Joe Biden: "Dark Brandon Rising"

Bild: Ivan Radic/CC BY 2.0

Eine Frage der Macht in der Online-Kultur: Wie das Team des US-Präsidenten eine Beleidigung – Biden als faschistischer Superheld mit roten Laseraugen – zur Imageverbesserung drehte.

Wie alle politisch rechten Bewegungen krankt auch die amerikanische Variante am "Opfermythos". Die Anhänger Trumps glauben sich verfolgt: von den Linken, den Demokraten und ganz besonders von "denen da oben". Solche Verschwörungstheorien gehören schon lange zum rechten Weltbild und nehmen ihren Ursprung oft auf Plattformen sozialer Medien.

Auch Joe Biden hat seinen Platz in der fiktiven Online-Kabale gefunden – als Dark Brandon. Das ist etwas kurios, denn gerade moderaten Demokraten wie Biden wird immer wieder ein übertriebenes Maß an Verständnis für die teilweise komplett realitätsfernen Überzeugungen ihrer politischen Kontrahenten nachgesagt.

Die Republikaner verstehen es sehr gut, solche Online-Trends für sich zu nutzen. Dabei verlassen sie auf Berater, die dann beispielsweise Ted Cruz davon überzeugen, es wäre wahnsinnig hip, ein "Lets Go Brandon Shirt" während eines Baseballspiels zu tragen.

Allerdings ist Joe Bidens online Alter-Ego eher zufällig entstanden. "Dark Brandon" lebt in den "Memes" und "Posts" der rechten Online-Kultur und zeichnet den alten, eigentlich harmlos wirkenden Mann als faschistischen Superhelden mit roten Laseraugen.

"Dark Brandon" begann seine Reise in das amerikanische Bewusstsein als "Brandon". Brandon seinerseits wurde, wie könnte es anders sein, während eines Nascar-Rennens geboren. Diese Autorennen sind dafür bekannt, ein eher männliches weißes Publikum rechter Gesinnung anzuziehen. Während der Übertragung eines solchen Rennens trug sich laut Focus folgender Zwischenfall zu:

Im Gespräch mit dem Gewinner – einem Fahrer namens Brandon Brown – hörte die Reporterin von NBC Sportgesänge aus der Menge. Daraufhin sagte sie: "Wie Sie laut den Sprechchören aus der Menge hören können – Let’s go, Brandon!" Nur, dass die Menge nicht "Let’s go, Brandon!", rief, sondern Biden beschimpfte.

Focus

Die Kryptobeleidigung gegen den Präsidenten "Let’s go Brandon" verbreitete sich rasend schnell in der US-amerikanischen Rechten, besonders im Internet auf einschlägigen "Messageboards" wie 4-chan. Doch Brandon entwickelte sich unaufhörlich weiter: Ursprünglich war das "Dark Brandon Meme" sarkastisch gemeint.

Antwort auf Trumps "Dark MAGA Meme"

Es galt als eine ironische Kopie des "Dark MAGA Meme", welches Trump auf ähnliche Weise darstellt, also mit Laseraugen und in faschistischer Ästhetik.

Das "Dark MAGA Meme" galt aber als ernst gemeintes Versprechen der rechten Online-Szene, Trump würde als faschistischer Führer zurückkehren und seine Wahlniederlage rächen. Das "Dark Brandon Meme" hingegen sollte auf Bidens Schwächen im Vergleich zum verehrten "Führer-Trump" hinweisen.

Unbeabsichtigt von ihren Schöpfern lässt diese Darstellung den aktuellen Präsidenten aber sehr viel mächtiger erscheinen, als er eigentlich ist. Und da die Rechte, ob in den USA oder anderswo, schon immer dazu neigte, sich als Opfer zu begreifen, verlor "Dark Brandon" für viele User dieser rechten Foren bald jeglichen Hauch an Ironie.

Die Macht

Die Angst vor einem übermächtigen Gegner hat Tradition in rechten Weltanschauungen. Anhänger der selbigen sind selten in der Lage, Gefühlen sozialer Entfremdung, Einsamkeit und Unterdrückung durch eine Kritik an den tatsächlichen sozialen, ökonomischen und politischen Umständen Ausdruck zu verleihen.

Deshalb muss rechte Ideologie am laufenden Band neue Feindbilder produzieren. Da kann aus einem leicht verwirrt wirkenden alten Mann wie Biden schon mal ein allmächtiger Diktator werden. Nun hat diese Ausgeburt der rechten Online-Kultur den Sprung in die Offline-Welt geschafft.

Der Grund: Die Liberalen wollen ihrerseits gerne an einen etwas mächtigeren Präsident Biden glauben, der in der Lage ist, die Demokratie gegen die Bestrebungen der MAGA-Bewegung zu verteidigen. "Dark Brandon" kam den PR-Beauftragten des Weißen Hauses also sehr gelegen.

Da hat die Online-Rechte der Biden Regierung wohl unfreiwillig unter die Arme gegriffen. Blöd gelaufen, denn eigentlich hatte Trump schon während der letzten Wahlen begriffen, wie man Joe Biden politischen Schaden zufügen kann.

Mit seinem zugegebenermaßen manchmal unheimlichen Instinkt für politische Diffamierungskampagnen betitelte er seinen damaligen Gegenkandidaten als "Sleepy Joe" – ein Spitzname, der tatsächlich zu dem alten Mann aus Delaware passt.

Denn Biden ist dafür bekannt, gelegentlich den Faden zu verlieren oder in ellenlange Monologe über seine Kindheit abzudriften. Auch sonst zeigt der amtierende US-Präsident für gewöhnlich alle Symptome eines "netten Opa von nebenan", – ein echter "Ape Simpson"-Präsident eben. Nach einer Trump-Präsidentschaft wirkte diese Form der präsidialen Selbstdarstellung für eine Weile fast beruhigend.

Allerdings wirkten Biden und seine Administration nach einiger Zeit etwas lasch und antriebslos, ganz abgesehen von den langen Pausen zwischen öffentlichen Auftritten. Aber ein netter großväterlicher Präsident ist gänzlich ungeeignet für einen Wahlkampf gegen jemanden von Trumps Kaliber.

Daher ist eine Darstellung Bidens als allmächtige Herrscherfigur, die politischen Feinden das Fürchten lehrt, ein Himmelsgeschenk für die demokratische Wahlkampfmaschine.

Da war es nur eine Frage der Zeit, bis Bidens PR-Team damit begann, das neue Image des Präsidenten auch offline zu propagieren.