, Kalorien zu reduzieren. Ob die Adhärenz, d. h. die Einhaltung der mit Patienten gemeinsam festgelegten Therapieziele, generell tatsächlich besser ist, ist aber wissenschaftlich bisher nicht bewiesen.

Ob durch das Intervallfasten weitere in Tierversuchen nachgewiesene zusätzliche günstige metabolische Effekte, etwa auf den Zuckerstoffwechsel und /oder den Fettstoffwechsel, auch beim Menschen ausgelöst werden können und von Bedeutung sind, ist ebenfalls noch unklar.

Es gibt aber Hinweise aus einer Studie aus Tschechien an einer kleinen Gruppe von Diabetes-Patienten, dass Intervallfastende bei allen Studienendpunkten, d. h. Gewichtsverlust, Leberfettgehalt und Insulinresistenz, besser abgeschnitten haben als Diabetiker mit sechs Mahlzeiten. Zur Klärung sind hier weitere kontrollierte Studien erforderlich.

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin – Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de