Kavanaugh-Anhörung: Showdown im Senat

Seite 3: Das Lachen der Täter

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Im Jahr 1982 sei die damals 15jährige Dr. Christine Blasey Ford von Brett Kavanaugh und dessen Freund zu Bode gedrückt worden. Kavanaugh habe versucht, ihre Kleider abzustreifen und ihre Hilfeschreie unterdrückt, indem er ihr die Hand auf den Mund gepresst habe. Das Lachen der Gewalttäter, die sich an der Not des Mädchens ergötzten, habe sie nie vergessen.

Die heutige Psychologieprofessorin erkennt sich als seitdem traumatisiert. Lange habe sie über den sexuellen Gewaltakt nicht reden können. Ein typisches Phänomen. Zu groß ist die Scham und die Angst davor, dass einem nicht Glauben geschenkt wird. Die MeToo-Bewegung in den USA half dabei, diese Beklemmung aufzubrechen, die unzähligen Tätern und Täterinnen Straffreiheit ermöglichte und erlaubte, weiterhin ungehindert ein Regime der Unterdrückung durch sexualisierte Gewalt aufrechtzuerhalten.

Viele, insbesondere Frauen haben davon genug, für sie ist Blasey Ford eine Heldin, die es geschafft hat, dem ungeheuren Druck der Senatsanhörung standzuhalten und erneut ihre Geschichte zu erzählen, die immer mit dem Preis einer Retraumatisierung einhergeht. Der Versuch der Republikaner, Ford mittels Fragen einer Ermittlerin in Sexualstrafdelikten als unglaubwürdig erscheinen zu lassen, hat hierbei die Situation sicherlich erschwert. Dabei forderte Ford selbst eine Ermittlung durch das FBI, damit ihre Aussagen und diejenigen anderen Zeugen und Zeuginnen zuvor sorgfältig hätten ausgeforscht werden können. Die Republikaner verhinderten dies, wohl weil die Zwischenwahlen am 6.11. bereits zu nah sind.

Blasey Ford ermöglichte diese Zwangslage zumindest mit dem Satz ihre Aussagen zu beginnen, sie sei gekommen, um ihre Geschichte zu erzählen, obwohl sie dies nicht wolle. Sie müsse es aber aus einem Gefühl staatsbürgerlicher Pflicht heraus tun. Bei so viel Stärke und Authentizität konnte man das Zähneknirschen der Republikaner hören. Die Konservativen wussten, dass sie weder wie alte Männer wirken durften, die einen Hexenprozess organisieren, noch durften sie als Schwächlinge in den Augen der rechten Hardliner erscheinen. Ein unlösbarer taktischer Widerspruch.

Wie anders der Auftritt Brett Kavanaugh. Drohungen, Ausflüchte und eine Nervosität, die ihn zwischen wütendem Geschrei und verzagtem Weinen pendeln ließ. Dieses Verhalten Kavanaughs allein kann niemals Grundlage der Beurteilung eines Menschen sein. Es ist durchaus denkbar, dass sich jemand wie ein Lügner aus dem Bilderbuch aufführt und dennoch die Wahrheit sagt. Wahrscheinlich ist dies allerdings nicht.

Der Kontrast zur Zeugenaussage von Blaisey Ford, könnte größer nicht sein. Bei aller seelischen Anspannung lauschte sie sorgfältig auf die Fragen der Republikaner, während Brett Kavanaugh hingegen auf keine Fragen einging, sondern durch den Saal schrie, dies sei alles eine Verschwörung der Clintons. Es gibt vermutlich nur einen Menschen auf Erden, der ihm dies glaubt und der dies gerne hören will - und der sitzt im Weißen Haus.

Taktische Sackgassen

Wie verzweifelt die Republikaner waren, zeigte sich in ihrem unbeholfenen Chargieren. Vielleicht ärgerten sie sich jetzt über den taktischen Missgriff, mit einem Team nur aus älteren Männern anzutreten. Sie versuchten es zunächst mit dem leicht als unsachlich zu entlarvenden "Haltet-den-Dieb-Trick" und warfen den Demokraten vor, es ginge diesen nur um Macht. Damit warfen sie der anderen Seite genau das vor, was sie nachweislich selbst getan hatten.

Die Verzögerung der Nominierung bis zu den Midterm-Wahlen ist sicherlich ein Motiv der Demokraten. Nur hatten die Republikaner selbst den letzten Höchstrichter Kandidaten Barak Obamas Merrick B. Garland 14 Monate lang bis zum Ende von Obamas Amtszeit aufgehalten und ihn damit verhindert.

Weil die Republikaner aber spürten, dass sie bei diesem taktischen Argument zweifelsfrei als gefühllos gegenüber dem Leid des Opfers erschienen, versuchten sie sich mit dem bizarren Argument zu retten, sie würden Frau Dr. Ford zwar glauben, aber es sei vielleicht ein Doppelgänger Kavanaughs gewesen. Dies könne sie doch nach 25 Jahren nicht mehr genau wissen. Zu 100% sei sie sicher, gab Ford zur Antwort und unterfütterte dies als promovierte Psychologin auch noch mit dem wissenschaftlichen Argument, das belegt, dass traumatische Erinnerungen besonders gut konserviert werden.

Wo es an Argumenten gebricht, hilft meist nur mehr Emphase. Der republikanische Senator Lindsey Graham drehte die Lautstärke bis zum Anschlag auf und meinte, er habe in seiner ganzen Karriere noch nie etwas so Entsetzliches erlebt. Hatte die Anhörung während der Anwesenheit von Blasey Ford noch Züge einer Therapiesitzung, entwickelte sie sich mit Kavanaugh zum Vorspiel einer Wirtshausprügelei.

Ein guter Mensch (Kavanaugh) müsse durch die Hölle gehen und damit würde die Möglichkeit für gute Menschen, ein solches Amt anzustreben, verbaut werden, diagnostizierte Graham. Und was habe man der Familie dieses Mannes angetan, indem man ihn darstelle wie einen schäbigen Verbrecher vom Schlage eines Bill Cosby? Das Beispiel Grahams war ein bemerkenswerter Missgriff, schließlich galt Cosby bis zur Aufdeckung seiner Vergewaltigungen als "American Dad" und war eine der angesehensten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in den USA. Die Diskrepanz zwischen äußerem Ansehen und tatsächlichem Tun ist eben genau das, was aktuell dem Biedermann Kavanaugh vorgeworfen wird.

Längst gibt es neben den Vorwürfen Fords noch zwei weitere gegen Kavanaugh. Eine Anklägerin befindet sich in der anwaltlichen Vertretung durch Michael Avenatti, der auch Stormy Daniels vertritt. Senator Lindsey Graham meinte nun, allein die Nennung dieser Namen würde zur Entkräftung der Vorwürfe ausreichen. Keine Frage, der Pornostar Daniels und der ehemalige Autorennfahrer Avenatti sind oder wirken zumindest wie Personen der Halbwelt. Auch sind die Vorwürfe von Avenattis Klientin mehr als eine Eskalationsstufe über denen von Ford, weil sie behauptet, sie habe Kavanaugh bei sogenannten "Gang-" oder "Train-Bangs" gesehen, bei denen betäubte Frauen Sex mit mehreren Männern hintereinander haben.

Nur, die Vorwürfe, die Daniels und Avanatti gegen den Präsidenten Donald Trump vorgebracht haben, sind bislang allesamt bestätigt worden. Heut zweifelt kaum jemand in Washington mehr daran, dass Donald Trump Sex mit dem Pornostar Daniels hatte und für die Vertuschung Geld zahlen ließ.