Kanada: Zahl der Massakeropfer steigt weiter

In Gabriel W.s High School-Jahrbucheintrag von 1986 steht, dass er zu den Mounties gehen könnte. Bearbeitung: TP

Die Polizei durchsucht abgebrannte Häuser, unter denen noch Leichen liegen könnten

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Am 18. April gegen elf Uhr abends Ortszeit gingen bei der Polizei in der Dorfgemeinde Portapique in der kanadischen Provinz Nova Scotia mehrere Notrufe ein. Als sie darauf reagierten, fanden die Beamten drei brennende Häuser. Vor ihnen lagen fünf tote Menschen, die den Anschein machten, als seien sie erschossen worden, während sie die brennenden Gebäude verließen. Um 23 Uhr 32 warnte die Polizei die Dörfler deshalb via Twitter, in ihren Häusern zu bleiben und die Türen zu verschließen.

Am nächsten Tag ging gegen acht Uhr morgens ein Notruf aus dem 37 Kilometer von Portapique entfernten Wentworth ein, wo die Polizei drei weitere Leichen fand. Die Spuren dort führen sie zum 51-jährigen Gabriel W., der sich als Polizist verkleidet hatte und ein zum Einsatzwagen umgestaltetes Fahrzeug fuhr.

Beim ersten Aufeinandertreffen starb eine Polizistin, beim zweiten der Täter

Mit diesem Wagen fuhr W. Richtung Halifax und erschoss dabei anscheinend zufällig ausgewählte weitere Opfer. In der Nähe von Shubenacadie kam es Augenzeugenberichten nach zu einem Feuergefecht zwischen ihm und der Polizei, wobei er eine Polizistin tötete und einen Polizisten verletzte. Danach fuhr er mit dem silbernen Chevrolet Tracker SUV eines seiner Opfer weiter, bevor er gegen Mittag in Enfield erneut auf Polizisten stieß. Das Feuergefecht, das dann folgte, überlebte er nicht.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau meinte anschließend zu den Medien, die Menschen fragen sich nun zu Recht: "Was ist passiert und wie konnte das geschehen?" Das werde man nun ermitteln, Und er versichere der Öffentlichkeit, "dass unsere Polizei in den kommenden Tagen Einzelheiten bekanntgeben wird".

Weder ein Terrormotiv noch Komplizen

Eine dieser Einzelheiten ist, dass bei der Tatserie mindestens 19 Menschen starben. Damit stellte W. auf jeden Fall den bisherigen kanadische Negativrekordhalter Marc L. in den Schatten, der 1989 an der École Polytechnique in Montréal außer sich selbst noch 14 weitere Menschen erschossen hatte. Ermittlungsleiter Bill Leather fürchtet jedoch, dass W.s Vorsprung noch größer wird, weil an den 16 bislang bekannten Tatorten fünf Häuser brannten, unter deren Trümmern weitere Leichen liegen könnten.

Einige der Opfer kannte der Täter Leather zufolge. Medienberichte, wonach auch eine ehemalige Freundin W.s darunter ist, ließ der Polizeisprecher aber bislang unbestätigt. Bekannte W.s hatten kanadischen Medien geschildert, dass der Täter früher eigentlich ein freundlicher und umgänglicher Kerl war. Einem Krebsopfer, dem alle Zähne ausgefallen waren, soll der Zahntechniker kostenlos ein neues Gebiss gefertigt haben. Wenn es um eine als sehr gutaussehend beschriebene Frau ging, die in einer Beziehung zu ihm stand, soll er jedoch eine auffällige Eifersucht an den Tag gelegt haben. Weiteren unbestätigten Meldungen nach soll die Tatserie damit begonnen haben, dass W. in Portapique diese oder eine andere Frau suchte, zu der er früher in einer Liebesbeziehung stand.

Bezüglich der Waffen halten sich die Ermittler bislang noch bedeckt

Bestätigt wird von der Polizei, dass W. nach bisherigem Ermittlungsstand nicht polizeibekannt war und weder ein Terrormotiv noch Komplizen hatte. Er soll die Tatserie aber auch nicht komplett spontan verübt, sondern vorher geplant haben. Die Polizeigegenstände, über die er verfügte, sammelte er jedoch schon lange vorher. Seine Faszination für die Royal Canadian Mounted Police, die "Mounties", reicht bis mindestens in das Jahr 1986 zurück: In seinem High School-Jahrbucheintrag von damals steht, dass er diesen Beruf ergreifen könnte.

Bezüglich der Waffen, mit denen W. seine Taten verübte, halten sich die Ermittler bislang noch bedeckt. Dafür preschen hier Politiker wie der kanadische Innenminister Bill Blair vor, der bereits ankündigte, man werde "den Waffenschmuggel über die Grenzen stärker bekämpfen" und "die Gesetze zur Aufbewahrung von Waffen verschärfen, um zu verhindern, dass sie in falsche Hände geraten". Ob W. geschmuggelte oder legal verkaufte Waffen einsetzte, ist allerdings noch genauso offen wie die Frage, ob er sie mit oder ohne die dafür erforderlichen Lizenzen besaß.

Handfeuerwaffen müssen in Kanada bereits seit 1934 registriert werden, automatische Waffen seit 1951. 1969 verbot man einige Schusswaffen für den Privatverbrauch komplett und seit 1979 ist für jeden Schusswaffenkauf eine Genehmigung der Polizei nötig. Für bereits vorher gekaufte Schusswaffen mussten sich die Kanadier zwischen 1995 und 2012 nachträgliche Genehmigungen holen. Seit 2017 sind außerdem so genannte "Butterfly-Messer" und ähnliche Stich- und Schnittwaffen verboten.

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