Island: Träume an der Seidenstraße von morgen

Þúfa von Ólöf Nordal, Hafen von Reykjavík. Bild: Bernd Schröder

Freihandelsabkommen mit China und Aussicht auf eisfreie Arktis als Magnet für ausländische Unternehmen - Teil 1

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Die Staaten Europas versuchen seit geraumer Zeit, über ihre diplomatischen und geschäftlichen Beziehungen den Handel mit China zu intensivieren. Die Europäer wollen ihre Handelsbeziehungen zu China öffnen und bestehen dabei auf fairem Handel, der Urheberrechte respektiert und sich an die WTO-Regeln hält. Die werden nach Ansicht der EU zum Beispiel durch Exportbeschränkungen bei Seltenen Erden und anderen Rohstoffen verletzt.

2013 vereinbarten beide Seiten den Beginn von Verhandlungen, die zu einer umfassenden Übereinkunft über künftige Investitionen führen soll. Damit soll eine zunehmende Liberalisierung des Handels und eine Eliminierung von Restriktionen gegenüber Investoren auf beiden Märkten durchgesetzt werden. 2016 kam die EU über die Grundprinzipien einer neuen Schablone für die Beziehungen zu China überein, die die Möglichkeit eines Freihandelsabkommen einschließen und an einige Bedingungen knüpft. Die meisten Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission sträuben sich gegen die Vorstellung, so dass eine schnelle Einigung nicht zu erwarten ist.

Ein Land ist einen Schritt weiter gegangen und hat als erster europäischer Staat im April 2013 ein Freihandelsabkommen mit China unterzeichnet: Island. Seit seinem Inkrafttreten hat eine Reihe ausländischer Unternehmen Interesse an der Errichtung neuer Fabriken in Island bekundet.

Und noch ein anderer, schleichender Vorgang lässt die Business-Wikinger unter den Insulanern und Unternehmer aus dem Ausland von einer prosperierenden Zukunft träumen: der Rückzug des arktischen Eisschildes.

Ein neuer Hafen im Finnafjord und der Traum von der transarktischen Schifffahrt

1932 gelang dem sowjetischen Eisbrecher Alexander Sibirjakow die erste Durchfahrt der Nordostpassage ohne Überwinterung. Heute ist der Westteil der Route fast ganzjährig schiffbar. Die Befahrung des östlichen Abschnitts ist durch schwer zu passierende Packeisabschnitte eingeschränkt möglich. Der seit Anfang der 1990er Jahre zum Teil beträchtliche Rückgang der sommerlichen Eisbedeckung in der Arktis hat Begehrlichkeiten geweckt: zum einen nach der Etablierung neuer Handelsrouten, zum anderen nach dem Zugriff auf die vor Ort vermuteten Rohstoffe.

Im 19. Jahrhundert beliebt: die Theorie vom eisfreien Nordpolarmeer. Karte von Silas Bent, 1872, Ausschnitt. Bild: NOAA

Auch in Island möchte man am Zukunftskuchen teilhaben. Die Vision: Die Seewege nach Asien könnten sich in wenigen Jahren in eine eisärmere Arktis verschieben und wesentlich näher am Nordpol vorbeiführen. Die Strecke ist jedoch wegen des rauen Wetters anspruchsvoll und erfordert speziell angefertigte arktistaugliche Schiffstypen für die kommerzielle Seefahrt. Die könnten auf dem Abschnitt des Nördlichen Seewegs eingesetzt werden, währenddessen Zubringerschiffe den weiteren Transport übernehmen. Damit hätte Island Chancen, zum Container-Hub zu werden.

Eine nutzbare Schifffahrtsroute durch den zentralen Arktischen Ozean hängt von einem beträchtlichen Rückgang der Eisdicke in diesem Gebiet ab. Eine Route über den Pol verkürzt die Reisedistanz beträchtlich, gemessen an der Streckenführung über den Suezkanal. Bild: bremenports

Der geplante, nahezu ganzjährlich eisfreie Tiefseehafen am Nordende des Finnafjords im Nordosten Islands soll die Asien-Europa-Route über den Nördlichen Seeweg bedienen. Die Transportdauer verkürzt sich von Ostasien nach Europa um bis zu 15 Tage, verglichen mit einer Reise über den Suezkanal. Des Weiteren kann Finnafjörður als Basishafen für zukünftige Operationen der Öl- und Gasförderindustrie im 335 Kilometer entfernten Dreki-Gebiet dienen. Rohstoffe aus Island und Grönland könnten zudem hier zwischengelagert, bei Anzapfung des günstigen Energiereservoirs von Island weiterverarbeitet und für den Weitertransport nach Nordamerika oder Europa vorbereitet werden. Finnafjörður könnte außerdem von Kreuzfahrtschiffen als Schutzhafen angelaufen werden sowie Heimathafen von Rettungsbooten sein. Große Freiflächen im Hinterland des zukünftigen Hafengeländes bieten sich zudem für die Ansiedlung von Unternehmen an.

Vor Ort ist man sich bewusst, dass es sich um ein Langzeit-Vorhaben handelt, und dass noch einige Jahre vergehen werden, bis sich Investoren gefunden haben und der Bau beginnt. Der US-Investor Guggenheim Capital Partners Inc. hat inzwischen seine Beteiligung an einer Entwicklungsgesellschaft für den Hafen (Finnafjord Port Development, FFPD) konkret in Aussicht gestellt. Die Investoren sollen die Detailplanung des Hafens vorantreiben, der spätere Bau und der Betrieb des Hafens sind allein dem Risiko der Investoren anheim gestellt.

Der Bremer Senat hat im Januar 2017 der Beteiligung der Hafengesellschaft bremenports an einer Entwicklungsgesellschaft für den Hafenbau zugestimmt. Die Hafenplaner von bremenports wollen bei diesem Projekt ihr maritimes, technisches und ökologisches Know-how vermarkten. "Es ist sichergestellt, dass Bremen und bremenports durch die Gründung der Finnafjord-Entwicklungsgesellschaft FFPD nicht am späteren Bau des Hafens und auch nicht an seiner Finanzierung beteiligt sind", sagt bremenports-Geschäftsführer Robert Howe.

Die FFPD soll noch im ersten Halbjahr 2017 gegründet werden und hat zunächst vier Gesellschafter: die Gemeinden Langanesbyggð und Vopnafjörður, die Ingenieurgesellschaft EFLA und bremenports. Nach dem für später erwarteten Einstieg von Guggenheim Capital Partners Inc. wird der bremenports-Anteil bei 50.1 Prozent liegen.

Ob in Zukunft eine große Zahl von Schiffen über die Nordostpassage von Kontinent zu Kontinent fahren wird, ist wegen der nach wie vor unberechenbaren Eisbedeckung unklar. Kosteneinsparungen durch eine kürzere Transportdauer stehen andere Ausgaben wie Gebühren für die Begleitung durch Eisbrecher und Versicherungsprämien nebst Risikozuschlägen gegenüber.