Ionenfallen als Bausteine

Meilenstein auf dem Weg zum Quantencomputer

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In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazin Nature berichten Innsbrucker Forscher, dass Ionenfallen als Bausteine für künftige Quantencomputer geeignet sind.

BIlder: Universität Innsbruck

Quanten-Informationsverarbeitung, in Englisch "Quantum Information Processing" (QIP) genannt, vereinigt die Theorie der Quantenmechanik mit dem Praxisfeld der Informationstechnologie. Die Idee ist schon mehr als 30 Jahre alt, aber praktische Anwendungen kommen erst jetzt langsam in Sicht (vgl. NOT Logic in der Quantenwelt). Fundamental dafür nötig sind Quantensysteme wie Atome, Ionen oder Photonen, die so beeinflusst werden können, dass sie Informationen speichern oder verarbeiten. Diese Systeme müssen sehr gut isoliert sein, um Wechselwirkungen mit der Umwelt zu unterbinden, die zur Destabilisierung der nötigen verschränkten Quantenzustände führen, ein Phänomen, das Dekohärenz genannt wird (vgl. Quanten im Chaos). Quanten-Informationsverarbeitung sind also auf Techniken angewiesen, die alle äußeren Einflusse extrem gut abschirmen. Ionenfallen werden schon seit einiger Zeit auf diese Wirksamkeit hin erforscht. In ihnen werden Ionen in einem elektromagnetischen Feld eingefangen und mittels Laserimpulsen manipuliert.

Quantenphysikern aus Österreich und den USA ist nun der Durchbruch gelungen, als erste in einer Ionenfalle das einfachste Quanten-Computing durchgeführt zu haben, eine simple Rechenoperation. Sie realisierten mit einem einzelnen Kalzium-Ion den so genannten Deutsch-Jozsa Quanten-Algorithmus (Einführung in Quantenalgorithmen pdf!).

Stephan Gulde, Mark Riebe, Gavin P.T. Lancaster, Christoph Becher, Jürgen Eschner, Hartmut Häffner, Ferdinand Schmidt-Kaler und Rainer Blatt von der Universität Innsbruck sowie Isaac L. Chuong vom MIT Media Laboratory veröffentlichen in Nature ihre Ergebnisse unter dem Titel Implementation of the Deutsch-Jozsa algorithm on an ion-trap quantum computer. Sie haben nun praktisch nachgewiesen, dass sich Ionenfallen als Bausteine für künftige Quantencomputer eignen.

Anschaulich lässt sich das Verfahren mit dem Bild einer Münze erklären. Falschspieler benützen gerne Geldstücke, die auf beiden Seiten entweder Kopf oder Zahl zeigen. Durch Fingerfertigkeit betrügen sie so ihr Gegenüber und gewinnen in jedem Fall. Um sicher zu gehen, dass eine Münze wirklich auf einer Seite Kopf und auf der anderen Seite Zahl zeigt, müssen beide Seiten kontrolliert werden. In der "verrückten" Welt der Quantenphysik ist aber nur ein Kontrollschritt notwendig. Den analoge Prozess in der Quantenmechanik beschreibt der Deutsch-Jozsa Algorithmus. Deshalb genügt einem Quantencomputer sozusagen ein einziger Blick, um den Falschspieler zu enttarnen. Und genau dieses Rechenverfahren in einem Miniatur-Quantencomputer ist dem Team um Stephan Gulde jetzt geglückt.

Die Physiker beschreiben ihr Verfahren folgendermaßen:

Dazu wurde ein einziges Kalzium-Ion in einer Ionenfalle eingefangen und im Vakuum in der Schwebe gehalten. Durch Kühlen des Ions mit Laserlicht bis zu Temperaturen knapp oberhalb des absoluten Nullpunkts und Anwendung maßgeschneiderter Laserpulse gelang es den Forschern, die volle Kontrolle über die Bewegung und den Quantenzustand dieses Ions zu gewinnen. Dies ist die Voraussetzung für die Durchführung der Rechenoperation nach Deutsch-Jozsa. Die vier möglichen echten und falschen Münzen (Kopf/Kopf, Zahl/Zahl, Kopf/Zahl, Zahl/Kopf auf Vorder- und Rückseite) werden durch eine ausgetüftelte Abfolge von Laserpulsen (entsprechend der Software eines klassischen Computers) dargestellt. Das Ion wird zum Beginn jedes Experiments in einen genau definierten Zustand versetzt. Das besondere dieses Ausgangszustands ist, dass er den Blick auf beide Seiten der Münze auf einmal erlaubt. So genügt den Experimentatoren dann eine einzige Messung um zu erkennen, ob Vorder- und Rückseite gleich sind.

Damit ist ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung eines Quantencomputers erfolgt. In einem Netzwerk verbundene Ionenfallen könnten eine Rechenmaschine möglich machen, die eine Vielzahl von Rechenoperationen simultan durchführt und dadurch den herkömmlichen Computern weit überlegen ist. Es kann noch lange dauern, bis Konsumenten einen Quantencomputer in ihr Arbeitszimmer stellen, aber dass es diese Geräte eines Tages geben könnte, ist wieder etwas realistischer geworden. Jonathan Jones stellt in seinem begleitenden News&Views-Artikel in Nature fest:

Obwohl die involvierten Basis-Elemente schon zuvor verwendet wurden, ist dies die erste eindeutige Demonstration von Quanten-Computation.

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