Kleines Debakel mit Gete

Seite 3: Tom Appleton und das Goethe-Institut in Wellington

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Ich gründete eine Heinrich Heine Gesellschaft, die sich dezidiert als antifaschistisch deklarierte - und prompt, d. h. nach knapp einem Jahr, brachte die Bundesrepublik ihr Goethe-Institut nach Wellington. Dessen Direktor, ein früherer Skilehrer, der sich an der Otago University in Dunedin auf der Südinsel, nicht weit von den dortigen Alpen, zu einem BA hochgeschwungen hatte, lud mich zu einem Kaffee im Café Mekka ein und meinte, wir könnten doch "zusammenarbeiten" - Heine und Goethe. Ich sagte, ich hätte schon genug eigenes Geld investiert: Ihr könnt jetzt gerne alleine weiter machen. Ich hatte auch das Angebot des DDR-Botschafters zurückgewiesen, eine DDR-Freundschafts-Gesellschaft aufzumachen, weil ich eben nicht am Gängelband von Irgendwem hängen wollte, wie der arme Con Kooznetzoff vom Victoria University German Department.

Trotzdem hatte man sich offenbar bei der Deutschen Botschaft auf ein Feindbild eingeschossen, als ob ich der Böse in diesem Schmierentheater gewesen wäre. Nun kommt also, einige Jahre später, der ebenfalls bereits sehr alte Enkel vom alten und längst vermoderten Bismarck nach Neuseeland zu einer Feier am Goethe-Institut - und ich sage zu ihm (mit etwa diesen Worten):

Ihr Großvater ist doch mit sieben Jahren in Berlin eingeschult worden. Die Unterlagen sind alle im Krieg zerbombt worden. Was meinen Sie, ob es in ihrer Familie noch irgendwelches Material gibt, darüber, wer alles mit ihm in die Erste Klasse ging? Es gibt nämlich hier in Neuseeland eine Familie Goethe unter den Maori, die sich von einem Johann Franz von Goethe ableitet, der mit Bismarck gleichzeitig eingeschult wurde. Dieser Goethe war damals allerdings erst sechs.

Der Herr von Bismarck schaute mich an, als ob ich ihn verarschen wollte, und wandte sich quasi wortlos ab. Ende der Durchsage.

Das Goethe-Institut hat sich dann aber auch in der Folge - in den mehr als 30 Jahren seines Bestehens - nie für die Gottys interessiert. Der Einzige, der darüber geschrieben hat, war ich. Im August 1982, im neuseeländischen Winter, war ich zu einem Fernsehauftritt als "Performance Poet" im Allen Theatre in Dunedin. Zwischendurch traf ich im Publikum Gerd Träbing, einen weiteren Sportlehrer, der sich an der dortigen Uni zum Assistant Professor gemausert hatte. Er hatte sich während seines Heimaturlaubs am Frankfurter Goethe-Museum erkundigt, was denn so das Echo auf meinen damaligen Zeit-Artikel gewesen sei? Das sei überhaupt der Artikel gewesen, auf den es die meisten Anfragen gegeben hätte, berichtete Gerd.

Super. Das Goethe-Institut wurde auf die Gottys von Neuseeland allerdings erst 30 Jahre später aufmerksam, als ich selber vor zwei Jahren dort kistenweise alte Bücher fortschleppte, die man - praktisch sämtlich ungelesen - in den Müll entsorgen wollte. Bei der Gelegenheit erwähnte ich zufällig, en passant, meinen SZ-Artikel - und jetzt ließ man sich den aus München kommen. Dann brauchte es allerdings nochmal einige Zeit, bis wieder zufällig ein - zur Gotty-Familie gehöriger - Produzent von Maori TV beinahe einen Autounfall mit einer Dame vom Goethe-Institut hatte. Ich habe sie kennengelernt, aber nachdem sie mich in fast polizeimeisterlicher Weise nach meinem Namen gefragt hatte, stellte sie sich mir nicht weiter namentlich vor.

Auch dieser TV-Produzent, des Deutschen nicht mächtig, wurde erst nach dieser Begegnung, dem Beinahe-Unfall, auf meinen uralten Goethe-Artikel aufmerksam gemacht und kontaktierte mich dann. Interviewte mich vier Stunden lang, wo denn in Deutschland dieses oder jenes über Goethe zu erfahren sei. Das riesige gemeinsame Wiener Grabmahl der Familien "von Schiller" und "von Goethe" interessierte ihn hingegen weniger.

Und als ich dann als persönlicher Gast einer alten Dame auf dem Familiensitz der Gottys erschien, riss er mir ziemlich pronto die Epauletten von den Schultern und verlangte die Herausgabe meiner Fotos und Notizen. Nun bin ich nicht Alan Whicker, der um die Welt reist und mal Papa Doc und mal Idi Amin interviewt - und so enthielt ich mich des Lachens. Was mich am meisten enttäuscht, sagt er, ist, dass du deiner eigenen Aussage nach deinen Artikel über Goethe für Geld geschrieben hast.

Ich verstand natürlich, dass er seinen TV-Film als Huldigung an die Familie seiner Mutter betrieb. Ich hatte gerade Karin Strucks Die Mutter aus dem Müll des Goethe-Instituts gefischt (Struck hatte damals, 1977, ihrerseits ihr Buch als Reaktion auf Peter Handkes Wunschloses Unglück geschrieben) und konnte seine Gefühle nachempfinden. Aber als Journalist schreibe ich nun mal für Geld - und Englisch spreche ich mit Deutschen und Österreichern auch nur für 25 Euro die Stunde. Und natürlich fand ich die Unterstellung ein wenig hart, dass ich meine ganzen Artikel nur bei anderen Leuten abgeschrieben hätte. Dann beruhigte er sich aber wieder, und ich sagte: Alles klar, du bist Diabetiker, da gibt es solche Stimmungsumschwünge.

Wie die Schweizer und Schweden immer verwechselt werden in aller Welt, Auszug aus einem finnischen Blatt. Bild: Tom Appleton

Aber das Publikationsverbot steht natürlich. So kann ich also nur berichten, dass ich auf dem Marae ein wenig deutsche Sprache zu Gehör brachte, denn keiner der Gottys hat Zeit Lebens einmal etwas Deutsch gehört. Ich hatte kurz zuvor einen Artikel in einem konservativen Blatt aus Schweden gelesen (ach nein, aus der Schweiz - die beiden Länder werden international bekanntlich immer wieder verwechselt - ich sage, müssen sich die Schweden eben Schwätzer nennen und die Schweizer Schweigen), dass die Deutschen solche Probleme mit dem Wort Zigeuner haben und stattdessen immer Sinti und Roma sagen müssen. Ich sagte: Ich bin ein Zigeuner, aber kein Sinti oder Roma. Und schrieb einen Text, den ich 25 mal im Auto sang, bevor ich ihn dann in dem Marae vor all den Gottys zu Gehör brachte.

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