Keine X-beliebige Spielekonsole

Nintendos GameCube debütiert morgen

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Sie hat die Form eines Würfels, ist wahlweise lila oder schwarz und Garant für Mario, Zelda und Co. Im Inneren arbeitet ein 485 MHz Risc-Prozessor und ein ATI "Flipper" Grafikkern. In einem rein technischen Abriss bleibt der GameCube hinter Microsofts XBox Verlierer, beim Design Sieger, aber Spielekonsolen wetteifern auf einer anderen Ebene. Jedenfalls geht auch in Europa am 3. Mai der Kampf zwischen Sony, Microsoft und Nintendo mit dem Erscheinen des GameCube in die wirklich entscheidende Phase (vgl. Konsolen-Triumvirat: PS2, Gamecube und X-Box).

Die bisherigen Verkäufe zeigen, dass Microsoft seine technische Überlegenheit wenig hilft, richtet sich das Hauptaugenmerk der Spieler eben nicht auf den Prozessor, sondern auf die Spiele, die sie erwarten können. Der Preis spielt sicher auch keine unbedeutende Rolle (vgl. Preiskampf der Konsolen). Nintendo setzte diesen kurz vor dem Start noch um 50,- Euro runter und durchbricht mit 199,- Euro die Zweihundertergrenze nach unten . Offiziell hat das nichts mit Microsofts panischer Preissenkung auf die 299,- Euro Marke zu tun. Nintendos offizielles Statement:

Nintendo definiert sich nicht durch den Preis seiner Hardware, sondern durch die Qualität seiner Spiele. Die Preisreduzierung von X-Box kommt nicht unerwartet nach den schlechten Absätzen von X-Box. Jedoch sieht Nintendo hierin keine Gefahr für den Start von GameCube. Ungeachtet des Preises stehen die Spieleinhalte im Vordergrund der Konsumentenentscheidung und hier hat sich an der Situation am Markt nichts geändert.

Ungeachtet dessen, dass der Preisdruck von oben Nintendos Entscheidung wohl doch beeinflusst haben mag, ist die Aussage um die Spieleinhalte nicht von der Hand zu weisen. Das große Zauberwort dabei ist "exklusiv", denn ob Tony Hawk nun ein wenig detaillierter gerendert ist, fällt weit weniger ins Gewicht als ob mit "Pikmin" nächsten Monat ein potenzielles "Muss-ich-haben"-Spiel eben nur für Nintendos Konsole erscheint.

Pikmin beweist, dass Strategie und Konsole zusammen passen

In Bezug auf herausragende Spiele profitiert Nintendo durchaus vom Abtreten des einstigen Konkurrenten Sega aus der Konsolenszene. Segas Dreamcast (für Nostalgiker: vgl. Dreamcast) hat seine Fangemeinde vor allem innovativen Exklusivtiteln wie Shenmue oder für den deutschen Markt zu abgedrehten Ideen wie dem virtuelle Fischmensch "Seaman" zu verdanken. DIE klassische Sega-Figur schlechthin, Sonic the Hedgehog, läuft auch bereits zum Start in altgewohnter Hochgeschindigkeit auf dem GameCube. So ganz exklusiv läuft der Igel zwar nicht, schließlich ist "Sonic Adventures 2 Battle" lediglich eine Umsetzung von "Sonic Adventures 2" für die Dreamcast, aber Sony und Microsoft meidet Sonic nach wie vor.

Dass Sonic auf einer Nintendo-Konsole läuft, hätten sich Sega-Fans vor einem Jahr nicht träumen lassen.

Sonic ist jedoch die Ausnahme, andere Titel bringt Sega auch für PS2 und XBox. Die Bindung an nur eine Konsole wäre für einen Spielehersteller, zu dem Sega nach dem Abgang der Dreamcast degradiert ist, wirtschaftlich riskant. Zudem spielt die alte Rivalität sicher auch eine Rolle. (vgl. Mit der Fliegenklatsche gegen Nintendo). Eigentlich kann Nintendo Microsoft dankbar sein, denn neben dem allseits unbeliebten Riesen aus USA werden die Sympathien wohl eher in Richtung der Japaner ausschlagen.

Im Endeffekt entscheidet aber was und wie es sich am besten spielen lässt. Die ersten Erfahrungen mit Nintendos Würfel sind äußerst vielversprechend. Der GameCube ist eine waschechte und reine Spielekonsole: kompakt, ohne lauten Lüfter und für die Spiele gilt: einlegen, anschalten, loslegen - Anleitungen sind für PC-Spieler, die meisten Konsolentitel erklären die Steuerung beim Einstieg. Halt, da wäre noch ein Haken, den lediglich die XBox dank Festplatte umgeht: Vor das Speichern hat Nintendo die MemoryCard gesetzt. Für die Karte mit 4 Megabit (nicht wie gerne im Kaufhaus angegeben -byte) mit 59 Speicherplätzen von Nintendo sind noch einmal 20 Euro fällig. Dritthersteller bieten Karten mit höherer Kapazität an - es gibt durchaus Spiele die 15 bis über 40 Speicherplätze beanspruchen.

Sechzehnfache Kapazität zum anderthalbfachen Preis: Die 16x Speicherkarte von Bigben Interactive hat über 1000 Speicherplätze.

Ein Controller liegt dem GameCube bei, bis zu vier kann der Spieler anschließen und dabei aus einer breiten Palette an Steuergeräten wählen, darunter eine Fußballmatte mit Sensoren und ein GBA-Link-Kabel zum Anschluss eines Game Boy Advanced. Letzteres dient weniger dem Steuern als viel mehr dem Austausch von Daten. So gibt es in Segas "Sonic Adventure 2: Battle" kleine Kreaturen namens Chaos, die der (wohl eher jüngere) Spieler sowohl auf dem GameCube als auch auf dem Sonic GBA-Spiel aufzieht und via Link-Kabel zwischen beiden Geräten transportiert. (Sagte jemand Pokémon?)

Sensoren erfassen die Schussbewegung: Thrustmasters "Football Stadium"

Ein Composite-Kabel (3 Cinch-Stecker für 1x Video und 2x Audio) sowie ein passender SCART-Stecker zum Anschluss an den Fernseher gehören zur Grundausstattung. Für den vollen Tongenuss darf der Sound also über die Stereoanlage laufen. Einen digitalen Audio-Ausgang sucht man vergeblich, einige Spiele bieten jedoch Dolby Surround-Ton. Die PAL-Version verzichtet im Gegensatz zur US-Version auf einen S-Video-Ausgang. 60Hz kann der europäische GameCube prinzipiell: Voraussetzung dafür ist - neben dem ebenfalls separat zu kaufenden RGB-Kabel - die Unterstützung durch die jeweiligen Spiele.

Für unterwegs: Spielen statt Excel. Das TFT-Display von Logic3 kostet 149,- Euro.

Entwickler bemängelten am Nintendo 64 vor allem die umständliche Entwicklung und die geringe Kapazität der Einsteckmodule. Auch wenn der GameCube im Gegensatz zu Playstation 2 und XBox auf DVD verzichtet, haben die 8 cm kleinen Discs immerhin gut die doppelte Kapazität einer CD, also auch für aufwendigere Titel viel Platz. Und was die Entwicklungswerkzeuge angeht: Der GameCube basiert auf der PowerPC-Architektur, einer Standardplattform, für die zahlreiche Werkzeuge bereits seit Jahren existieren.

Zum Start morgen stehen knapp zwanzig Spiele im Regal - Kostenfaktor jeweils zwischen 50,- und 60,- Euro. Dabei sind neben Nintendo quasi alle großen Publisher der Spielebranche vertreten: Acclaim, Activsion, Electronic Arts, Infogrames, Konami, THQ, Ubi Soft. Ein Testbericht über die ersten Titel folgt Ende des Monats in Telepolis. Ein kurzer Blick auf ein paar Titel soll jetzt schon mal zeigen, was den Spieler auf dem GameCube erwartet.

Zunächst einmal ist einer nicht dabei: Mario, der klassische Held des ersten Tages für Nintendos Konsolen, muss sich mit einer kleinen Nebenrolle begnügnen: In "Luigi's Mansion" spielt sein Bruder Luigi die Hauptrolle. Das Spiel ist eher ein Action-Adventure als Jump-and-Run á la Mario. Nintendo hat der europäische Version eine versteckte Villa spendiert, die nach dem ersten Durchspielen freigeschaltet wird und deutlich schwerer und zudem spiegelverkehrt ist. Ebenfalls zum Start bringt Nintendo mit "Wave Race - Blue Storm" die GameCube-Umsetzung des Jet-Ski-Rennens, das es bereits für Nintendo 64 gab.

Luigi als Ghostbuster: Mit dem Staubsauger auf Geisterjagd und schließlich gegen Marios Nemesis Bowser.

Einer der grafischen Vorzeigetitel kommt von Electronic Arts: Rogue Leader versetzt den Spieler in die Rolle des Piloten eines X- oder Y-Wing oder Millenium Falcon im Star Wars Universum. Die Missionen besuchen bekannte Schauplätze wie den Todesstern oder den Eisplaneten.

Möge die (Markt)-Macht ...

Wie Star Wars erleben auch die Comic-Helden in Kino und auf Konsolen derzeit eine Renaissance. Zum Start schickt Ubi Soft den Mann im Fledermauskostüm in "Batman Vengeance" zum Kampf gegen Joker, Poison Ivy und Co. Activision zieht Ende Mai mit "Spiderman: The Movie" mit dem Spinnenmann nach.

Superhelden unter sich

Auf das jüngere Publikum zielt Ubi Soft mit den Disney Titeln "Donald Duck: Quack Attack" und "Tarzan Freeride". Donald hatte seinen Auftritt bereits vor einem Jahr auf Playstation, Dreamcast und PC. Die GameCube Version hat komplett neu gestaltete Levels, die einfacher sind als das Original.

Kinderspiel?

Passend zur Weltmeisterschaft kommen mit "International Superstar Soccer 2" von Konami und "Fifa Fußball-Weltmeistershaft 2002" gleich zwei Fußballspiele auf Nintendos Konsole.

"ISS2" und "Fifa WM" nutzen die Gunst der Stunde

Was die Rennspiele angeht, legt sich Acclaim stark ins Zeug und bringt mit Burnout und Extreme G3 gleich zwei rasante Titel im wahrsten Sinne des Wortes ins Rennen.

Keine Haftung für Blechschäden: "Burnout"

Acclaim bringt zudem mit "Crazy Taxi" einen klassichen Fun-Racer von Sega für den GameCube, der gleich prominente Konkurrenz von Electronic Arts bekommt: "Simpson's Road Rage"

Würden Sie wirklich zu einem dieser Taxifahrer ins Auto steigen?

Activisions Skateboard-Klassiker "Tony Hawk" geht passend zum Start des GameCube in die dritte Runde. THQ bringt ein weniger auf Tricks als mehr auf Missionen ausgelegtes Snowboarding Spiel mit dem Namen "Dark Summit" heraus.

Dark Summit - weniger Tricks, mehr Aufgaben

Außer dem bereits erwähnten "Sonic Adventure 2: Battle" schickt Sega mit Publisher Infogrames noch "Super Monkey Ball", eine interessante Mischung aus Denk- und Actionspiel ins Rennen. Potenzielle Knüller folgen von Nintendo selbst: Ende Mai können in "Super Smash Bros Melee" lassen sich Generationskämpfe als Donkey Kong gegen Pikachu austragen und schließlich folgt im Juni mit Pikmin ein einzigartiges Strategiespiel.

Damit sind fast alle Spielesparten, die auf einer Konsole Spaß machen, abgedeckt. Dass Fehlen eines Ego-Shooters ist durch den aktuellen Bezug für Nintendo eher von Vorteil. Lediglich Rollenspiel-Fans müssen sich noch gedulden. Eine gute Nachricht kam bereits im März: Final Fantasy wird nach langer Nintendo-Abstinenz vermutlich Anfang 2003 auf dem GameCube sein Comeback feiern.

Wenn nächste Woche in den Supermärkten XBox, PS2 und der GameCube um die Gunst der Käufer buhlen, hat das zumindest für alle drei einen positiven Nebeneffekt, von dem auch Coca und Pepsi profitieren: So wie diese jeweils den Verkauf ihrer Cola durch ihren Marktkampf verstärkten, weil jeder sich nur noch fragte, welcher Koffeinlimonade er den Vorzug gibt - und nicht mehr, ob es doch Apfelschorle sein durfte, so scheint momentan eine Spielekonsole ein Muss zu sein, erscheint doch in fast jeder Werbepause momentan entweder der Würfel oder das X. Auch wenn er anders gemeint ist: Zyniker könnten Sony zum Werbe-Solgan "Third Place" unterstellen, dass sie den ersten und zweiten Platz bereits aufgegeben haben.