Ist Chinas Militär der Goliath, der den Indopazifik beherrschen kann?
Seite 2: Eine komplexe Herausforderung
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Sollte das der Fall sein, ist es schwierig, dem chinesischen Militär die Fähigkeit zuzutrauen, militärische Invasionen oder Gewaltakte gegen vergleichsweise größere und wohlhabendere Länder im westlichen Pazifik, die viele Hunderte oder Tausende von Kilometern von China entfernt sind, erfolgreich durchzuführen.
Es ist auch zu beachten, dass ein größerer Krieg im Westpazifik wahrscheinlich auch eine ernsthafte Gefahr für die chinesische Wirtschaft darstellen würde, die in hohem Maße vom Seehandel abhängig ist.
Natürlich sind nicht alle Großmächte im indo-pazifischen Raum, die theoretisch einer chinesischen Militäraggression zum Opfer fallen könnten, relativ weit entfernte Seemächte. Offensichtlich teilt Indien eine lange Landgrenze mit China.
Allerdings ist Indien durch eine breite und unwirtliche Gebirgskette weitgehend von China getrennt, verfügt über ein beachtliches Militär, einschließlich eines beträchtlichen Atomwaffenarsenals, und eine Wirtschaft, die bis zum Jahr 2050 Dreiviertel des chinesischen BIP umfassen soll.
Vielleicht aus diesen Gründen konzentrieren sich nur wenige US-Berichte bezüglich der militärischen Strategie Chinas auf die Möglichkeit eines solchen Konflikts. Wenn nun aber Chinas Fähigkeit, mit seiner militärischen Macht Indien unter Druck setzen zu können, tatsächlich stark limitiert ist, wird es sehr viel schwieriger, sich ein realistisches Szenario vorzustellen, in dem China in der Lage ist, durch seine militärische Macht eine regionale Hegemonie aufzubauen.
Auf den Punkt gebracht: Das chinesische Militär stellt für die Vereinigten Staaten und Verbündeten im indopazifischen Raum zweifellos eine komplexe Herausforderung dar. Aber die Vorstellung, dass China auf dem Weg ist, sich durch militärische Eroberung und Einschüchterung als regionaler Hegemon zu etablieren, und dass Taiwan der Dreh- und Angelpunkt zur Verhinderung einer solchen Dominanz ist, beruht auf einer schwachen analytischen Grundlage.
Das bedeutet nicht, dass die Vereinigten Staaten gegenüber der chinesischen Aggression in der Region ein Auge zudrücken sollten. Es kann durchaus Situationen geben, in denen z.B. die Verteidigung Taiwans oder anderer kleinerer Länder in der Region oder zumindest eine aktive Unterstützung ohne direkte militärische Hilfe eine kluge Entscheidung darstellt.
Die gewählten politischen Maßnahmen sollten jedoch auf einem klaren und unvoreingenommenen Verständnis der strategischen Situation beruhen und darauf, was auf dem Spiel steht und was nicht.
Leider ist die konventionelle Darstellung derzeit weit davon entfernt, die US-Politiker mit einem solchen Verständnis zu versorgen.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.
Steven Kosiak ist Non-Resident Fellow am Quincy Institute und Partner bei ISM Strategies in Washington, D.C. Er ist außerdem Mitglied an der School of International Service (SIS) der American University und Fellow am Center for a New American Security (CNAS). Bevor er im Herbst 2014 zu ISM Strategies kam, war er als leitender Beamter des Weißen Hauses für nationale Sicherheit und außenpolitische Haushaltsplanung tätig.