Killersatelliten, Laserwaffen und fliegende Roboter
Vor einem neuen Wettrüsten im Weltraum warnt das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag
In einem Bericht für den Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung des Bundestages, der demnächst der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, kommt das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) zu dem Ergebnis, dass demnächst neue Waffensysteme entwickelt werden könnten, die - auf der Erde oder im All stationiert - zu einer ganz neuen Art von Kriegen führen könnten: Kriege, in denen von der Erde oder dem All aus Satellitensysteme bekämpft werden oder in denen "transatmosphärische Flugzeuge" in der Luft wie im Weltraum kämpfen und auch Ziele auf der Erde angreifen können.
Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung hat in seiner Studie einen Wandel in der militärischen Nutzung des Weltraums festgestellt. Bisher sei es den Militärs darum gegangen, Satellitensysteme zur Aufklärung, Frühwarnung, Kommunikation und Führung zu nutzen, so Thomas Petermann, der an der Erstellung der Studie beteiligt war. "Jetzt gibt es Anzeichen dafür, dass es um Waffensysteme geht", so der Wissenschaftler gegenüber "Telepolis". Diese neuen Waffensysteme, die allerdings noch im Stadium von Forschung und Entwicklung seien, charakterisiert Petermann als "offensiv und aggressiv". Als Beispiele nennt er sogenannte Killersatelliten, Laserwaffen und fliegende Roboter, mit denen Satelliten zerstört werden können.
Schon jetzt sind Kriege ohne Unterstützung aus dem All gar nicht mehr denkbar, wie das Büro für Technikfolgen-Abschätzung schreibt:
"Wie u.a. die Erfahrungen aus dem Golfkrieg, dem Krieg im Kosovo und der Militäreinsatz in Afghanistan gezeigt haben, können regionale und insbesondere globale militärische Operationen nur im Zusammenhang mit Aufklärungs- und Frühwarnsystemen betrieben werden, die weltraumgestützt sind."
Wenn Satelliten kriegsentscheidend sind, werden sie natürlich selber zu Kriegszielen. Die USA und Russland verfügen längst über die Fähigkeit, Satelliten zu stören oder sogar zu zerstören, China arbeitet daran. Nach Angaben des Militärfachblattes "Europäische Sicherheit" gab es 1999 rund 600 Satelliten im All, von denen allerdings nur rund 250 für kommerzielle Zwecke genutzt werden. Die übrigen dienen wissenschaftlichen oder eben militärischen Zwecken.
Vorangetrieben wird die Aufrüstung im All, wenig überraschend, von den USA, die den höchsten Rüstungshaushalt haben und auch technologisch weit vorne liegen. Thomas Petermann weist zwar darauf hin, dass über Rüstungsprojekte in Russland und China weniger bekannt sei, aber dort seien die Projekte auf jeden Fall kleiner. "Die Treiber dieser Entwicklung sind die USA", so Petermann.
Die USA rechtfertigen ihre Weltraumrüstung mit einem möglichen "Space Pearl Harbour", vor dem die "Space Commission" der Regierung in ihrem Abschlussbericht 2001 gewarnt hatte (Pearl Harbor im Weltraum). Demnach würden feindliche Länder versuchen Fähigkeiten aufzubauen, mit denen sie US-Satelliten stören oder zerstören können, so dass den USA ein Pearl Harbour im Weltall drohe, wenn nicht gerüstet werde (Von der US-Freiheit im Weltraum).
Doch die Weltraumrüstung dient nicht nur dem Schutz von Satelliten, sondern nach wie vor auch der Kriegsführung auf der Erde. Der US-Vorsprung in der Weltraumrüstung ist so groß, dass Militärs wie General Lance W. Lord vom "Air Force Space Command" sogar von einem "asymmetrischen Vorteil" sprechen, den das US-Militär habe. Lord erläuterte das bei einem Symposium am 8. April 2003:
"Über Jahrhunderte haben Krieger nach Waffen und Methoden gesucht, die ihnen den Sieg garantieren und ihre vorhandenen Truppen aufwerten. Im frühen 20. Jahrhundert stellte sich die Luftwaffe als ein solcher Vorteil heraus. Heute, am Anfang des 21. Jahrhunderts, erreichen wir dieselbe Sorte Vorteil durch Weltraumwaffen."
Und diesen Vorteil will das US-Militär keinesfalls aus der Hand geben. Inzwischen hat auch die US-Army ihre erste Weltraumtruppe gegründet. Die am 11. April in einer feierlichen Zeremonie auf der Peterson Air Force Base gegründete, provisorische "1st Space Brigade" untersteht dem 1988 gegründeten "Army Space Command", dem drei Bataillone unterstehen: das "1st Satellite Control Battalion", das "1st Space Battalion" und das "193rd Space Battalion", die u.a. für Satellitenkommunikation zuständig sind und Raketenfrühwarnung. Das "Army Space Command" selber untersteht dem US Space Command.
Thomas Petermann will Bedrohungsszenarien wie ein Pearl Harbour im Weltall allerdings nicht bewerten. Ob das richtig sei oder nicht, sei schwer einzuschätzen. Er bedauert eher, dass die US-Regierung dieses Szenario durch Aufrüstung statt durch Rüstungskontrolle verhindern will. Seiner Meinung nach sollten sich andere Staaten schon mal alleine über Rüstungsbegrenzungen im All verhandeln. Die USA könnten dann hinzukommen, wenn sich ihre Regierung wieder auf Rüstungskontrolle einlassen wolle.