Japan blockierte, USA hielten sich fern

Nur bisschen Erfolg gab es bei den Verhandlungen in Bonn über Regelungen zur Haftung für genveränderte Organismen im Rahmen des Cartagena Protokoll für biologische Sicherheit

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Gut dass wir darüber gesprochen haben. So lässt sich das recht magere Ergebnis der einwöchigen Verhandlung der UNO über international bindende Sicherheitsgarantien für den Einsatz grüner Gentechnik zusammen fassen. Statt endlich rechtlich verbindliche Regelungen über die Haftung für mögliche Schäden durch die grenzüberschreitenden Bewegung genetisch veränderte Organismen (GVO) zu vereinbaren, wurde lediglich beschlossen, dass man verbindliche Reglungen haben will (Gute Geschäftsaussichten mit "climate ready" Pflanzen). Die Ausgestaltung der Regeln wird jedoch erst in zwei Jahren auf der nächsten Konferenz in Japan vereinbart werden.

Im Rahmen der UN-Konferenz zur Artenvielfalt, die vom 19. bis 30. Mai im Bonner UN-Kongresszentrum tagt, trafen sich in der Woche zuvor die Vertragsparteien zum Cartagena Protokoll für biologische Sicherheit (CBP, Cartagena Biosafety Protocol)“, um über den Weg zu rechtlich verbindlichen Regelungen zum Umgang mit der „grünen Gentechnik“ zu verhandeln.

Japan blockierte tagelang die Verhandlungen

Der Weg war steinig. Die 147 Vertragsstaaten einigten sich lediglich auf einen Zeitplan und einen Rahmen für die weiteren Verhandlungen. Das rechtlich verbindliche Instrumentarium wird im Oktober 2010 in Nagoya, Japan, auf der nächsten Sitzung der Mitglieder des Cartagena Biosafety Protocol verhandelt werden. Ausgerechnet Japan, der Gastgeber der nächsten Sitzung, blockierte tagelang die Beratungen, so dass Teilnehmer der deutschen Delegation noch am vorletzten Tag ein gänzliches Scheitern der Bonner Vertragsstaaten-Konferenz über biologische Sicherheit (Cartagena Protokoll) für wahrscheinlich hielten. Für die Leiterin der deutschen Delegation der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ursula Heinen, war die Konferenz dennoch "ein Erfolg":

Die Verhandlungen in Bonn haben sich gelohnt. Mit der politischen Einigung auf eine rechtlich bindende Regelung haben wir ein gutes Ergebnis erzielt. Damit ist eine rechtlich bindende Regelung haben wir ein gutes Ergebnis erzielt. Damit ist eine angemessene Umsetzung des Protokolls für die nächsten zwei Jahre gewährleistet. Die Teilnehmer der Konferenz haben sich nach schwierigen Verhandlungen darauf geeinigt, dass derjenige, der Schäden durch gentechnisch veränderte Organismen verursacht, dafür haften muss. Rechtstechnische Einzelheiten dazu werden in weiteren Gesprächen von Rechtsexperten ausgearbeitet...

Ursula Heinen

Während hinter den Kulissen des Öfteren Krisenmanagement angesagt war, war es den Nichtregierungsorganisationen vorbehalten, öffentlich Kritik an der japanischen Haltung zu äußern. Ryoko Shimizu, Vertreterin der japanischen Verbraucherorganisatio, erklärte: „Es ist nicht akzeptabel dass unsere Regierung sich so verhält. Japanische Konsumenten wollen auch vor den Risiken gentechnisch veränderter Lebensmittel geschützt werden.“ Die Haltung der japanischen Delegation werfe die Frage auf, so Frau Shimizu weiter, ob Japan wirklich der richtige Gastgeber für die Fortführung dieser Verhandlungen sei. Und Greenpeace forderte einen Boykott der Tagung in Japan.

Dem Konferenzflurfunk zufolge sollen die USA, die auch das Cartagena Protokoll über biologische Sicherheit, wie so viele andere Umweltverträge, bis heute nicht unterschrieben haben und daher auch bei der Konferenz nicht mit am Tisch saßen, die Japaner gebeten haben, ihre Haltung in Bonn mit zu vertreten. Japan ist einer der größten Importeure gentechnisch veränderter Agrarprodukte. Auch ein möglicher Zusammenhang mit der künftigen Haltung der USA zum Walfang wurde kolportiert. Denkbar wäre auch, dass Japan sich lange zierte, um möglichst viele Zugeständnisse herauszuschlagen oder um selbst als Gastgeber einen Durchbruch in den multilateralen Verhandlungen für sich reklamieren zu können.

Knackpunkt: die Haftung für mögliche Schäden durch Gentechnisch veränderte Organismen

Zu Beginn der Konferenz sorgte insbesondere unter den Gegnern „grüner Gentechnik“ ein Papier der Gentechnik-Industrie für Aufregung, das statt einer verbindlichen Haftungsregelung lediglich eine freiwillige Übereinkunft der Hersteller und Lieferanten gentechnisch veränderten Saatguts vorschlug. In den Verhandlungen spielte dieses Papier nach Angaben verschiedener Delegationsmitglieder jedoch keine Rolle.

Wie dem auch sei – eine Funktion erfüllte das Industriepapier jedenfalls, deutsche Regierungsvertreter konnten nach der Konferenz das magere Ergebnis immer noch als "Erfolg" feiern. Denn immerhin sei jetzt klar, dass es eine rechtlich verbindliche Regelung und keine freiwillige Übereinkunft geben werde. Die Frage ist nur wann. Und während auf UN-Ebene weiter verhandelt wird, setzen Monsanto, Syngenta, Pioneer, Bayer und andere Firmen und die mit ihnen verbundenen Forschungsinstitute ihre GVO-Freisetzungen fort.

Vielfalt statt Monokulturen

Parallel zu den UN-Beratungen im Bonner Maritim-Hotel versammelten sich rund 700 Gentechnikgegner aus einhundert Staaten im benachbarten Gustav-Stresemann-Institut zur planet diversity, der Weltkonferenz über die Zukunft der Nahrung und Landwirtschaft.

Auf einer Demonstration zum Kongressauftakt, an der zahlreiche einheimische Biobauern und konventionell wirtschaftende Landwirte mit ihren Traktoren teilnahmen, formulierte eine von ihnen, die Milchbäuerin Dorothee Lindenkamp vom Niederrhein, deutlich die Kritik:

Ich bin heute hier, weil ich meine Vorstellung von Landwirtschaft zunehmend in Gefahr sehe. Ich sehe mich nicht als Rohstofflieferantin, sondern als Produzentin wichtiger und hochwertiger Lebensmittel. Ich muss meine Arbeit mit meinem Gewissen vereinbaren können - aber ich muss auch davon leben können. Mit der Einführung der Agrogentechnik und dem neuerlichen Preisverfall bei Milch ist beides in Gefahr.

(...)Wenn ich dann sehe, dass z.B. mit europäischem Milchpulver Märkte in anderen Teilen der Welt zerstört werden, zweifle ich sehr an der Richtigkeit der bisherigen Logik. Da werde ich echt wütend! Ich melke doch nicht, damit mit Subventionen verbilligtes Milchpulver woanders Milchbauern in den Bankrott treibt!

Der Bolivianische Botschafter in Deutschland; Walter Prudencio Magne Veliz, erklärte auf der Kundgebung nach der Demonstration, der Verzicht auf grüne Gentechnik werde in der neuen Verfassung des Andenstaates verankert. Der Botschafter, selbst indigener Herkunft, rief die Demonstrationsteilnehmer zum gemeinsamen Handeln für einen nachhaltigen und sorgsamen Umgang mit Tieren, Pflanzen und „unserer Mutter Erde“ auf. Ungewöhnliche Worte aus dem Mund eines Diplomaten. An den folgenden vier Tagen befassten sich die Teilnehmer mit allen denkbaren Aspekten des Einflusses von grüner Gentechnik und agrar-industrieller Monokultur auf alle Lebensbereiche von Bauern und Verbrauchern, sowie mit den Gegenkonzepten aus der bäuerlichen Landwirtschaft.

Unter der Leitung der indischen Bürgerrechtlerin Dr. Vandana Shiva und Benedikt Haerlin (Zukunftsstiftung Landwirtschaft) formulierten sie ihre dezidierte Kritik an industrieller Monokultur, die durch Gentechnik noch weiter verstärkt würde. In der Abschlusserklärung der Konferenz erklärte Haerlin:

Die Monokulturen der vergangenen Jahrzehnte dienen nicht mehr der Produktion von mehr und besserer Nahrung. Sie ernähren nicht die Armen dieser Welt, sondern füttern die Fleischfabriken und Autos der Reichen. Sie schaden dem Klima, laugen die Böden aus, brennen die Wälder nieder, verschwenden und vergiften unser knappes Wasser und vertreiben Kleinbauern und Indigene von ihrem Land.

Benedikt Haerlin

In ihrer Auffassung sehen sich die Bauern- und Basisorganisationen von „Planet Diversity“ bestätigt durch den jüngsten Bericht von 400 Wissenschaftlern des Weltagrarrates (Nutzen von transgenen Pflanzen zweifelhaft). Dessen Ko-Präsident, Hans Heeren, sagte beim Bonner Kongress

Die Mittel und Technologien zur Überwindung des Hungers stehen zur Verfügung. Was fehlt ist einzig der politische Wille, sie klug und systematisch einzusetzen.

Hans Heeren

Bolivianer und Schweizer gegen Genfood

Vandana Shiva bezweifelte jegliche demokratische Legitimation grüner Gentechnik. Sie zeigte sich überzeugt davon, dass „in keinem Land GVO mit Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit eingeführt werden könnte“. Eine Bestätigung für ihre Einschätzung gab es in der Schweiz. Dort hatte die Bevölkerung am 25. November 2005 gegen den Willen von Parlament, Regierung, der in der Schweiz ansässigen Gentechnik-Firma Syngenta und Nestle eine Gentechfrei-Initiative (Eidgenössische Volksinitiative für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft), angenommen. Sie ist die Grundlage dafür, dass die Landwirtschaft und das Lebensmittelangebot aus Schweizer Produktion bis zum Jahr 2010 gentechnikfrei bleiben. Bis dahin sollen auch die Grundlagen bereit stehen, die eine informierte Entscheidung über eine Verlängerung des Moratoriums erlauben.

Auf dem Bonner Kongress konnte Maya Graf, Nationalrätin der Grünen, verkünden, dass der Schweizer Bundesrat soeben das Moratorium für drei Jahre verlängert habe. Grund dafür sei, dass für 2012 das Ergebnis eines nationalen Forschungsprogramms über Gentechnik vorliegen werde. Sie wusste auch zu berichten, dass die schweizerische Lebensmittelindustrie mittlerweile mit der Gentechnik-Freiheit ihrer Erzeugnisse werbe. Auch der Import von GVO-Lebensmitteln sei in der Schweiz verboten.

Der “Planet-Diversity“-Kongress verabschiedete einen Forderungskatalog, in dem es heißt:

Wir fordern ein weltweites Moratorium für den Einsatz von Agrar-Sprit und von gentechnisch manipulierten Pflanzen und Tieren. Ernährungs-Souveränität und Selbstbestimmung für alle Gemeinden, Regionen und Länder des Südens und des Nordens sind die Grundlage sicherer, nachhaltiger und fairer Lebensmittelproduktion.(...) Kein Patent auf Leben. Die Vielfalt des Lebens ist kein Privatbesitz. (...) Frauen sind die Bewahrerinnen der Vielfalt und das Rückgrat der Landwirtschaft. Ihnen stehen deshalb mindestens die gleichen Rechte zu. (...) Vielfalt statt Monokulturen .- lokal, vielfältig und gentechnikfrei!

Forderungen des Planet-Diversity-Kongresses

Nun bleibt abzuwarten, wie die Ergebnisse der nun folgenden zweiwöchigen Beratungen über die biologische Vielfalt verlaufen. Die bäuerlichen Landwirte und Umweltaktivisten machen sich keine großen Illusionen über die Politiker, sondern setzen auf ihre eigenen Aktivitäten und ihre regionale und internationale Vernetzung.