Kandidiert Erdogan für den Bundestag?

Seite 2: Leben unter ständiger Bedrohung

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Problematisch ist auch der Anlass für die Gründung, bzw. der Zeitpunkt: Der Entschluss wurde gefasst, nachdem der Bundestag Anfang Juni 2016 die sogenannte Armenien-Resolution verabschiedete.

Damit zog sich nicht nur die Bundesregierung den Zorn vieler hier lebender türkisch-stämmiger Menschen zu, sondern vor allem die Bundestags-Abgeordneten mit türkischen Wurzeln gerieten ins Visier. Sevim Dağdelen (Die Linke) und Cem Özdemir (Bündnis 90/die Grünen) können sich seitdem nicht mehr ohne Bodyguard bewegen. In einer Sendung von Markus Lanz im ZDF schilderte die Linken-Politikerin, welche Auswirkungen die ständige Bedrohung auf ihr Leben hat, und dass auch ihre Kinder davon nicht unberührt bleiben.

Memet Kiliç, der in Heidelberg für die Grünen als Bundestagskandidat antritt, berichtet im aktuellen "Spiegel", wie sich die permanente Bedrohung auf sein Leben auswirkt. "Bevor Memet Kiliç in sein Auto steigt, prüft er erst einmal, ob alle Schrauben an den Rädern noch festsitzen. Im Zug reist er nur, wenn er weiß, dass er noch vor Sonnenuntergang zurück in Heidelberg sein wird. Seine Wohnung liegt zwar lediglich ein paar Minuten zu Fuß vom S-Bahnhof entfernt, 'aber das würde ich in der Dunkelheit nicht riskieren', sagt der Grünen-Politiker. 'Wer weiß, wer mir da folgt.' Der jüngste Sohn hat die Angst des Vaters bereits verinnerlicht. Der Sechsjährige überprüft vor dem Schlafengehen grundsätzlich, ob die Haustür abgeschlossen ist."

Drohmails, Beleidigungen über Twitter oder Verunglimpfungen auf Facebook bis hin zur Morddrohung sei alles dabei, so Kiliç. "Manchmal kämen die Attacken von Ausländerhassern", schreibt der "Spiegel", "aber hinter den meisten stünden Getreue des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Sie wollten ihn einschüchtern, damit er seine Politik ändere und endlich in die Spur komme, sagt Kiliç." Zwar war er nicht an der Abstimmung über die Armenien-Resolution beteiligt, aber "seit Jahren kritisiert der 50-Jährige Erdogan und seine AKP scharf."

Und nun, so scheint es, vereinigen sich diejenigen, die die Armenien-Resolution und/oder Kritik an ihrem geliebten "Büyük Lider" in Rage gebracht hat, in der "ADD".