Kalifornien verbietet elektronische Wahlsysteme von Diebold
Aufgrund von Bedenken wegen mangelnder Sicherheit und Zuverlässigkeit hat der kalifornische Innenminister Diebold-Systeme verboten und Counties mit anderen Systemen zusätzliche Auflagen vorgeschrieben, wenn sie diese für die Präsidentschaftswahlen im November einsetzen wollen
Nach dem Debakel mit der Auszählung der Wählerstimmen bei der letzten, äußerst knapp ausgegangenen Präsidentschaftswahl wurde George W. Bush nur durch einen Gerichtsentscheid zum Wahlsieger. Eine später erfolgte Nachzählung war zwar rechtlich nicht bedeutsam, ließ aber starke Zweifel entstehen, ob Bush tatsächlich wirklich die Wahlen gewonnen hätte (George W. Bush ist rechtlich, aber wahrscheinlich nicht faktisch der von der Mehrheit gewählte US-Präsident). Aber das ging seiner Zeit im Zwang zur patriotischen Einheit nach dem 11.9. unter.
Die Bush-Regierung legte 2002 ein milliardenschwere Programm auf, um die Bundesstaaten zu unterstützen, die alten Wahlsysteme, vor allem die Stanzmaschinen (Warum die Amerikaner sich bei den Wahlen verzählen), gegen Wahlcomputer auszutauschen. Das war natürlich die Stunde, in der Unternehmen, die Wahlmaschinen herstellen, große Geschäfte witterten. Schon zuvor hatte im Jahr 2001 ein Bericht auf Mängel bei den elektronischen Systemen hingewiesen. Auch andere Computerexperten machten deutlich, dass das primäre Problem darin liegt, dass der Wähler bei der Benutzung eines Touchscreen-Computers keine Möglichkeit der Kontrolle besitzt, ob seine Stimmabgabe richtig erfasst wurde. Und nach der Wahl besteht das Problem, dass es keine Möglichkeit gibt, das Ergebnis zu überprüfen, also festzustellen, ob manipuliert worden ist.
Nachdem über einen ungesicherten, für jedermann zugänglichen Server des Wahlmaschinenherstellers Diebold Code und Dokumente für dessen Touchscreen-System heruntergeladen und analysiert werden konnten, stellte sich heraus, dass tatsächlich eine ganze Reihe von Manipulationsmöglichkeiten vorhanden sind, die es unter anderem auch möglich machen würden, dass eine nachträgliche Manipulation der Daten nicht mehr aufgedeckt werden könnte (Das Problem mit den elektronischen Wahlsystemen und der amerikanischen Demokratie). Konkretere Bedenken wurden nach Kenntnis einiger Unregelmäßigkeiten bei Wahlen mit elektronischen Wahlsystemen erhoben, dass mit dem undurchsichtigen "Black Box Voting" gezielte Wahlfälschung erfolgt seien oder hätten erfolgen können. In Kalifornien wurde eine Ad Hoc Touch Screen Task Force eingerichtet, die in ihrem Bericht die Analyse bestätigte, was auch das Ergebnis anderer Expertengruppen war (US-Wahlcomputer mit vielen Manipulationsmöglichkeiten).
Diebold stritt zunächst alle Einwände ab und ging gegen Kritiker vor (Urheberrecht gegen Kritiker). Mittlerweile hat Diebold hier eingelenkt, aber der Konflikt über die Zuverlässigkeit der elektronischen Wahlsysteme nicht nur von Diebold ging weiter. Ende 2003 hatte Kalifornien beschlossen, dass die Wahlcomputersysteme besser überprüft werden müssen und zumindest bis 2006 alle Wahlcomputer auch eine Ausdruckmöglichkeit besitzen müssen. In Florida hingegen, wo Jeb Bush, der Bruder des US-Präsidenten, Gouverneur ist und wo bei der letzten Wahl die meisten Probleme auftauchten, gibt man sich hingegen zufrieden (Sicherheit von Wahlcomputern weiterhin umstritten).
Nachdem das Voting System and Procedures Panel in Kalifornien im März einen Bericht veröffentlicht hatte, nach dem Diebold an vier Counties Wahlmaschinen verkauft hatte, die zum Zeitpunkt der Lieferung nicht zertifiziert waren, und überdies in Systemen in einigen weiteren Counties nicht-zertifizierte Software installiert hatte, kam es Ende April zu einer Anhörung. Änderungen an Hard- und Software müssen zuvor den Behörden gemeldet und von diesen überprüft werden. Kurz vor den Vorwahlen im März 2004 hatten Firmen, darunter auch Diebold, noch schnell solche Änderungen bei Hard- und Software bekannt gegeben. Der Einsatz wurde nur für die Vorwahlen genehmigt, weil nicht ausreichend Zeit zur Überprüfung vorhanden war. Dann aber traten bei den Vorwahlen Probleme auf, vor allem im San Diego County, wo Wähler ihre Stimme nicht abgeben konnten. Der Bericht bezweifelte, ob die Systeme vor den Präsidentschaftswahlen im November wirklich ausreichend überprüft werden können. Diebold entschuldigte sich bei der Anhörung, wies aber darauf hin, dass immerhin keine Fehlzählungen vorgefallen seien.
Am Freitag kündigte nun Kevin Shelley, der kalifornische Innenminister an, dass 14.000 AccuVote TSX Systeme von Diebold in vier Counties aus Gründen mangelnder Sicherheit und Zuverlässigkeit nicht zu den Novemberwahlen benutzt werden dürfen. Überdies wird für 28.000 andere Systeme in 10 weiteren Counties erst dann eine Zulassung erteilt, wenn ihre Sicherheit verbessert wurde. Unter anderem müssen die Counties dafür sorgen, dass eine Stimmabgabe auf Papier möglich ist. Zudem muss der Programmcode dem Innenministerium zur Überprüfung vorgelegt, die Mitarbeiter müssen besser geschult und andere Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden. Neue Systeme dürfen nur verwendet werden, wenn bei ihnen auch ein Ausdruck der Stimmabgabe erfolgt. Überdies forderte Kelley den kalifornischen Generalstaatsanwalt Bill Lockyer dazu auf, eine Untersuchung darüber einzuleiten, ob Diebold die Behörden belogen hat.
Damit wurden erstmals elektronische Wahlsysteme in den USA ausgeschlossen. Dieser Schritt könnte auch Probleme für Diebold und die anderen Hersteller nach sich ziehen, wenn weitere Bundesstaaten, die mittlerweile Millionen solcher Systeme gekauft haben, dem kalifornischen Schritt folgen sollten. Kalifornien ist einer der Bundesstaaten, die am meisten elektronische Wahlsysteme gekauft haben. Im März konnten oder mussten sie bereits 40 Prozent der Wähler benutzen.
Dabei geht es nicht nur um die technische Zuverlässigkeit, sondern es steht, wie auch im Bericht, der im Auftrag des kalifornischen Innenministers verfasst wurde, heißt, das Vertrauen in die "demokratische Infrastruktur" zur Debatte. Man muss sich nur einmal vergegenwärtigen, wie ein nochmaliges Debakel bei der kommenden Präsidentschaftswahl durch Computerfehler nach den letzten Wahlen und deren Konsequenzen sich auf die politische Stimmung im Land auswirken würde, wenn nicht ein erneuter "11.9." für Einheit sorgen sollte.
Prior to the presidential election in 2000, the administration of elections received little attention from the public or the media. As a result of the problems that occurred in Florida in the November 2000 election, however, the "infrastructure of democracy" has been the subject of intense focus and public scrutiny - particularly the equipment that is used to cast and count ballots.
In Kalifornien werden vor dem Parlament demnächst Gesetzesvorschläge (SB530 und SB1723) verhandelt, die noch weiter gehen als die Entscheidung des Innenministeriums und sich für ein allgemeines Verbot von elektronischen Wahlsystemen bis 2005 und verschärfte Sicherheitsauflagen für eine spätere Zertifizierung aussprechen. Diebold - "We have confidence in our technology and its benefits" - setzt darauf, zumindest seine AccuVote-TS Systeme für die Novemberwahl zur Zulassung bringen zu können. Die neuen TSX-Systeme mit verbesserten Sicherheitsvorkehrungen sollen dann, so hofft man, die ersten Touchscreen-Wahlcomputer werden, die nach den neuen Standards aus dem Jahr 2002 in den USA zertifiziert werden.