Justiz macht RWE den Weg zum Kohleabbaggern frei

Seite 2: Von der Anti-AKW- zur Anti-Kohle-Bewegung

Das könnte der Anti-Kohle-Bewegung eine Debatte bescheren, wie sie vor einigen Jahrzehnten in der Anti-AKW-Bewegung geführt wurde. Da wurde festgestellt, dass Legalität und Legitimität eben nicht das gleiche sind.

RWE hat nach dem OLG-Spruch die Legalität hinter sich und kann mit einem großen Polizeiaufgebot mit dem Abbaggern beginnen. Doch die Klimaaktivisten sehen die Legitimität auf ihrer Seite, angesichts der Klimaveränderungen keine weitere Kohleabbaggerung mehr zuzulassen.

In den nächsten Wochen und Monaten wird sich zeigen, ob es der Anti-Kohle-Bewegung gelingt, so viele Menschen auf die Straße zu bringen, dass es für die Politik zum Risiko wird, ein großes Polizeiaufgebot für die Abbaggerung eines Dorfes aufzubieten. Manchen ist noch in Erinnerung, wie ab 1997 die Castortransporte mit Atommüll ins Wendland für einige Tage bundesweite Aufmerksamkeit erzeugte, bis sie schließlich eingestellt wurden.

Wird es der Anti-Kohle-Bewegung gelingen, ein ähnliches Szenario gegen die Kohleabbaggerung zu erzeugen? Dann könnte Lützerath tatsächlich das Gorleben der Kohleindustrie werden. Dort ist die atomare Lagerung nicht an Gerichten, sondern in erster Linie an einer widerständigen Bevölkerung in der Region und bundesweit gescheitert.

Die Kohleaktivisten haben mit dem Urteilsspruch auch lernen müssen, dass manche naive Vorstellung, einen Ausstieg aus der fossilen Industrie mittels der Justiz durchzusetzen, zu wenig berücksichtige, dass die Justiz eben Teil des kapitalistischen Staates ist. Der RWE-Konzern hält an der Kohleabbaggerung deshalb noch fest, weil damit noch Profit zu machen ist.

Wenn ein starker Widerstand dagegen entsteht, vergleichbar mit Protesten gegen die Atommülltransporte ins Wendland, würde die Profitmarge sinken und die Kohleabbaggerung wäre vielleicht nicht mehr rentabel.

Wann bröckelt der NRWE-Komplex?

Dann würden sich vielleicht auch wahrnehmbare Risse im NRWE-Komplex zeigen, wie Kritiker des Konzerns dessen enge Kooperation mit der Politik in NRW bezeichnen. Das zeigte sich auch beim später von einem Gericht für rechtswidrig erklärte Räumung im Hambacher Forst. Erst vor wenigen Tagen forderten die Kohle-Gegner den Rücktritt der in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen (NRW) dafür zuständigen Ministerin Ines Scharrenbach.

Am 15. Mai wird in NRW ein neuer Landtag gewählt. Da wird sich zeigen, ob es den Kohlegegnern mit ihrem außerparlamentarischen Protest gelingt, Verschiebungen im Parteiensystem hin zu Kritikern des fossilen Kapitalismus zu erreichen. Noch ist also über die Perspektive von Lützerath noch nicht endgültig entschieden.