Kampf gegen den Terrorismus

Britischer Anti-Terror-Gesetzesvorschlag erweitert den Begriff des Terrorismus

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In den USA ist man permanent dabei, neue Bedrohungen der militärischen, politischen, technischen und ökonomischen Überlegenheit auszumachen. Im Zuge dieser Bemühungen erleben Begriffe wie Krieg und Terrorismus unterschwellig eine neue, weit ausgreifende Bedeutung, wodurch dann auch Sicherheitskräfte größere Kompetenz erlangen.

Die gegenwärtige Tendenz ist, Krieg mit Terrorismus gleichzusetzen, denn, so die übliche Begründung, im Zeitalter der Computernetze können auch kleine Gruppen oder gar einzelne die von Computersystemen hochgradig abhängige zivile und militärische Infrastruktur lahmlegen und einen ähnlichen Schaden wie ein mit traditionellen Waffen geführter Angriff eines feindlichen Staates bewirken (Schlimmer als Pearl Harbor). Insbesondere die Begriffe Infowar oder Cyberwar und Cyberterrorismus lassen Krieg und Terrorismus verschmelzen und führen mit der Warnung vor der Gefährdung der Infrastruktur eines ganzen Landes durch Täter mit ganz unterschiedlichen Motiven, die sich sowohl im Inland als auch im Ausland befinden können, einerseits zu einer weltweiten Ausweitung der Inneren Sicherheit und einer Militarisierung der Zivilgesellschaft und andererseits zu einer Verschmelzung der früher unterschiedlich ausgerichteten Sicherheitskräfte des Militärapparats, der Geheimdienste und der Polizei.

Was in den USA bereits vorexerziert wurde, greift jetzt auch das britische Innenministerium mit einem Anti-Terrorismus-Gesetzesvorschlag auf. Bislang wurde in Großbritannien vornehmlich der von Nordirland ausgehende Terrorismus mit dem jährlich zu erneuernden Prevention of Terrorism Act bekämpft. Auch wenn vorgesehen ist, die Zeitspanne von sieben auf vier Tage zu verkürzen, in der ein Verdächtiger ohne Zustimmung eines Richters festgehalten werden kann, so wird doch ganz im Sinne der amerikanischen Verbündeten der Begriffsumfang des Terrorismus bedenklich erweitert.

"The proposed legislation will be framed to deal with the whole range of terrorist threats both now and in the foreseeable future, from wherever they come. The proposals take proper account of the peace process and the security situation in Northern Ireland but also put great emphasis on additional measures to combat other forms of domestic terrorism, the continuing threat from international terrorism and the likelihood of these threats continuing in the future." Jack Straw

Ähnlich wie in Deutschland, wo man entsprechende Gesetze während der RAF-Zeit einführte und natürlich nie wieder rückgängig machte, wird es schon zum Straftatbestand, terroristischen Organisationen anzugehören, auch wenn man selbst ansonsten nichts Illegales gemacht hat, oder diese zu unterstützen. Terrorismus ist nach der neuen Definition "der Gebrauch von schwerwiegender Gewalt gegen Menschen und Eigentum oder die Androhung, eine solche Gewalt auszuüben, um eine Regierung, die Öffentlichkeit oder irgendeinen Bereich der Öffentlichkeit wegen politischer, religiöser oder ideologischer Ziele einzuschüchtern oder unter Druck zu setzen." Notstandsvollmachten soll es aber auch bei Aktionen geben, die nur eine "ernsthafte Störung" verursachen, wozu etwa auch die Beschädigung eines Gebäudes, ein Angriff auf Computersysteme oder eine Manipulation von Daten gehören kann. Cracker, die Webseiten verändern, könnten so bereits als Terroristen behandelt werden.

Innenminister Shaw sprach bei der Vorstellung des Gesetzesvorschlags von der "düsteren Wirklichkeit", daß in der vorhersehbaren Zukunft der Terrorismus nicht verschwinden würde. Nachdem möglicherweise der Nordirlandkonflikt seinem Ende zugeht, entstehen neue Bedrohungen durch islamistische Fanatiker oder religiöse Gruppen wie der japanischen Sekte Aum, die 1995 einen Giftgasanschlag auf die U-Bahn von Tokyo ausführte. Zwar gehe die Bedrohung von nationalistischen Extremisten im Inland zurück, aber es entwickeln sich neue Täterszenen im Umfeld etwa von Tier- und Umweltschützern oder Anti-Abtreibungsbewegungen.

Erst kürzlich hatten radikale Tierschützer damit gedroht, zehn britische Wissenschaftler zu töten, die Tierexperimente durchführen, wenn der im Hungerstreik befindliche Tierschützer, der die Einrichtung einer königlichen Kommission zur Untersuchung der Vivisektion von Tieren forderte, sterben sollte. Die neuen Terroristen verlassen gewissermaßen das politische Feld und kämpfen für bestimmte ethische Werte. Allein auf das Konto der Tierschützer gehen 800 Vorfälle, wozu Anschläge auf Schlachthöfe, Metzgereien, Tierzuchtfarmen oder Restaurants gehören, die einen Gesamtschaden von 1,8 Millionen Pfund verursacht haben. Wo aber Religion und Moral, also eine Lebensweise, im Vordergrund stehen und nicht mehr eine politische Ideologie, wird vermutlich ein Verbot solcher terroristischen Gruppen auch kaum Erfolge zeigen. Überdies besteht die Gefahr, daß man mit den Mitläufern oder Unterstützern eine immer breitere Schicht von neuen Kriminellen schafft.