Ist das CO2-Budget der Menschheit in sechs Jahren ausgeschöpft?

Bild: Marcin Jozwiak/unsplash

Energie und Klima – kompakt: Wie viel darf noch ausgestoßen werden, um globale Erwärmung unter 1,5 Grad oder unter zwei Grad zu halten? Wissenschaftler liefern neue Zahlen. Die Zeit rennt.

Wir hatten über die jüngste Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) berichtet, dass der Höhepunkt beim Verbrauch fossiler Energien, und zwar bei Erdöl, Kohle und Gas, in dieser Dekade voraussichtlich überschritten wird.

Das wären, wenn sich die Prognose erfüllen sollte, tatsächlich gute Neuigkeiten. Doch um die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, wird das kaum reichen und auch für die Einhaltung des ja eigentlich nicht mehr aktuellen 2-Grad-Ziels könnte es äußerst knapp werden.

Klimaforscher:innen haben das verbleibende Kohlendioxid-Budget berechnet, das die Menschheit noch ausstoßen dürfte, um mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Budget im Januar 2023

Dieses betrug im Januar 2023 nur noch 250 Gigatonnen CO2 und nicht mehr, wie noch im Januar 2020 und in den letzten Berichten des Weltklimarats IPCC angegeben, 500 Gigatonnen. Die neuen Berechnungen wurden nun im Fachjournal Nature Climate Change veröffentlicht.

Blieben die Emissionen auf heutigem Niveau von rund 40 Gigatonnen CO2 im Jahr, dann wäre dieses Budget also innerhalb von sechs Jahren aufgebraucht.

Die Autor:innen haben zwar auch die Berechnungsmethoden für das Restbudget und die Erwärmung durch andere Treibhausgase aktualisiert, ein maßgeblicher Grund dafür, dass das Restbudget um 250 Gigatonnen geschrumpft ist, liegt aber schlicht und einfach darin, dass der CO2-Ausstoß nach einem kurzen pandemiebedingten Rückgang seit 2020 wieder stetig gestiegen ist.

Emissionen wieder angestiegen

Zu 45 Prozent seien die Menschen mit ihren Emissionen daher für die deutliche Reduzierung des Budgets verantwortlich, heißt es in einem begleitenden Artikel in Nature Climate Change.

Das Perfide an der Klimaerwärmung ist nun, dass sie immer erst mit Zeitverzögerung zu spüren ist. Die Treibhausgase, die heute ausgestoßen werden, verweilen für Tausende von Jahren in der Atmosphäre, wo sich bereits die Kohlendioxidemissionen seit der Industriellen Revolution akkumuliert haben.

Wenn das Restbudget für 1,5 Grad innerhalb von 6 Jahren ausgeschöpft würde, würde dies nicht bedeuten, dass sich die Oberflächentemperatur auf der Erde auch in dieser Zeit um durchschnittlich 1,5 Grad erwärmt haben wird. Dies könnte in der Folge nämlich auch noch später geschehen.

Frühere Arbeiten zeigen, dass der Temperaturanstieg in erster Linie nicht stark davon abhängt, wann Kohlenstoffemissionen auftreten, sondern nur von ihrer kumulativen Summe; das Kohlenstoffrestbudget ist jedoch stark davon abhängig, wie viel und wann die verschiedenen Arten von Nicht-CO2-Emissionen auftreten.

Forschungsteam von Leitautor Robin D. Lamboll

Das heißt, Methan und Lachgas beeinflussen ebenfalls das Klimageschehen.

Einschätzung der Studienergebnisse

Das CO2-Restbudget ist zunächst eine gute Kommunikationsgröße, aber als absolute Zahl mit Vorsicht zu gebrauchen, gibt Carl-Friedrich Schleussner, Professor an der Humboldt-Universität, Berlin, und Leiter des Bereiches Klimawissenschaft und Auswirkungen bei Climate Analytics, bei der Einschätzung der Studienergebnisse zu bedenken.

Das CO2-Budget sei "wie andere Kerngrößen des Klimasystems natürlich auch – mit einiger Unsicherheit behaftet. Der Fokus auf eine einzelne Zahl war daher schon immer problematisch. Das ist jetzt insbesondere der Fall, wenn die Unsicherheiten größer werden als das verbleibende Budget. Der wahrscheinliche Bereich für das CO2-Budget für das 1,5-Grad-Ziel – mit einer Wahrscheinlichkeit von 17 bis 83 Prozent – wird in dieser aktuellen Studie mit minus 200 bis 830 Gigatonnen CO2 geschätzt", so Schleussner.

Gleichzeitig – und auch das ist wichtig zu erwähnen – liefern die Autoren der aktuellen Studie auch eine Abschätzung für das Budget, um "deutlich unter 2 Grad zu bleiben" – mit 90 Prozent Wahrscheinlichkeit: Das Restbudget dafür ist 500 Gigatonnen CO2.

Carl-Friedrich Schleussner

Das heißt, das bisherige Restbudget für 1,5 Grad reicht ab 2023 gerade einmal, um relativ sicher unter zwei Grad zu bleiben. Lässt man hierbei mehr Unsicherheit zu, steigt das Restbudget für 2 Grad auf 940 Gigatonnen bei einer 66-prozentigen Wahrscheinlichkeit und 1.220 Gigatonnen bei einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit. Um mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit unter zwei Grad zu bleiben, darf die Menschheit noch 12 Jahre auf heutigem Niveau CO2 emittieren.

Auch Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik betont, dass es sich bei den Restbudgets nicht um eine absolute Größe in der Klimapolitik handeln kann:

Aufgrund ihrer permanenten Neuberechnung eignen sich globale Restbudgets auch nicht, um daraus nationale oder europäische Restbudgets abzuleiten, weil diese Richtungs- und Größenänderungen für die deutsche und europäische Klimapolitik nicht kurzfristig umsetzbar sind und jede klimapolitische Erwartungssicherheit untergraben.

Oliver Geden

Trotz aller Unsicherheiten gilt, so bringt es Klaus Hubacek, Professor für Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft von der Universität Groningen, auf den Punkt:

Während Studien wie die vorliegende wichtig und akademisch interessant sind, sollten sie angesichts der überwältigenden Evidenz und der Dringlichkeit politisch keinen Unterschied mehr machen.

Klaus Hubacek