Jemen: Was kann China, was der Westen nicht kann?

Parade westlicher Kriegsschiffe in der Bab al-Mandeb Strait zur "Gewährleistung der maritimen Stabilität und Sicherheit". Vorne Flugzeugträger USS Harry S. Truman. Bild (2019): U.S. Navy

Wie der rostige Tanker FSO Safer fast die internationalen Lieferketten zum Zusammenbruch gebracht hätte und nichts unternommen wurde. Bis die Diplomatie aus Peking neue Wege eröffnete.

Die wenigsten Menschen in Europa werden jemals vom Bab al-Mandab gehört haben. Dabei hätte dieses enge Stückchen Meer zwischen dem Jemen und Dschibouti fast ihr Leben auf Monate, möglicherweise Jahre nachhaltig aus den Fugen gebracht.

Denn hier muss jedes iPhone, jedes Paar Sneaker, jede X-Box durch, die per Schiff aus Asien nach Europa transportiert wird: aus dem Indischen Ozean, durchs Rote Meer, in den Suezkanal und dann aufs Mittelmeer. Es sei denn natürlich, man transportiert per Flugzeug. Oder auf dem langen Weg um Südafrika herum. Was dann alles entsprechend teurer macht.

Kurz vor der Katastrophe

Jahrelang lag hier, vor der Küste des Jemen, die FSO Safer, ein vollbeladener Öltanker, der fest verankert als schwimmendes Lager genutzt wurde. Und weil im Jemen seit Jahren ein Krieg tobt, kümmerte sich lange Zeit niemand um das Schiff. Nichts wurde gewartet, nichts repariert. Zu lange.

Als vor einigen Monaten Experten der Vereinten Nationen die Lage vor Ort erstmals besichtigen durften, fanden sie einen Seelenverkäufer kurz vor dem Auseinanderbrechen vor.

Schon seit Jahren war immer wieder mal davor gewarnt worden, dass dem Roten Meer eine Ölkatastrophe drohe. Doch die Gefahr schaffte es nie auf die Prioritätenliste der internationalen Regierungen, denn irgendwas ist ja immer, irgendwer warnt immer vor irgendwas.

Bis sich im März 2021 im Suezkanal das Containerschiff MS Ever Given querlegte und erst nach Tagen freigeschleppt werden konnte – und die Lieferkette nach Europa in einem riesigen Schiffsstau vor dem Suezkanal sichtbar wurde.

Plötzlich kam etwas Fahrt in die Dinge: Bei der UN in New York traf man sich zu Konferenzen; man hörte sich erstmals die Experten an. Kam dann zu dem Schluss, dass dieses Schiff vor der Küste des Jemen weg muss.

Denn würde der Tanker Leck schlagen, ergössen sich 1,14 Millionen Barrel Öl ins Rote Meer, würde das die Lebensgrundlage für gut eineinhalb Millionen Menschen zerstören, die von der Fischerei leben. Und die Lieferketten von Asien nach Europa auf absehbare Zeit erheblich stören.

Die chinesische Regierung und der Jemen-Krieg

Doch es war letztlich die chinesische Regierung, die, über Umwege, die Dinge in Fahrt brachte. Anfang des Jahres brachte man, unter Einsatz des Versprechens von Milliarden-Investitionen dazu, sich aneinander anzunähern. Und damit nahm auch der Jemen-Krieg eine neue Wende.

Denn der ist vor allem ein Stellvertreter-Krieg: Auf der einen Seite kämpfen die Truppen der international anerkannten und von Saudi-Arabien militärisch unterstützten Regierung, die nun von einem Präsidialrat geführt wird. Auf der anderen Seite stehen die vom Iran unterstützten Houthi-Milizen, die einen Großteil des Nordens des Landes kontrollieren, darunter auch die gesamte Küste zum Bab al-Mandab.

Im Konfliktfall könnten also die iranischen Revolutionsgarden nicht nur Straße von Hormus zwischen dem Persischen Golf und dem Indischen Ozean, sondern auch das Bab al-Mandab kontrollieren. Das wurde immer wieder als subtile Drohung in den Atomverhandlungen mit dem Westen angeführt.

Die Annäherung der beiden regionalen Mächte hat zumindest zu einer Waffenruhe geführt. In der Diplomaten-Sprache ist das eine Stufe unter dem Waffenstillstand: Man erwartet nicht, dass überhaupt nicht mehr geschossen wird.

Gleichzeitig leitete man "vertrauensbildende Maßnahmen" ein: Gefangene wurden ausgetauscht. Und auf dem Flughafen der von den Houthi kontrollierten Hauptstadt Sana’a dürfen wieder einige wenige internationale Flüge landen.

Doch obwohl die Flüge viel zu teuer für die verarmte Bevölkerung sind, sind sie immer gut gefüllt. Meist sind es Experten der Vereinten Nationen, die in den Jemen fliegen. Man versuche, Kontakte zur Führung der Houthi zu knüpfen und zu vertiefen, sagt ein Mitarbeiter des Jemen-Teams bei der Uno.

Außerdem wolle man sich an eine Bestandsaufnahme machen: Wie steht es wirklich um die Infrastruktur? Was muss am Dringendsten gemacht werden?

Denn Hunger und Krieg sind die eine Sache. Mehr als 100.000 Menschen sind nach Schätzungen des Roten Halbmonds zudem an Krankheiten gestorben.

Denn jedes Mal, wenn es regnet, bricht die Kanalisation zusammen. Und da es oft keine Müllabfuhr mehr gibt, wird das Wasser für die Menschen zur tödlichen Brühe. Insgesamt sind mindestens 300.000 Menschen direkt oder indirekt durch den Krieg getötet worden.

Erstmals Zugang zur FSO Safer

Nach langem Hin und Her erhielten Experten auch erstmals Zugang zur FSO Safer. Jahrelang hatte die Führung der Houthi den Zugang verweigert, darauf bestanden, dass ihr das wertvolle Öl zusteht, während die Regierung das Gleiche für sich forderte. Und Saudi-Arabien und der Iran schauten zu.

Bis jetzt. Vor einigen Monaten war plötzlich eine simple Lösung ausgehandelt: Die Uno besorgt ein neues Schiff, pumpt das Öl um, schleppt die FSO Safer ab und lässt sie verschrotten. Was mit dem Öl passiert, das soll später entschieden werden.

Doch das Problem ist: Geld. 160 Millionen Euro werden insgesamt gebraucht. Nur 140 Millionen Euro konnten aufgetrieben werden. Und nur ein Teil davon stammt von Regierungen. Millionen wurden von Unternehmen und Privatleuten gespendet, eine Art Crowdfunding.

Immerhin reichte das Geld, um ein Schiff zu kaufen und im Juli ein Spezialunternehmen mit dem Umpumpen des Öls beginnen zu lassen. Mittlerweile ist dieser Teil der Arbeiten abgeschlossen.