Joe Biden im freien Fall: Gegner im eigenen Lager, Umfragetief und verschleierte Schwächen

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Enthüllungen aus Kreisen der Demokraten: Zweifel an seiner Eignung für das Präsidentenamt wachsen. Nato-Mitglieder intensivieren Kontakt zu Trumps Team.

Was für Zeiten. Selten wurde einer großen weltweiten Öffentlichkeit so schrill vorgeführt, welche schaurig-grotesken Dimensionen das medienaffine Konzept eines strong man an der Macht annehmen kann wie jetzt im US-Wahlkampf.

Anhänger und Unterstützer des amtierenden US-Präsidenten ist vor jedem Live-Auftritt bange. Sie müssen fürchten, dass Joe Biden den nächsten blamablen Aussetzer bringt, wie ihn sich vordem nur Karikaturisten und schwarzhumorige Verfasser von Dystopien hätten ausdenken können.

Selenskyj mit Putin verwechseln oder Trump als seinen Vizepräsidenten nennen, wie zuletzt, gehört zu den harmloseren unter den Aussetzern Bidens, weil sie nur Versprecher waren.

Anders ist es etwa mit langen Schweigepausen, in denen er den Eindruck eines geistig Abwesenden vermittelt, mit Antworten, die keinen Sinn ergeben, und einer körperlichen Verfassung des 81-Jährigen, die jeden Schritt als Aufbruch in eine Gefahrenzone aussehen lässt.

Leichtes Spiel für Trump

Der mit allen Medienwassern gewaschene Konkurrent um das Amt, Donald Trump, ebenfalls nicht arm an spektakulären, grotesken Aussetzern, und dessen Team haben leichtes Spiel, davon abzulenken und mit pointierten Kurz-Clips in den sozialen Medien Biden als sprachlosen, greisen Bewerber darzustellen

Inmitten einer zunehmend angespannten politischen Landschaft steht Präsident Joe Biden unter erheblichem Druck. Von seinen eigenen Parteimitgliedern, von finanzkräftigen Unterstützern, von öffentlichen Personen mit Einfluss, wie etwa George Clooney, und großen Medien wie die New York Times.

56 Prozent der Demokraten für Ende seiner Kandidatur

Die jüngsten Umfrageergebnisse widersprechen Bidens Behauptung, dass nur Teile der Parteielite seinen Rücktritt fordern würden.

Stattdessen zeigt eine Umfrage der Washington Post, dass 56 Prozent der Demokraten der Meinung sind, Biden solle seine Kandidatur beenden, während 42 Prozent ihn weiterhin im Rennen sehen wollen. Insgesamt meinen zwei von drei Erwachsenen, dass der Präsident zurücktreten sollte, darunter mehr als 70 Prozent der Unabhängigen.

Diese Zahlen stehen laut der Zeitung im Kontrast zu Bidens bekundeter eigener Erfahrungen auf der Wahlkampftour, wo ihn positive Interaktionen mit seinen Anhängern überzeugt haben, im Rennen zu bleiben, nachdem er in der Live-Debatte mit Trump ins Hintertreffen geraten war und gelegentlich verwirrt wirkte. Dennoch wolle er den Job weitermachen: "he's here to ‚finish the job‘", so die Pressekonferenz am gestrigen Donnerstag.

Engste Vertraute: "Keine Chance auf Sieg"

Biden habe keine Chancen, das Rennen zu gewinnen, sagte "engste Vertraute" anonym dem Sender NBC, darunter angeblich drei Personen, die unmittelbar damit beschäftigt sind, seine Wiederwahl zu ermöglichen.

Eine weitere Aufregung kommt mit Enthüllungen in die Debatte, wonach Bidens Mitarbeit schon seit Längerem um die Schwächen wussten und Biden minutiös mit Listen von Gesprächsthemen, Namen von Fragenden und sogar Zeichnungen, die ihm Bescheid gaben, wo er gehen sollte, instruieren mussten.

Tägliche choreografierte Handlungsanweisungen

Auch wurden Medien-Auftritte an Biden vorher so abgesprochen, dass ihm möglichst keine Fehler unterlaufen. Auch Regierungstreffen seien entsprechend vorbereitet worden: "ziemlich gut orchestriert".

Der Enthüllungsbericht von CNN hat zwei schwierige Implikationen für den weiteren Wahlkampf. Einerseits liefert er das Bild einer ständigen Inszenierung ("Biden stage-managed"), einer "sorgfältig choreografierten tägliche Operation", die nötig sei, um Auftritte des Präsidenten zu retten.

Ein hochrangiger Demokrat sagte gegenüber CNN: "Man hat das Gefühl, dass er jedes Mal, wenn er eine Veranstaltung besucht, den Atem anhält." Diese Person fügte hinzu, dass einige Berater privat zugegeben haben: "Es wird noch schlimmer werden."

CNN

Zum anderen resultiert daraus der Eindruck, dass die Demokraten den Zustand des Präsidenten vor der Öffentlichkeit verschleiert haben. Der Vorwurf geht aber nicht nur an den Umkreis des Präsidenten und Parteimitglieder, sondern auch an die Medien.

Der Skandal zum Finish

"3,5 Jahre war dies für ein Großteil der Medien kein Problem, wurde teils sogar vertuscht", so das Blog 1600Pennsylvania. Das dies nun, kurz vor der Wahl, zum Skandal aufgebauscht wird, sei ein "fragwürdiges Gebaren".

Tatsächlich müssen sich die Demokraten, konfrontiert mit der Frage, warum sie nicht früher auf die offenkundigen Schwächen des Präsidenten reagiert haben, auf ein sehr schwieriges Wahlkampffinale gefasst machen.

Nato: "Liberal Meltdown"

Während des Nato-Gipfels zeigte Biden zwar souveräne Auftritte, wie seine Anhänger unterstreichen, doch seine Versprecher und wackeligen Antworten in einer fast einstündigen Pressekonferenz am Donnerstag schüren weiterhin Zweifel an seiner Eignung für das Amt, berichtet die New York Times.

Obwohl Biden während der Pressekonferenz versuchte, seine Behauptung zu untermauern, dass die Debatte um ihn eine Anomalie sei, sei es ihm nicht gelungen, kraftvolle Argumente für seine Präsidentschaft vorzubringen. Ob er in den nächsten Wochen und Monate seine Anhänger und die breite Öffentlichkeit überzeugen kann, wird zum Zitterspiel.

Das hat auch auf dem Nato-Treffen Spuren hinterlassen. Die Financial Times berichtete davon, dass sich osteuropäische Länder bemühten, die Kontakte zum Team Trump zu intensivieren. Beobachter in Brüssel sprechen von einem "liberalen meltdown".