Islamistische Mode-Influencerinnen: Probier den Schleier!

Bild: Hijabis4ever / CC BY-SA 3.0

Der Woke-Feminismus schweigt zum hippen Propaganda-Feldzug. Einmal angelegte Kopftücher können nicht einfach wieder abgelegt werden. Im Iran kämpfen Frauen um ihre Freiheit und hier? Ein Gastbeitrag

Während Frauen in Iran und Afghanistan gegen den Hijabzwang und seine Konsequenzen demonstrieren, macht sich in der muslimischen Influencer-Szene westlicher Migrationsländer ein Trend zur Glorifizierung der Verhüllung breit.

Am Beispiel einer Verschleierungs-Anprobe in der Kölner Schildergasse wird im Folgenden dargelegt, warum das Kopftuch mehr als nur ein "Stück Stoff" ist und warum Selbstbestimmung ohne Gleichberechtigung freiwillige Unterdrückung bedeutet.

Ein Modelabel für muslimische Frauen: Wie steht es zum Islamismus?

Als "Hijab Try on" werden sie angekündigt, die über 188.000 mal geliketen Kurzvideos ("Reels") auf dem Instagram- und TikTok-Kanal der Bekleidungsmarke Abaya Sultan.

Abaya Sultan stammt aus dem Kölner Vorort Pulheim und "hat es sich als Ziel gesetzt, Schwestern bei ihrer Bedeckung zu unterstützen". Im "Try on"-Reel werden junge, eher westlich gekleidete Frauen zuletzt auf der Kölner Shoppingmeile Schildergasse angesprochen und zur Anprobe einer muslimischen Vollverschleierung - der Abaya - motiviert.

Eine in der Anfangssequenz schüchtern wirkende und modern gekleidete junge Frau wird auf offener Straße mit einem Gewand aus der Abaya-Kollektion bekleidet, um danach im Spiegelbild mit der Veränderung konfrontiert zu werden.

Begleitet wird der Akt von sogenannten "Nasheeds" - eine spirituelle Musikform islamischer Lobpreisungen und Hymnen. Mit begeisterten Ausdrücken wie "gorgeous" (dt.: "großartig") wird der neue Look kommentiert. Das Abaya-Testimonial präsentiert schließlich freudestrahlend mit schwingender Pose das reizarme Outfit.

Ihr aktuellstes Anprobevideo veröffentlichte Abaya am 3. Juni 2023. Über die Storyfunktion hält man mit Angeboten und neuen Kollektionen täglichen Kontakt zur Follower-Gemeinde

Die Try-On-Videos sind ein Reichweiten-Schlager auf den Social-Media-Kanälen von Abaya Sultan. Auf Instagram und TikTok verbucht das Profil der Marke über 70.000 Follower und erzielt mit einem Anprobe-Reel Hunderttausende Likes.

Neben den Anprobe-Reels setzen professionelle Models die Gewänder an verschiedenen Orten Kölns in Szene. Auffallend ist, dass die Schleier hier oft inklusive Gesichtsverschleierung getragen werden, sodass lediglich die Augenpartie sichtbar ist.

Dabei handelt es sich um eine außerordentlich konservative Verhüllungsform, die in den repressiven islamistischen Staaten Afghanistan, Saudi-Arabien wie auch unter Anhängern des sogenannten Islamischen Staat (IS) vorgeschrieben, bzw. "Sitte" ist. Laut Impressum des Online-Shops ist die Firma auf "Sultan Ulu" in der Kleinstadt Pulheim im Rhein-Erft-Kreis angemeldet.

Ob Abaya Sultan den Strukturen des politischen Islam in Deutschland zugehörig ist, konnte durch Recherchen nicht festgestellt werden.

Ins Auge fällt jedoch, dass als Marketing-Kulisse häufig die Ditib-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld verwendet wurde. Die Dreherlaubnis in und auf dem Ditib-Gelände legt eine beidseitige Sympathie zwischen Abaya Sultan und der Ditib-Zentralmoschee zumindest dem Anschein nach nahe.

Ditib ist der türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstellt. Ditib-Imame sind türkische Staatsbeamte. Somit kann Ditib als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach Deutschland bezeichnet werden.

Aus Ditib-Moscheen sind Spionagefälle gegen Dissidenten, Wahlwerbung für Erdogan, Instrumentalisierung von Kindern für völkerrechtswidrige Kriegseinsätze in Syrien und homophobe religiöse Literatur bekannt. Ditib-Vereine gehören zum Organisationsgeflecht des politischen Islam in Deutschland und sind dem türkischen Islamismus zuzuordnen.

Islamistische Influencerinnen: Die Strategie des politischen Islam auf Social Media

Öffnet man die Reels von Abaya Sultan einmal oder mehrfach auf dem Smartphone, so spült der Instagram-Algorithmus unterschwellig Video- und Profilvorschläge an die Bildschirmoberfläche, die eine Normalisierung und Idealisierung des Hijabs gemeinsam haben.

Ganz unverhohlen heißt es bei dem amerikanischen Vorbild Urban Modesty (dt.: "Urbane Bescheidenheit"): "If you got modesty, we got you covered". Auf Deutsch: "Wenn du bescheiden bist, haben wir für dich das Richtige".

Statements der Instagramm-Accounts hijabmodern.fh oder amal_tvv sind subtiler: Hier werden positive Kommentare von Passantinnen zum Kopftuch werblich verbreitet oder eine junge Muslimin gezeigt, wie sie einem muslimischen Waisenkind im Grundschulalter ein rosa Kinderkopftuch umbindet – "als Trostspender".

Die Videos, die dort zu sehen sind, sprechen eine gemeinsame Sprache: Zu feiern seien junge, selbstbewusste muslimische Frauen, die sich freiwillig für die Verhüllung entschieden haben. Die sogenannten Hijabis möchten die Kopfbedeckung in ein positives Licht rücken und mit dem Bild der "unterdrückten muslimischen Frau" aufräumen. Der Schleier symbolisiere Empowerment, (Selbst-)Fürsorge, Bescheidenheit sowie Diversität.

Ein Mechanismus, der sich auch in der Doppelstrategie von namhaften Vertretern des politischen Islam wiederfindet.

Wie zum Beispiel bei der Muslimbruderschaft, der Dachorganisation islamistischer Gruppierungen. Verbindungen zu ihr haben terroristische Gruppen wie al-Qaida oder die Hamas, aber auch legalistische Vereine und Verbände, wie die in Deutschland wirkende, arabisch beeinflusste Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V. (DMG) oder die türkisch geprägte Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG).

Für westliche Migrationsländer sieht die Muslimbruderschaft eine legalistische "Missionierung" vor: Nach außen (d.h. gegenüber der Mehrheitsgesellschaft) zeigt man sich demokratisch, moderat, vielfältig und tolerant, während nach innen (d.h. innerhalb der religiösen Gemeinde) eine repressive, islamistische Doktrin verbreitet wird.

Diese bewusste Täuschung kann als Teil der Dawa (religiöse Propaganda, Missionierung) gelten, um langfristig durch die Instrumentalisierung der Demokratie eine islamische Ordnung (letztlich ein Kalifat) zu etablieren.1

Der Muslimbruderschaft-Schüler und türkische Präsident Erdogan hat dieses Kalkül mit folgender Rezitation pointiert:

Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.

Recep Tayyip Erdogan

Über die empirische Realität, z.B. im Iran ab 1979, im syrisch-kurdischen Afrin unter der türkischen Besatzung seit 2018 und anhand der Entwicklung muslimischer Gegengesellschaften im Westen konnte beobachtet werden, dass islamistische Machtübernahmen immer mit einer flächendeckenden Verschleierung von Frauen einhergehen.

Hinzuzufügen wäre dem Zitat Erdogans also, dass das Kopftuch die Flagge des politischen Islam ist und die Uniformierung muslimischer Frauen bedeutet.

Die Sprache des globalen Islamismus lässt also ein groteskes Ost-West-Gefälle erkennen: Während im Nahen und Mittleren Osten sowie in mehrheitlich muslimischen Ländern des sogenannten Globalen Südens die Scharia inklusive sämtlicher Verhüllungsvorschriften mit Gewalt umgesetzt wird, stellt sich in westlichen Demokratien eine strategische Unterwanderung mit demokratischen Mitteln als äußerst effektiv heraus.

Es lässt sich die These aufstellen, dass es immer eine "Sittenpolizei" braucht, um dies durchzusetzen, nur sind deren Methoden, ihre Macht und ihr Auftreten sehr unterschiedlich. Während Iran die tatsächlich institutionalisierte Sittenpolizei und moderne Kameras chinesischer Technik benötigt werden, um die Einhaltung der Kleiderordnung im öffentlichen Raum zu kontrollieren, sieht das in unseren Breitengraden anders aus.

Das demokratische Äquivalent des Aufbaus von Sittenwächtern im Kleinen findet sich auf den Straßen Kölns durch islamistische Influencerinnen repräsentiert. Sie üben keine unmittelbare Gewalt aus. Ihr Ziel ist es, mit hippen Anprobevideos und jeder Menge Einsatz von Social-Media die Aufmerksamkeit von jungen Frauen zu erzielen, um ihnen die Verhüllung erstmal schmackhaft zu machen.

In Afghanistan und Iran stehen Frauen mit wehenden Haaren der scharfen Munition von Islamisten gegenüber. Im Westen scheint sogar ein Teil der Feministinnen auf den Trick der Islamisten hineingefallen zu sein. Kritik an der islamischen Verhüllung wird von einigen woken Feministinnen im Westen als rassistisch, kolonialistisch oder islamophob diffamiert.

Der Hijab wird teilweise gar als feministisches Symbol umgedeutet. Auf eine kritische Durchleuchtung der Verschleierungsdoktrin wartet man vergeblich. Dabei gäbe es Grund genug, dass Kopftuch als ausgesprochen sexistisches Symbol und frauenfeindliche Praxis zu bewerten.