Jetzt geht es rund im Web!

Das Audiostreaming bekommt Surroundsound und Sharing-Komponenten

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"Internetradio" – das ist sehr individuelles, aber vermatscht klingendes, stotterndes Gedudel. Mit dem schlechten Sound und den Aussetzern soll es nun aber bald vorbei sein

"Internetradio" – wieder so ein Flop der Dotcomblase, in der man das gewöhnliche Radio und Fernsehen über Funk und Satellit schon als Auslaufmodell sah. Doch ist halt in der Bandbreite noch ein gewaltiger Unterschied zwischen der ja auch noch mit Aussetzern kämpfenden Internettelefonie und der musikalischen Beschallung aus dem Web. Außerdem ist normales Radio über terrestrische Antennen oder Satellit ein Broadcast-Medium (One-to-Many), das Internet dagegen ein Telekommunikations-Medium (One-to-One).

Ein Problem von Internettelefonie und Internetradios ist auf Seite des Nutzers die Tatsache, dass das Internet nun einmal nicht zum Streaming konzipiert wurde: Zwar werden im Netz von A nach B verschickte Daten notfalls auch über Umwege ankommen, wenn die direkte Verbindung gerade blockiert ist, doch wie schnell sie das tun, ist nicht definiert. Ob eine E-Mail mal ein paar Sekunden länger braucht, stört ja auch niemand, doch beim Telefonieren sind schon Verzögerungen unter einer Sekunde sehr störend – man fällt sich gegenseitig ins Wort wie früher bei Satellitentelefonaten nach USA, die deshalb heute aus gutem Grund über Glasfaser laufen.

Problem beim Streaming: Keine Echtzeitverbindung

Auch ein Radiosender, dessen Stream eine Minute hinterherhinkt, führt spätestens bei Sportübertragungen oder zu Sylvester zu Verärgerung, wenn die Nachbarn bereits lautstark herumgrölen und man sich noch wundert, wieso. Ebenso sind verspätete Datenpakete ein Ärgernis, die die Wiedergabe zum Stottern bringen.

Das andere Problem des Users ist die nicht garantierte Bandbreite und die Nutzung der Hardware: Ein Computer, der ungenutzt in der Ecke steht und nur vor sich hin lüftet, kann natürlich mal eben über DSL einen 128-KBit/s-HiFi-Stream wiedergeben. Wird auf dem Gerät aber gespielt, CDs gebrannt oder gearbeitet, wird die Musikwiedergabe ins Stottern kommen. Das Gleiche passiert, wenn die Internetverbindung auch noch für Downloads genutzt wird – und da hilft dann auch kein zweiter Computer oder ein spezielles Internetradio wie die Philips Streamium-Modelle mehr weiter.

Speziell für Internetradio gedacht: Philips Streamium i250

Ein noch viel ernsteres Problem entsteht aber auf der Seite des Internetradioanbieters. Im Gegensatz zum Funk verlangt bislang jeder Hörer eine eigene Verbindung. Will Karlchen Müller seinen drei Schulfreunden Musik vorspielen, so reicht der eigene PC vielleicht aus, um diese mit je 24 KBit/s in Mittelwellenqualität zu versorgen. Erweist sich Karlchens Musikprogramm aber als der große Renner, bricht die Übertragung zusammen und ein Internetradio mit maximal 1000 Hörern darf bereits heftigen Traffic bereitstellen und bei voller Auslastung auch zahlen. 128 KBit/s, als MP3-Download noch Standard, ist als MP3-Streaming da der pure Luxus. Andere Verfahren wie Real schaffen bereits mit 24 KBit/s erträgliche Qualität, was das Zuhören auch noch mit Modem gestattet und erklärt, warum man kaum MP3-Streams im Netz findet, sondern die eigentlich unsympathischeren Real- und WMV-Streams. Mit HiFi hat das dann allerdings nichts zu tun.

Es geht auch in 5.1-Kanal digital

Eines der modernsten Systeme ist MPEG 4-AAC-SBR von Coding Technologies, das zukünftig mit Digital Radio Mondial (DRM) selbst auf Mittel- und Kurzwellenkanälen, die auch nicht mehr als 24 KBit/s schaffen, eine UKW-ähnliche Qualität – wenn auch nur in Mono – liefern will. HiFi wird das dann zwar auch nicht, aber für das Küchenradio reicht es allemal. Auch zum Musikdownload über das Mobilfunknetz von O2 wird dieses Verfahren verwendet, was den Speicherbedarf im Player und die Ladezeiten über das Mobilfunknetz reduziert.

AAC-Player von O2

Spendiert man dem neuen Verfahren jedoch den Luxus der 160 KBit/s einer guten MP3-Übertragung, so ist hier sogar 5-Kanal-Übertragung in DVD-Qualität möglich: Seit Mitternacht ist anlässlich der Surround Sound 2004 Conference in Los Angeles AAC Plus , das bis zu 48 Kanäle unterstützt, in 5.1 Surround im Web auf Sendung – mit Winamp 5.04 kann man einigen Surroundbeispielen zuhören sowie einer noch einen Monat abgelegten Liveaufzeichnung eines Herbie-Hancock-Konzerts und von „BT". Mit 48 KBit/s kann man in normalem Stereo lauschen. Coding Technologies gibt an, dass auch schon 128 KBit/s für 5.1-Kanal und 32 KBit/s für Stereo ausreichen. Die Filmübertragung mit 5-Kanal-Digital ist somit auch übers Internet nun machbar und auch für reine Musik sind die neuen Verfahren interessant. Und auch das normale Radio über Satellit und selbst DAB soll mehrkanalfähig werden.

Problem heute: Jeder Streaming-Hörer kostet extra

Es bleibt jedoch das Problem: Je mehr Hörer, desto mehr Traffic. Das Internet arbeitet nun einmal mit einer direkten Übertragung von Rechner A zu Rechner B. Ist Rechner A ein Webserver, so gibt dies eben 1000 parallele, einzelne Verbindungen. Für eine Textwebsite tragbar, für einen Musik- oder Videodownload ein echtes Problem. Bit Torrent ist eine mögliche Antwort, die den Download beschleunigt, indem er bei einigen der Downloadern auch wieder für andere abgerufen wird. Kazaa hat ein ähnliches, wenn auch nicht so stark optimiertes Verfahren, bereits erfolgreiche Downloads sofort als neue Quelle einzusetzen. Für Livestreams wie beim Internetradio gab es allerdings bisher nichts Vergleichbares.

Mit Abacast soll sich nun aber die Last für den ursprünglichen Streamsender auf einen Bruchteil reduzieren lassen, wenn alle Hörer ihren Computer auch als Sender freigeben. Hinter Firewalls könnte dies allerdings ein Problem darstellen und Abacast arbeitet nur mit WMA zusammen. Peercast ist eine interessante Alternative, mit der beispielsweise auch ein ganzes Büro einem einzelnen Stream lauschen kann, statt entsprechend viele Streams und Player aufzumachen.

Datenentlastung: Abacast, Peercast, Multicast

Die eigentliche, seit Jahren versprochene Lösung – ein Multicast-Protokoll für echtes Internetbroadcasting – lässt dagegen noch auf sich warten. Vermutlich ist dies auch besser so, denn die seit 1996 immer wieder als Schreckgespenst auftauchende Rundfunkgebühr für Modems und am Internet angeschlossene PCs (Politik und Fernsehen: DDR im Himmel und GEZ fürs Internet) wäre in Deutschland die zwangsweise Folge