Irak: Marionetten oder Minister mit echter Macht?
Das irakische Parlament bestätigt nach wochenlanger Wartezeit den Innen- und Verteidigungsminister. Sie sind nach Proporzgründen ausgewählt, doch hat der Krieg gegen den IS einiges an den Machtverhältnissen verändert
Zwei Schlüsselposten der neuen irakischen Regierung blieben wochenlang unbesetzt: der Innen- und der Verteidigungsminister. Heute bestätigte das Parlament mehrheitlich zwei Kandidaten, die Ministerpräsident Haider al-Abadi vorschlug. Als Innenminister bestimmt und bereits vereidigt wurde Mohammed Salem al-Ghabban, ein Schiit von der Badr-Organisation, die mit Iran in enger Verbindung steht, und als Verteidigungsminister Khaled al-Obeidi, ein sunnitischer Abgeordneter aus Mosul.
Die Besetzung der beiden Ministerien wurde in den vergangenen Monaten nicht nur von Beobachtern, sondern auch von Regionalmächten, allen voran den USA und Iran, als politisch sehr relevant gewichtet. Man erinnert sich, mit welcher Emphase Wert darauf gelegt wurde, dass nach Premierminister Maliki, der für die resignierte bzw. wütende Abkehr der Sunniten verantwortlich gemacht wurde, mit al-Abadi eine Regierung der nationalen Einheit die politischen Voraussetzung dafür liefere, dass der Kampf gegen den IS gelingt. US-Präsident Obama bezog sich bei der Begründung des US-Militäreinsatzes auf die neue Regierung. Erst dadurch sei die politische Grundlage für die Intervention gegeben (vgl. US-Militäreinsatz im Irak: "ein langfristiges Projekt").
Dass sich Maliki zurückziehen musste, war nur möglich, weil die beiden großen Einflussmächte, USA und Iran, am selben Strick zogen. Wie schwierig das Postengeschacher bei den beiden Posten der Leitung des Innen- und Verteidigungsministers sein würde - es kam ja nicht nur auf die beiden Proxymächte an, sondern auch auf die innenpolitischen Machtverhältnisse und Empfindlichkeiten im Irak - zeigte sich an der wochenlangen Wartezeit, die bestimmt waren von zähen Verhandlungen, über die nichts nach außen drang.
Die Neuen sind außerhalb Iraks wenig bekannt. Auch der westliche Spezialist für die innenpolitischen Entwicklungen im Irak, der Norweger Reidar Visser, begnügt sich zur Person des neuen Verteidigungsministers, des Sunniten Khalid al-Obeidi, einstweilen mit der Twitter-Bemerkung, dass al-Obeidi, der dem Zusammenschluss Irakija angehört, schon einmal Kandidat für den Posten war, im Jahr 2011, aber damals wegen seiner Nähe zu al-Maliki abgelehnt wurde.
Vom neuen Innenminister, Mohammed Salem al-Ghabban, wird bislang nur herausgestellt, dass er der schiitischen Badr-Organisation angehört, die häufig als militanter Flügel des Iran- nahen Obersten Islamischen Rats im Irak (OIRI bzw. SIIC, früher SCIRI) bezeichnet werden. Für manche Sunniten dürfte dies ein problematisches Zeichen sein.
Wahrscheinlich wird es die nächsten Tage einige Hintergründe zu den beiden Personalien geben. Schon jetzt läßt sich allerdings eine bedeutende Schwierigkeit benennen, besonders was die faktische politische Macht des sunnitischen Verteidigungsministers angeht: das Heft liegt vor allem in der Hand der USA und ihrer Verbündeten.
Wie sich in Berichten über die Ausbildung der irakische Armee zeigt, üben die Militärberater der USA, anvisiert ist eine größere Beteiligung der Nato, derzeit einen bestimmenden Einfluss aus. Sie haben sich gewissermaßen des Machtvakuums der unbesetzten Stelle des Verteidigungsministers bemächtigt.
Welche Gestaltungsmacht der nominelle irakische Verteidigungsminister sich hier verschaffen kann, bleibt abzuwarten. Gut möglich, dass hier bald wieder die Rede von einem "Marionetten-Minister" die Runde macht. Bislang haben sich sunnitische Gruppierungen, von denen sich die USA die Wiederholung des Awakening-Moments erwarten, der Zusammenarbeit verweigert. Wo die irakische Armee Stärke zeigt, so wurde in den letzten Monaten immer wieder berichtet, waren schiitische Milizen am Zug. Auch das wird eine Herausforderung für Khalid al-Obeidi sein.