Jelzins Sturm auf das Weiße Haus
Seite 2: Ein Präsident beißt auf Granit
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Während sich die Zusammenarbeit der USA und Russland sehr positiv gestaltete, stieß Jelzin in der russischen Heimat zunehmend auf Probleme. Die Begeisterung der Bevölkerung für die Wirtschaftsreform hielt sich mehr als in Grenzen. Aber insbesondere der Oberste Sowjet, das kommunistisch geprägte, aber demokratisch gewählte Parlament, zeigte immer mehr Widerstand.
Oleg Popzow, Chef des russischen Fernsehens, fasste die Pattsituation sehr pointiert zusammen: "Der Präsident erlässt Dekrete, als gäbe es keinen Obersten Sowjet, während der Oberste Sowjet die Dekrete aussetzt, als gäbe es keinen Präsidenten."
Ein Präsident löst das Parlament auf
Jelzin entschied sich, das Parlament aufzulösen. Zuvor unterrichtete er unter anderem die Botschaft der USA, wie es später der damalige Botschafter Thomas Pickering schilderte. Am 21. September 1993 schritt Jelzin dann tatsächlich zur Tat und löste mit dem Dekret 1400 das Parlament auf. Zudem legte er das Datum für vorgezogene Wahlen zu einer neuen Legislaturperiode fest und ordnete ein Referendum über den Verfassungsentwurf an.
Diese Entscheidung stellte eindeutig einen Bruch des russischen Rechts dar. Artikel 121-6 der Verfassung besagt: "Die Befugnisse des Präsidenten der Russischen Föderation dürfen nicht dazu benutzt werden, die nationale und staatliche Organisation der Russischen Föderation zu ändern, aufzulösen oder die Funktionsweise der gewählten Organe der Staatsgewalt zu beeinträchtigen."
Noch am selben Tag rief Clinton den russischen Präsidenten an. Jelzin versicherte, dass es kein Blutvergießen geben und die Wirtschaftsreform jetzt schneller vorankommen würde. Clinton erklärte ihm seine volle Unterstützung, äußerte aber auch seine Besorgnis über das Schicksal des demokratischen Prozesses in Russland.
Als Antwort darauf zeichnete Jelzin ein schwarz-weißes Bild des politischen Kampfes und sagte, dass der Oberste Sowjet "völlig außer Kontrolle geraten ist. Er unterstützt den Reformprozess nicht mehr. Er ist kommunistisch geworden." Jelzin versicherte, dass "alle demokratischen Kräfte mich unterstützen." Clinton betonte, wie wichtig es ist, die Wahlen demokratisch abzuhalten und auch der Opposition uneingeschränkten Zugang zur freien Presse zu gewähren.
Ein Präsident wird abgesetzt
Noch in der Nacht kam das Verfassungsgericht zusammen und stellte fest, dass Jelzin gegen die Verfassung verstoßen hatte und angeklagt werden konnte. Während einer nächtlichen Sitzung erklärte daraufhin das Parlament das Dekret des Präsidenten für ungültig. Jelzin und seine wichtigsten Minister wurden entlassen und das Parlament ernannte Vize-Präsident Alexander Ruzkoi zum Präsidenten, der seit langem nicht mehr Boris Jelzin unterstützte.
Am 24. September kündigte Jelzin die Präsidentschaftswahlen für Juni 1994 an. Am selben Tag stimmte der Kongress dafür, bis März 1994 gleichzeitige Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abzuhalten. Die USA versuchten währenddessen den angeschlagenen Jezlin zu stützen, indem der Senat im Eiltempo den von Bill Clinton gewünschten Kredit über 2,5 Milliarden US-Dollar an Russland genehmigte.
In Moskau erreichte aber die Krise langsam auch die Straße. Zehntausende Russen marschierten durch Moskau, um das Parlament zu unterstützen und auch gegen die sich verschlechternden Lebensbedingungen und die Wirtschaftsreformen des Präsidenten zu protestieren.
Am 28. September kam es in Moskau zu den ersten blutigen Zusammenstößen zwischen der Polizei und Anti-Jelzin-Demonstranten. Am selben Tag entschied das Innenministerium, das Parlamentsgebäude abzuriegeln. Barrikaden und Stacheldraht wurden um das Gebäude platziert. Am 1. Oktober schätzte das Innenministerium, dass sich rund 600 Kämpfer mit größerem Waffenvorrat den Parlamentariern angeschlossen hatten. Am 2. Oktober bauten Anhänger des Parlaments Barrikaden auf, um den Verkehr auf den Hauptstraßen Moskaus zu blockieren.
Am 3. Oktober forderte Ex-Parlamentschef Ruslan Chasbulatow auch die Stürmung des Kremls und die Inhaftierung Jelzin. Um 16:00 Uhr rief Jelzin den Ausnahmezustand in Moskau aus. Dieser Erlass beinhaltete auch ein Verbot der Kommunistischen Partei, der Vereinigten Arbeiterfront, der Nationalen Heilsfront und der Union der Offiziere. Ebenso wurde die Prawda, das ehemalige Organ der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, und eine Reihe anderer Zeitungen aufgefordert, die Veröffentlichung einzustellen.
Am Abend des 3. Oktober zogen Demonstranten und Bewaffnete zum Fernsehzentrum, um Fernsehzeit für die Darstellung ihrer Sicht zu erhalten. Aber die pro-parlamentarischen Massen wurden von Einheiten des Innenministeriums und Sonderkräften empfangen. In einer Straßenschlacht wurden dort 46 Menschen getötet und 124 verletzt.
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