Irakische Abgeordnete protestieren gegen Abschiebungen aus den USA und der EU
Großbritannien und die USA, die für den Exodus mit verantwortlich sind, haben nach Deals mit Bagdad begonnen, irakische Flüchtlinge gewaltsam abzuschieben
Die reichen Staaten, die sich am Hindukusch, im Nahen Osten oder in Afrika selbst verteidigen und militärisch intervenieren oder dort Tyrannen stürzen, sind von den Flüchtlingsströmen überrascht worden, die sie selbst ausgelöst haben. Einmauerungs- und Abwehrstrategien beherrschen die Überwältigungsängste, Kriegs- und Armutsflüchtlinge werden als Invasoren wahrgenommen, eine seltsame Verquerung der europäischen Geschichte, in der die Europäer tatsächlich als Invasoren auftraten, die unterworfenen Kulturen brutal knechteten und ausbeuteten.
Wenn nicht, wie in manchen Staaten und ausgerechnet auch in den USA, einem traditionellem Einwanderungsstaat, die Aufnahme von Flüchtlingen ganz eingestellt werden soll, wird versucht, die Zahl der Gäste, die aufgenommen werden, möglichst zu reduzieren. So wird in Kauf genommen, dass Menschen auf der Flucht sterben oder brutal von Schleusern und Kriminellen behandelt werden, weil legale Wege versperrt sind. Ganz wichtig ist auch politisch geworden, abgelehnte Asylbewerber oder Migranten, die nicht genehmigt ins Land kamen, möglichst schnell und massenhaft wieder abzuschieben.
Dass Länder ihre Bürger, die ausgewandert sind und kriminell wurden oder sich radikalisiert haben, nicht unbedingt wieder zurückhaben wollen, ist verständlich, aber auch zum Problem geworden, wie dies bei den nordafrikanischen Staaten deutlich wurde. Aber wenn Menschen wieder in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, die diese verlassen, um bessere Lebensbedingungen zu finden, dann verstärkt die Abschiebung just die Bedingungen, die die Menschen antreibt, ihre Heimat zu verlassen. Aber es gibt auch eine moralische Komponente. Dürfen Länder, die politisch, wirtschaftlich und vor allem militärisch in andere Staaten intervenieren, sich weigern, Flüchtlinge aus diesen Ländern aufzunehmen?
Die Frage stellen nun 104 irakische Abgeordnete, die eine Resolution unterzeichnet haben. In ihr wird die irakische Regierung aufgefordert, die Abschiebung von Irakern, vor allem wenn dies mit Gewalt geschieht, die in andere Länder geflüchtet sind, zu verhindern. Sie hätten Zuflucht in Ländern gesucht, wo ihr Leben, ihre Würde und ihre Rechte geschützt werden. Die mit Gewalt vollzogenen Abschiebungen aus manchen Ländern würden mit Gefährdungen des Lebens, von Selbstmorden und mit enormen finanziellen und psychologischen Druckmitteln einhergehen.
Ausgelöst wurde die Initiative von dem irakischen Kurden Araz Ismael Rasul, der am 11. April gewaltsam aus Großbritannien abgeschoben wurde. Dabei wurde er gefesselt und fünf Stunden lang bis zur Ankunft in Amman in die Toilette des Flugzeugs eingesperrt. Bekanntlich war Großbritannien an der Seite der USA gestanden, als es darum ging, durch Fabrikation von Lügen die geplante militärische Invasion in den Irak auszuführen, was dazu führte, dass viele Iraker das im Bürgerkrieg versinkende Land verließen. Die Abschiebung von Irakern, die in Großbritannien oder der USA Zuflucht gesucht haben, in ihr Land, in dem weiterhin - seit dem Einmarsch der "Koalition der Willigen" - Krieg - jetzt vor allem gegen den IS - geführt wird, ist ebenso zynisch wie die Abschiebung von afghanischen Flüchtlingen aus Deutschland.
Eine Resolution des irakischen Parlaments bindet die Regierung nicht, muss also keinerlei Konsequenzen haben. Aber es könnte die einfache Abschiebung erschweren und die USA oder Brexit-Großbritannien in Legitimationsprobleme stürzen.
In den USA sollen um die 1400 Iraker abgeschoben werden. Die irakische Regierung hatte dem zugestimmt, nachdem die US-Regierung den Irak von der Liste der islamischen Länder gestrichen hatte, aus denen nach einem Präsidentendekret keine Bürger mehr in die USA einreisen dürfen. Mitte April waren die ersten 8 Iraker, die keine Aufenthaltserlaubnis hatten und eine Straftat begangen haben, mit einer Chartermaschine abgeschoben worden. Das betrifft auch, wie die Washington Post schreibt, Menschen, die schon längst eine Haftstrafe etwa wegen eines Drogendelikts abgesessen haben. Bedroht von der Abschiebung sind auch irakische Christen. Viele von ihnen seien legal in die USA in den 1970er, 1980er oder 1990er Jahren gekommen und hätten ihre Greencards wegen eines Delikts verwirkt. So droht nun einem 48-jährigen Chaldäer die Abschiebung, weil er als Jugendlicher ein Drogendelikt begangen hat und für Jahre ins Gefängnis kam, wo er seinen Bachelor machte. Er war mit 4 Jahren in die USA gekommen und kennt den Irak praktisch nicht.
Das erinnert an die Massenabschiebung von Latinos, die in den USA aufgewachsen sind, in mittelamerikanische Länder, was mit eine der Ursachen für die Ausbreitung der berüchtigten und brutalen Drogenbanden wie MS-13, die dann nicht nur Drogen und Menschen in die USA schmuggelten, sondern sich auch in den USA festsetzten. Gangs sind für einen Großteil der Kriminalität verantwortlich (Krieg in den Städten). Die USA hatten in den 80er Jahren Gang-Mitglieder wie die von MS-13, meist Kinder von Migranten, zu Tausenden in die Herkunftsländer ihrer Eltern ausgeflogen, wo sie sich nicht nur nicht integrieren konnten, sondern ihre kriminellen Netzwerke vor allem in San Salvador, Guatemala und Honduras weiter ausbauten und dann als transnationale Organisationen über die mittelamerikanischen Ländern wieder in die USA zurückkehrten.
Großbritannien hat zwischen 2007 und 2015 mehr als 600 irakische Flüchtlinge abgeschoben. Sie waren im Land aufgewachsen und wurden aus dem Land entfernt, als sie volljährig wurden. Nach Afghanistan wurden mehr als 2000 abgeschoben, nachdem sie volljährig wurden. Gegenwärtig sollen 50 Flüchtlinge in Lagern auf ihre Abschiebung warten. Vermutet wird, dass auch die britische Regierung geheime Deals mit Bagdad getroffen hat.
"Die meisten Flüchtlinge aus dem Irak sind direkte Opfer des politischen und militärischen Eingreifens der USA und der europäischen Länder"
Der Internationale Verband irakischer Flüchtlinge (IFIR) steht nicht nur hinter der Resolution, sondern hat sich auch an den Europäischen Gerichtshof gewandt, der noch für Großbritannien zuständig ist, den aber die Brexit-Befürworter auch gerne los hätten. Der Verband fordert den Gerichtshof auf, gegen die gewaltsame Abschiebung von mehr als 50 Irakern und Kurden einzuschreiten, die in Lagern festgehalten werden. Sie seien meist schon 10-15 Jahre in Großbritannien gewesen und hätten dort Frauen und Kinder.
Manche der im Colnbrook Detention Centre Eingesperrten seien von irakischen Beamten befragt worden, was darauf hinweise, dass es für die geplanten gewaltsamen Abschiebungen ein Übereinkommen mit der irakischen Regierung gebe, das sei nicht akzeptabel. Hingewiesen wird auf die vielen Vertriebenen alleine Mosul und die schlechte wirtschaftliche Lage. Wegen "dieser Unsicherheit und Gefahr" seien die Menschen aus dem Land geflohen. Und natürlich wird auch gesagt, dass Großbritannien und andere europäische Länder ebenso wie die USA für die Lage und die Massenflucht verantwortlich seien:
Großbritannien und europäische Länder übersehen die Tatsache, dass sie eine der Hauptursache für die Katastrophen sind, die zu dem Exodus aus dem Nahen Osten geführt haben, von dem die 50 Iraker nur einen kleinen Teil darstellen. Die meisten Flüchtlinge aus dem Irak sind direkte Opfer des politischen und militärischen Eingreifens der USA und der europäischen Länder und ihrer Unterstützung von repressiven Systemen und politischen Kräften im Nahen Osten, die so oft im Gewand der Demokratie auftreten. Die von diesen Kräften regierten Staaten übernehmen keine Verantwortung für das Leben der irakischen Bürger und haben in Wirklichkeit die irakische Gesellschaft in eine Spirale des Konflikts zwischen unterschiedlichen religiösen, nationalistischen und islamischen Gruppen wie ISIS getrieben. Der Irak ist politisch und wirtschaftlich unsicher und die Bürger haben aufgrund des Verhaltens der Machthaber keine Chance auf ein anständiges Leben.
IFIR