Kann sich Leben an alle Bedingungen anpassen?

Yungay in der Atacama-Wüste, wo Bodenproben entnommen wurden. Bild: Dirk Schulze-Makuch

Wissenschaftler glauben, erstmals Mikroorganismen gefunden zu haben, die auch den extremen Bedingungen der Atacama-Wüste trotzen und Hinweise für die Suche nach Leben auf dem Mars bieten könnten

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Für die Sicherung der zivilen Raumfahrt und Weltraumforschung scheint das Thema, dass es irgendwo möglicherweise Leben geben könnte, zum unverzichtbaren Grundbestand zu gehören. Gefunden wurde noch kein extraterrestrisches Lebewesen, daher bewegt sich der Diskurs, mit dem Weltraumforschung (weiter) finanziert werden soll, im Möglichkeitsraum oder in einem Horizont der Versprechungen.

Oft stand so im Mittelpunkt, dass es auf dem Mars einmal flüssiges Wasser gegeben haben soll. Gerade haben Wissenschaftler berichtet, sie hätten mit der Kamera des Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) an mehreren Stellen auf dem Mars durch Erosion freigelegte Eisschichten entdeckt, die bis in eine Tiefe von 100 Metern reichen. Die Wissenschaftler sagen, das Eis sei hier leichter als an den Polen zugänglich und könne von Astronauten geholt und etwa als Trinkwasser genutzt werden. Etwa unter einem Drittel des Marsbodens könne es Eisschichten geben. Aber natürlich wurden auch wieder Stimmen laut, die angesichts der Entdeckung meinten, dass man hier eventuell auch Leben finden könnte.

Mit der Kamera des Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) entdeckte Eisspalten an einem steilen Abhang. Bild: NASA/JPL-Caltech/UA/USGS

Während die einen also auf Eis und Wasser setzen, finden andere Wissenschaftler in der chilenischen Atacama-Wüste gerade wegen ihrer extremen Trockenheit Ähnlichkeiten zu den Bedingungen für Leben auf dem Mars, also eine zum Mars analoge Umwelt. In der Atacama-Wüste kann es in manchen Gebieten jahrzehntelang nicht regnen, die durchschnittliche Niederschlagsmenge beträgt im Jahr 0,5 mm, also praktisch nichts.

Ein internationales Wissenschaftlerteam unter der Leitung des Astrophysikers Dirk Schulze-Makuch von der TU Berlin und der Washington State University habt im Rahmen des Atacama-Projekts untersucht, ob es in dieser hypertrockenen Wüste, die der Marsoberfläche am ähnlichsten komme, Leben geben kann. Unklar war bislang, ob gefundene Spuren von Bakterien von dort lebenden oder von Bakterien stammen, die durch den Wind über die Atmosphäre verbreitet werden.

Die Wissenschaftler wurden auch erstmals fündig, wie sie in ihrer Studie schreiben, die in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen ist. Leben ist dort zwar rar, aber sie entdeckten "episodische Vorkommnisse biologischer Aktivität" vornehmlich in Salzkrusten auf der Oberfläche. Selbst hypertrockene Gebiete sind also zumindest zeitweise von irdischem Leben bewohnbar, d.h. vor allem von Bakterien, weniger von Archaea (v.a. Halobakterien) oder Pilzen (Ascomycota und Basidiomycota). Das könne man auch auf andere Planeten übertragen.

Die Wüste scheint - manchmal - zu leben

Direkt beobachten konnte man das mikrobiologische Leben zwar nicht, aber dass es sich nicht nur um schlafende und tote Zellen handelt, leiten die Wissenschaftler aus vier Hinweisen ab: eine physikalisch-chemische Charakterisierung des von Leben besiedelbaren Bodens nach einem außergewöhnlichen Niederschlag, dem Fund von Biomolekülen, die auf mögliche aktive Zellen hindeuten, Messungen von Replikationsraten der Genome von nicht gezüchteten, aus Stichproben rekonstruierten Bakterien und Muster von Bakteriengemeinschaften, die für verschiedene Tiefen und Parameter des Bodens spezifisch sind.

Die Wissenschaftler nahmen 2015 kurz nach einem seltenen Niederschlag, wie es ihn schon vierzig Jahre nicht mehr gegeben hatte, Bodenproben und wiederholten diese 2016 und 2017. Nach metagenomischen DNA-Analysen fanden sie unterschiedlich vielfältige Bakteriengemeinschaften, abhängig von der Entfernung vom Meer und von der Bodentiefe.

Nach dem Niederschlag ereignete sich zunächst eine Art Explosion der mikrobiellen Vielfalt, die aber mit der Zeit geringer wurde. Nach ihren Analysen nehmen die Wissenschaftler an, dass die Bakterien, die sich vermutlich den Umweltbedingungen angepasst haben und bekannt sind, dass sie wie Rubrobacter und Geodermatophilacea extreme Trockenheit, hohe UV-Strahlung und hohen Salzanteil im Boden tolerieren, unter der Bodenoberfläche in Form von Endosporen "überwintern", um bei den seltenen Niederschlägen zu erwachen.

Klar ist jedoch, dass die Mikrobengemeinschaften, die nach dem seltenen Niederschlag beobachtet wurden, vorübergehend waren und mit zunehmender Trockenheit stark abnahmen. In den tieferen Bodenschichten blieben sie jedoch bestehen, was darauf schließen lässt, dass dort etwas mehr Wasser auf Mineralien oder durch chemische Prozesse vorhanden sein könnte.

Letztlich sagen die Wissenschaftler, dass Bakterien auch an dem Ort mit dem geringsten Niederschlag auf der Erde zumindest zeitweise auftreten können. Die Ergebnisse könnten auch als Arbeitsmodell für den Mars verwendet werden, wo die Bedingungen noch härter, da kälter und trockner sind: "Wenn es jemals Leben auf dem Mars gegeben hat, dann legen die hier präsentierten Ergebnisse nahe, dass es den Übergang von der frühen aquatischen Phase durch zunehmende Trockenheitszyklen überdauert und vielleicht eine Nische unter der Oberfläche der gegenwärtig hypertrockenen Oberfläche gefunden hat."

Leben auf dem Mars?

Das sind Vermutungen, die die Forschung auch insofern interessant machen sollen, damit sie weiter gefördert wird. Die neuerdings entdeckten, vermutlich weitflächigen Eisschichten auf dem Mars machen das Vorhandensein von mikrobiellen Leben auf dem Mars wahrscheinlicher, wobei aber die Atacama-Wüste eben nicht unbedingt ein Mars-Modell darstellt. Für Schulze-Makuch jedenfalls wurde erstmals bewiesen, dass Leben in der Atacama-Wüste überdauern kann: "Wir glauben, dass diese mikrobiellen Gemeinschaften für Hunderte oder selbst Tausende von Jahren unter Bedingungen schlafen können, die denen sehr ähnlich sind, wie man sie auf einem Planeten wie dem Mars findet, und wieder zum Leben erwachen, wenn es regnet."

Geht man davon aus, so Schulze-Makuch, dass es auch auf dem Mars flüssiges Wasser und Meere gegeben hat, dann hätte sich hier auch Leben ansiedeln können. Während der rote Planet trockener wurde, könnten sich Bakterien oder andere Mikroorganismen den harten Bedingungen angepasst haben, wie das auch in der Atacama-Wüste der Fall ist. Allerdings wären die Zeitdimensionen verschieden. In der Wüste auf der Erde müssen die Mikroorganismen Jahrzehnte überstehen, bis es für kurze Zeit mal wieder feuchter wird, auf dem Mars ist es Milliarden von Jahren her, dass es größere Mengen flüssigen Wassers gegeben hat. Schulze-Makuch verweist jedoch auf die Eisschichten und die Vermutung, dass es auch manchmal schneien oder andere Feuchtigkeit gegeben haben könne. Daher könnten Mikroorganismen unter der Oberfläche überlebt haben.

Erst einmal geht Schulze-Makuch mit seinem Team im März in die Atacama-Wüste zurück, um näher zu untersuchen, wie sich die Mikroorganismen an die Bedingungen angepasst haben. Er würde auch gerne zum Don Juan Pond in der Antarktis reisen, um zu sehen, ob in diesem kleinen See, der wegen seines großen Salzgehalts selbst bei Temperaturen von - 50 Grad Celsius nicht gefriert, auch Mikroorganismen zu finden sind. Letztlich wollen die Wissenschaftler Pioniere sein. Es gebe nur noch wenige Plätze auf der Welt, an denen noch nicht nach neuen Lebensformen gesucht wurde, die auch unter Marsbedingungen überleben könnten. Die Erforschung dieser irdischen Überlebenskünstler könnte dann Hinweise geben, nach was man auf dem Marsboden suchen müsste, um eventuell extraterrestrisches Leben zu finden.

Denkbar wäre freilich auch, dass die Sonden und Rover den Marsboden bereits mit irdischen Extremophilen geimpft haben. So wurden auf Curiosity nach der Reinigung und vor dem Start weiterhin 67 verschiedene Bakterienarten entdeckt. Viele Kulturen überlebten die Aussetzung an ultravioletter Strahlung, Austrocknung, hohem Salzgehalt und großer Kälte im Labor. Möglicherweise haben solche Bakterien den Flug zum Mars überlebt und haben sich dort auch ansiedeln können. Bevor nicht ein Rover wieder auf die Erde zurückgebracht wird, lässt sich das aber nicht sagen.