Iran destabilisieren

Die USA brechen ihre "Tauwetter"-Gespräche mit dem Iran ab und schwenken auf eine aggressivere Politik gegenüber Teheran um

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Am Dienstag wollen sich führende Vertreter der Bush-Administration im Weißen Haus treffen, um über eine neue Strategie gegenüber der islamischen Republik zu sprechen, berichtet die Washington Post in ihrer Sonntagsausgabe. Offiziellen Kreisen zufolge soll das Pentagon zu politischen Aktionen drängen, die eine Destabilisierung der iranischen Regierung herbeiführen können.

Die Vorwürfe, die seitens der US-Administration gegen den Iran gerichtet werden, sind nicht neu: Schon im letzten Jahr haben die USA den Iran bezichtigt, dass man an dessen Grenze zu Afghanistan einen "sicheren Hafen" für flüchtige Al-Qaida-Mitglieder biete. Der Iran stritt alle Vorwürfe ab. Jetzt, nach dem Irakkrieg, richtet sich die Aufmerksamkeit der US-Administration verstärkt auf den Iran und dessen mutmaßliche Verbindungen zu Al-Qaida.

Abgehörte Telefonate sollen angeblich eindeutige Indizien dafür liefern, dass der ehemalige Leibwächter Bin Ladens, Saif Al-Adel, an der Planung der Anschläge in Riad am 12.Mai federführend beteiligt war.

Mit den Anschuldigungen gegen den Iran haben die USA Mitte der letzten Woche Gespräche zwischen den beiden Staaten in der Schweiz abgebrochen - die ersten halb offiziellen Gespräche zwischen den Vereinigten Staaten und der Islamischen Republik seit mehr als 23 Jahren.

Der Ägypter Al-Adel soll nach Geheimdienstinformationen zur neuen Spitze der Qaida aufgestiegen sein, verantwortlich für die Planung von Anschlägen; er soll sich ebenso wie andere hochrangige al-Qaida-Mitglieder, darunter der Sohn Bin Ladens, Saad, in der wenig kontrollierten Region an der 900 km langen Grenze zwischen dem Iran und Afghanistan aufhalten.

Das Geheimdienstmaterial der Amerikaner wird einmal mehr als "rock-hard" bezeichnet; dennoch verrät man keine detaillierten Angaben. Sicher sei, so Verteidigungsminister Rumsfeld, dass sich Al-Qaida-Mitglieder im Iran aufhalten würden und dass sie aktiv ("busy") seien. Mehr wolle er dazu (noch) nicht sagen.

Der Iran wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe. So gab der iranische Geheimdienstchef Younesi zu bedenken, dass sich vermutlich auch mehrere al-Qaida-Mitglieder in den USA aufhalten. Tatsächlich kann Teheran darauf verweisen, dass es mehrere Male Mitglieder der Terrororganisation ausgewiesen habe. So wurden etwa im Sommer letzten Jahres 16 mutmaßliche Al-Quaida-Flüchtlinge aus Afghanistan vom Iran nach Saudi-Arabien ausgewiesen. Darüber hinaus, so ein Sprecher des iranischen Außenministeriums, habe man in diesem Jahr mehr als 500 Afghanen wieder in ihr Heimatland zurück geschickt.

Betont wird von iranischer Seite weiter, dass man mit dem ehemaligen Taliban-Regime, das eng mit Al-Qaida zusammenarbeitete, in keinem guten Verhältnis stand. So kam es 1998 nach der Ermordung mehrerer iranischer Diplomaten durch das Taliban-Regime beinahe zu einem Krieg zwischen den beiden Ländern.

Trotz der ständigen Beteuerungen Teherans, man habe das sunnitische Taliban-Regime in keiner Weise unterstützt, gibt es Mutmaßungen über Verbindungen der Revolutionären Garden, sowie militärischer- und paramilitärischer Gruppierungen und Geheimdienste des Irans zur al-Qaida.

Sie stützen sich zum einen auf obskure Verbindungen, die sich im Zusammenhang der Unterstützung der Nordallianz und dessen Warlord Ismael Khan durch den Iran ergeben. Wie das amerikanische Magazin Time berichtet, soll Ayatollah Khamenei kurz vor dem Angriff der Amerikaner auf Afghanistan über einen Vermittler, Taliban- und Al-Qaida-Flüchtlingen Unterschlupf im Iran angeboten haben. Der gemeinsame Hass auf die USA, so das amerikanische Magazin, könnte hier stärker gewesen sein als die Animositäten zwischen Schiiten, die unter dem Taliban-Regime verfolgt wurden, und den Sunniten.

Zum anderen rekurrieren die Mutmaßungen über eine etwaige Verbindung zwischen dem Iran und al-Qaida auf unterschiedliche Auffassungen von Außenpolitik zwischen den beiden großen Lagern der iranischen Politik: den religiösen Fundamentalisten und den Reformern. Mag sein, heißt es verschiedentlich, dass die eine Seite wirklich nichts über den Aufenthalt von al-Qaida-Mitgliedern in der schwer kontrollierbaren Grenzregion weiß, die berüchtigt ist für den lebhaften Drogenschmuggel; die andere Seite aber, die revolutionären Garden, die Geheimdienste, die mit den Ultrareligiösen zusammenarbeiten, habe davon Kenntnis und unterstütze die Amerikahasser.

Der innerpolitische Konflikt im Iran zwischen den Reformern unter Präsident Khatami und der religiösen Führung des Landes hatte sich letzte Woche zugespitzt, weil Khatami zwei wichtige Gesetzesvorschläge, die seine Machtbefugnisse erweitern sollten - ("Ich habe nicht mehr Macht als ein gewöhnlicher Bürger" beschwerte sich der Präsident)-, nicht gegen seine religiösen Antagonisten durchsetzen konnte.

Sollte der Iran keine "entscheidenden Schritte" in der al-Qaida-Sache unternehmen, so berichtet die Washington Post, würde sich auch das gemäßigtere Außenministerium der härteren Gangart des Pentagon gegenüber Teheran anschließen. In einem wesentlichen Punkt sei man allerdings anderer Auffassung als das Verteidigungsministerium: Man schätzt das Maß an Unzufriedenheit in der Bevölkerung im Iran weitaus geringer ein als das Pentagon und befürchtet, dass eine aggressivere Politik gegenüber der iranischen Regierung die Reformer im Land diskreditieren könnte.

Die möglichen Verbindungen des Iran zu al-Qaida sind nicht der einzige Streitpunkt zwischen den beiden Staaten. Das Nuklearprogramm des Iran wird von den USA sehr aufmerksam und mit großer Nervosität verfolgt (Der Iran im Visier). Und der Iran sieht die wohlwollende Politik der Vereinigten Staaten gegenüber der Mudschahidin Khalq (Volksmudschaheddin), einer im Irak stationierten Anti-Iran-Miliz, die von den Iranern als terroristische Gruppierung verstanden wird, mit großem Unbehagen (Wenn es den eigenen Interessen dient). Ein weiteres Konfliktfeld liegt in den Verbindungen der irakischen Schiiten-Gruppierung SCIRI zum Iran.