Joe Bidens Feigenblatt

Joe Biden, noch als Vizepräsident von Barack Obama, hier im Vordergrund. Beide tragen Schuld am Afghanistan-Desaster. Bild: Picryl/The White House, Public domain

Der amtierende US-Präsident nutze das Abkommen seines Vorgängers Trump mit den Taliban aus. Damit machte er es den Islamisten leicht

Nachdem die Taliban Kabul eingenommen hatten, schob Präsident Joe Biden erst mal die Schuld von sich ab. Er habe diesen Deal, der den Abzug verspricht, nun einmal von seinem Vorgänger Donald Trump geerbt, erklärte er am Montag: "Die Entscheidung, die ich als Präsident machen musste, war entweder das Abkommen zu befolgen oder bereit zu sein, gegen die Taliban zu kämpfen."

Dabei war der Deal von Doha, um den es hier geht, gar kein belastendes Erbstück für Biden. Er kam ihm ganz gelegen.

Die Menschen in den USA hatten schon lange keine Lust mehr darauf, ihre Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan zu wissen. Donald Trump nutzte das für sich. In seinen Kampagnen versprach er, diesen "endlosen Krieg" zu beenden.

Nach 17 Jahren Blutvergießen begannen im November 2018 die Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban.

Neun Verhandlungsrunden später war es im Februar 2020 so weit: Zalmay Khalilzad, Afghanistan-Sonderbeauftragter der USA, und Mullah Abdul Ghani Baradar, politischer Chef der Taliban, unterzeichneten in katarischen Hauptstadt Doha ein Friedensabkommen.

Die Taliban erklärten darin, Friedensgespräche mit der Nato-gestützten Regierung in Kabul aufzunehmen. Ziel der Gespräche sollte ein Waffenstillstand sein. Sie versprachen zudem, dass weder sie noch andere Terrororganisationen, etwa Al-Qaida, die Lage in Afghanistan dazu benutzen würden, um den USA oder ihren Verbündeten zu drohen.

Im Gegenzug versprachen die USA, ihre Truppenzahl in Afghanistan zunächst von rund 12.000 auf 8.600 zu reduzieren. Bis Mai 2021 würde dann ein kompletter Abzug der Nato-Truppen folgen, wenn denn die Taliban ihre Verpflichtungen einhielten.

Das Abkommen legte auch einen Gefangenenaustausch von 1.000 afghanischen Sicherheitskräften gegen 5.000 Taliban fest.

Regierung Ghani geschwächt

Es war ein guter Deal für die Taliban. "Das Doha-Abkommen schwächte die afghanische Regierung und Präsident Aschraf Ghani", sagt Lisa Curtis.

Curtis ist Afghanistan-Expertin und war während der Trump-Regierung im National Security Council, dem nationalen Sicherheitsrat, für Süd- und Zentralasien verantwortlich.

"Das Abkommen verlangte von der afghanischen Regierung, im Voraus 5.000 gefangene Taliban zu befreien, bevor die Taliban überhaupt begonnen haben, mit ihr zu verhandeln."

Curtis meint, die Trump-Regierung hätte von den Taliban zumindest fordern müssen, ihre Verbindungen zu Al-Qaida zu kappen und Al-Qaida aus Afghanistan zu verbannen. "Für die Trump-Regierung war es einfacher Zugeständnisse an die Taliban zu machen und Zugeständnisse von der Regierung in Kabul zu verlangen", sagt sie.

Seit Doha war klar: Die US-Truppen würden eher früher als später abziehen. Das würde sich auch mit einem Präsidentenwechsel nicht ändern, zumal auch Biden seit Langem gegen den Einsatz in Afghanistan plädierte.

"Trump hat die Weichen ganz klar auf Abzug gestellt", sagt Markus Kaim, Afghanistan- und Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. "In den europäischen Hauptstädten glaubten viele, dass Joe Biden alles zurückdrehen würde, was Trump beschlossen hat, auch beim Thema Afghanistan. Das war eine totale Fehleinschätzung."

Es sei unverständlich, warum viele deutsche Politiker jetzt ihre große Überraschung ausdrückten und fragten, wie die USA sich nur zurückziehen konnten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.