Kavanaugh-Anhörung: Showdown im Senat

Seite 2: Ein Apparatschik fürs den Supreme Court

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Will man Demokraten zum Ausrasten bringen, dann ist Kavanaugh tatsächlich genau der richtige - und vermutlich wurde er auch deshalb zum Kandidaten für den vakanten Posten des Obersten Gerichtshof auserkoren. Der scheinbar biedere Jurist Kavanaugh überhäufte Bill Clinton in dessen Impeachment-Prozess mit unerhört fantasievollen, sexuell-expliziten Fragen, die damals eine moralische Aufregung herbeirufen sollten, für deren Aufarbeitung Philipp Roth ein ganzes Buch (Der menschliche Makel) brauchte und die heute im Trump-Zeitalter wie Pfadfinder-Witze am Lagerfeuer klingen.

Seine Bereitschaft, für parteipolitische Interessen über alle Grenzen zu gehen, hatte Kavanaugh damit sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Unter George W. Bush half er vermutlich mit, die Folter zu einem Mittel der Politik zu machen. Im Jahr 2016 allerdings bestritt er dies während seiner Anhörung für das Amt am Appellationsgericht vehement. Die Demokraten halten dies für eine glatte Lüge. Emails der Bush-Administration, die dies belegen könnten, werden aber von den Republikanern unter Verschluss gehalten.

Brett Kavanaughs Bereitschaft, als Parteisoldat zu agieren, bewies er zudem damit, dass er weiterhin Verschwörungstheorien zum Selbstmord von Vince Foster, dem Mitarbeiter von Hillary Clinton, verbreitet, obgleich fünf Ermittlungen keinen Hinweis auf einen Mord Fosters finden konnten. In seinen Urteilen hat Kavanaugh als Richter fast immer gegen die Ausweitung der Gesundheitsversorgung gestimmt und meist zugunsten von Unternehmen entschieden. Die Liste ließ sich noch lange fortsetzen.

Es dürfte leicht erkennbar sein, wie wenig Kavanaugh für das Amt eines obersten Richters geeignet ist, allein, weil er die demokratische Seite rasend macht und das Land polarisiert. Dem nicht genug. Etwas macht ihn zum idealen Kandidaten für den in rechtlichen Schwierigkeiten steckenden Donald Trump: Kavanaugh vertritt die Mindermeinung, dass ein Präsident nur nach Ende seiner Amtszeit strafrechtlich belangt und - solange im Amt - nicht einmal befragt werden dürfte. Wer an dieser Stelle die Nachtigall nicht trapsen hört, hält seine Ohren fest verschlossen.

Selbstverständlich hat Kavanaugh seine Haltung hier seit der Befragung von Bill Clinton korrigieren müssen. Er behauptet, dies sei durch die traumatischen Erfahrungen des 11.September geschehen und all seine Äußerungen zu diesem Thema seien lediglich Vorschläge, das Amt des Präsidenten zu stärken, damit dieser freie Hand habe zu seinem Kampf gegen den Terror.

Dies muss Kavanaugh so ausdrücken, da er weiß, dass seine Aussagen in gewissem Widerspruch zur Verfassung stehen. Als Richter am Supreme Court wäre er in der Lage, deren Interpretation zu ändern. Hier verläuft die Grenze zwischen den Befürchtungen der Demokraten und dem Abwiegeln der Republikaner. Letztere sagen, Kavanaugh sei ein solider Jurist, der sich schon an die Verfassung halten werde, während erstere sorgenvoll entgegnen: "Gut, aber warum dann ausgerechnet diesen Kandidaten zum jetzigen Zeitpunkt?" Diese Frage lassen die Republikaner unbeantwortet. Ein lächerliches Spiel entstand im Senat, bei dem die eine Seite immer dicker aufträgt und die andere Seite immer absurder abwiegelt.

Pasta mit Ketchup

Die Senatsanhörungen verliefen chaotisch, weil zahlreiche, vor allem weibliche Aktivisten die Sitzung mit lauten Protesten störten. Was sie an Kavanaugh stört, sind dessen undurchsichtigen Aussagen zum Grundsatzurteil "Roe v. Wade". Es garantiert aufgrund des Persönlichkeitsrechts der Schwangeren die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch.

Dieses Recht wieder in Frage zu stellen, ist eines der Hauptziele gewisser konservativer Kreise in den USA. Deswegen ist Trumps Beliebtheit selbst unter Evangelikalen ungebrochen und man lässt ihm alle seine "Frauengeschichten" durchgehen, wenn er es doch nur schafft, eine konservative Mehrheit am Obersten Gericht durchzusetzen, die endlich den "Kindermord" beenden würde. Die Aktivistinnen hingegen befürchten, wenn Brett Kavanaugh es in das Oberste Gericht schafft, dann werden wieder "creepy old men" über die Körper der Frauen entscheiden.

Was als harmonisches Schaulaufen eines Kandidaten mit sicherer Mehrheit von den Republikanern geplant war, wurde somit zu einer nicht enden wollenden Reihe von Schreiduellen. Die Republikaner versuchten, den Druck aus der Sitzung zu nehmen, indem sie betont weiche Fragen stellten, die am Ende ein wenig surreal erschienen. Der texanische Senator Ted Cruz wollte wissen, ob es denn stimme, dass Kavanaugh gerne Pasta mit Ketchup esse.

Alles schien auf ein Patt hinauszulaufen, bei der keine Seite Senatoren aus dem anderen Lager überzeugen konnte. Das taktische Geplänkel wäre irgendwann versandet und die Republikaner hätten aufgrund ihrer Mehrheit ihren Kandidaten durchbringen können. Dann aber tauchten plötzlich die Vorwürfe sexueller Belästigung gegen Kavanaugh auf und eine weitere Anhörung musste anberaumt werden.