Katalonien: Hunderttausende Menschen standen topfschlagend auf ihren Balkonen

Seite 2: Die Lage in Katalonien spitzt sich weiter zu

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Auch immer mehr Menschen in Spanien, die gegen die Unabhängigkeit sind, sprechen von einem Skandal. So nahm Barcelonas Bürgermeisterin Barcelonas Ada Colau auch an einem Proteststreik teil. Sie sprach von einem "schwarzen Tag für die Demokratie" und von "beispiellosen Vorgängen" seit dem Ende der Franco-Diktatur. Wie sie spricht auch die linke Podemos-Partei nun davon, dass es in Spanien wieder "politische Gefangene" gibt. Man habe es mit einer Attacke auch auf das "Fundament der spanischen Demokratie" zu tun, erklärte Colau. Sie fordert eine "breite Front" für die Freiheit der Gefangenen und um den 155 zu stoppen. Sie sieht dahinter einen "Rachegedanken" mit dem Vorsatz, die "katalanischen Institutionen und ihre legitimen Repräsentanten zu erniedrigen", schließlich seien Puigdemont und seine Regierung "legitim über die Urnen bestimmt" worden.

Am Freitag hat der Nationale Gerichtshof die Anträge der Verteidigung auf Haftverschonung für den ANC-Chef Jordi Sànchez und dem Òmnium-Präsidenten Jordi Cuixart abgelehnt, die von Lamela sogar nur wegen angeblichem "Aufruhr" angeklagt wurden. Das Gericht war sich nicht einig, ein Richter wollte die beiden freilassen, denn er sah keine Fluchtgefahr, da auch die beiden "Jordis" freiwillig vor Gericht erschienen sind.

Der katalanische Gewerkschaftsverband CSC hat nun einen Generalstreik für den 8. November angesetzt. Wie am 3. Oktober, nach dem brutalen Vorgehen gegen die Teilnehmer am Referendum, soll nun erneut das Land gegen die anhaltende Repression aus Spanien lahmgelegt und gleichzeitig gegen die spanischen Arbeitsgesetze gestreikt werden, die die Arbeitnehmer in den letzten Jahren weitgehend rechtlos gestellt haben.

Offiziell erklärt der CSC den Aufruf nicht mit der Repression, sondern spricht davon, dass "Gründe für einen Generalstreik nicht fehlen". Der CSC-Sprecher Carles Sastre stellt aber soziale Fragen in den Vordergrund. Es sei eine "Antwort auf die aufgezwungene Entrechtung über diverse Arbeitsmarktreformen". Sowohl die Sozialdemokraten (PSOE) als auch die PP-Regierung von Rajoy haben Rechte der Beschäftigten geschleift und den Kündigungsschutz praktisch beseitigt sowie Abfindungen beschnitten.

Da sich die beiden großen zivilgesellschaftlichen Organisationen ANC und Òmnium angeschlossen haben, ist aber klar, dass der politische Kontext in Katalonien der Hintergrund für den neuen Generalstreik ist. Über die Frage der prekären Arbeitsbedingungen soll aber den beiden großen spanischen Gewerkschaften der Weg für eine Beteiligung geebnet werden. Der Generalstreik war auf den Demonstrationen nach der Inhaftierung der Regierungsmitglieder gefordert worden.

Die Befürchtung von Telepolis war richtig, dass man in Spanien über Parteiverbote bei den Zwangswahlen am 21. Dezember eine Mehrheit für die Unionisten herbeiführen will, wie man das schon aus dem Baskenland kennt. So hat wenig überraschend das Ministerium für Staatsanwaltschaft den ersten Vorstoß schon unternommen. Nun soll es schon zu einem Verbot der linksradikalen CUP reichen - als "Antrag auf Auflösung" getarnt -, dass deren Akte "illegal und verfassungswidrig" seien. Mit dieser Begründung kann man alle katalanischen Parteien verbieten, die für die Unabhängigkeit eintreten, da dies ja verfassungswidrig sein soll. Damit kann man, da man die ausschließt, die nun die Mehrheit haben, eine Mehrheit bekommen, so wie es einst auch die NSDAP in Deutschland ähnlich gemacht hat.

Das ist, ganz abgesehen davon, dass die katalanischen Parteien von Repression und Verfolgung betroffen sind, keine Voraussetzung,um freie und faire Wahlen am 21. Dezember durchzuführen. Puigdemont hat sich aus Brüssel derweil schon mal als Kandidat aufgestellt. Im wallonischen Fernsehen gab er dies per Interview bekannt. Er wolle auch mit einer "wahren Justiz" wie der in Belgien zusammenzuarbeiten. Er forderte "so normale Bedingungen wie möglich" und setzte sich erneut für eine gemeinsame Kandidatur aller ein, die für die Unabhängigkeit eintreten. Dass die Wahlen aber fair sein werden, bezweifelt er: "Mit einer Regierung im Gefängnis können die Wahlen weder neutral, noch unabhängig oder normal sein." Man habe keinerlei Delikt begangen, sondern den Willen der Bevölkerung umgesetzt, für den man gewählt worden sei.