Kann der Öko-Landbau Europa ernähren?

Seite 2: Ungenutzte Potenziale besser nutzen

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Trotz aller positiven Effekte - auch im Ökolandbau könnten Nährstoffkreisläufe noch optimiert werden, erklären die Wissenschaftler des Thünen-Institutes. So könnten Nährstoffverluste aus Mistlagerung und Kompostierung auf unzureichend befestigten Flächen noch reduziert und Nitratausträge unterbunden werden.

Auch in der Freilandgeflügelhaltung gibt es im Nahbereich von Geflügelfestställen das Problem einer Konzentration von Nährstoffen. Erste Lösungsansätze bieten mobile Hühnerställe. Sie stehen nur einen bestimmten Zeitraum auf einer Weide und werden dann auf die nächste gefahren, so dass sich Kot und Nährstoffe gleichmäßiger in den Böden verteilen. Davon profitieren auch die Hühner, die auf immer neuen Weiden im frischen Gras scharren können. Ein ähnliches Problem besteht in der Freilandhaltung von Schweinen, wo sich Nährstoffe oft im Bereich von Futter- und Tränkeplätzen anreichern.

In der Diskussion darüber, welche Anbaumethode die beste bzw. klimafreundlichste ist, wird selten das Problem der Lebensmittelverschwendung berücksichtigt: In ärmeren Ländern vergammeln Nahrungsmittel, weil sie nicht optimal gelagert oder transportiert werden. In Industrieländern landen sie im Müll, weil die Mindesthaltbarkeitsdaten abgelaufen sind. Der meiste Essensmüll in der EU entsteht in privaten Haushalten.

Einer Studie von 2017 zufolge werden in deutschen Haushalten jährlich Lebensmittel im Wert von durchschnittlich 150 € weggeworfen. Oder die Felderzeugnisse werden schon bei der Ernte aussortiert, weil sie in Aussehen, Größe und Form nicht der Norm entsprechen. Die überflüssigen, weggeworfenen Lebensmittel heizen darüber hinaus auch das Klima an: Jedes Jahr entweicht tonnenweise Methan auf amerikanischen Kompostanlagen, auf denen Essensmüll verkompostiert wird.

Es geht also weniger darum, noch mehr Essen auf weniger Fläche mit noch mehr Pestiziden und Kunstdünger zu produzieren, sondern mehr darum, bereits erzeugte Lebensmittel besser zu nutzen und zu verteilen. Das ist vor allem eine logistische Herausforderung.

Öko-Landbau: Würden wir Europäer verhungern?

Was würde passieren, wenn die gesamte europäische Landwirtschaft auf Öko-Landbau umgestellt würde? Würden wir Europäer verhungern? Im Gegenteil, sagt eine Studie, die im September 2018 am Institute for Sustainable Developement and International Relations (IDDR) veröffentlicht wurde.

Der Ausbau agrarökologischer Infrastrukturen mit natürlichen Graslandschaften, Hecken, Bäumen, Teichen und steinigen Lebensräumen könnte 530 Millionen Menschen in den nächsten 30 Jahren auf nachhaltige Weise ernähren. Gleichzeitig würde sich der Ausstoß von Treibhausgasen in der Landwirtschaft um 40 Prozent verringern, während sich die Artenvielfalt erhöht.

Bei einem Verzicht auf Pestizide und Mineraldünger läge der Ertragsrückgang je Erzeugnis bei 10 bis 50 Prozent. Trotzdem könnten noch landwirtschaftliche Produkte exportiert werden. Allerdings würden die Futtermittel-Importe zurückgehen, denn es würden viel weniger Tiere gehalten, die weniger Futtermittel verbrauchen.

Der Ökolandbau könnte die Menschen in Europa bis 2050 also mühelos ernähren. Dafür müssen sie nur eine wesentliche Bedingung erfüllen: Sie müssen ihre Essgewohnheiten radikal ändern. Mehr Getreide, Früchte, Gemüse und eiweißhaltige Pflanzen stünden dann auf dem Speiseplan - und deutlich weniger tierische Produkte.

Wollen wir der Nachwelt fruchtbare Böden hinterlassen, die ausreichend Nahrungsmittel in einem gesunden Klima hervorbringen, könnte sich eine Umstellung auf mehr Ökolandbau in Europa auf jeden Fall lohnen.