Klimakanzlerin? Die doppelte Angela Merkel

Ein Kommentar

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Hermann Scheer hat 20 Jahre lang eine Weltagentur für Erneuerbare Energien (IRENA) gefordert. Nicht Jürgen Trittin und auch nicht Sigmar Gabriel haben ihn dabei unterstützt, sondern Angela Merkel als Bundeskanzlerin. Und nur deshalb gibt es seit 2010 IRENA, der inzwischen 90 % der Weltbevölkerung angehören. Dieselbe Angela Merkel hatte 1997 als Umweltministerin das Kyoto-Protokoll wesentlich mit durchgesetzt. Spätestens als sie 2007 nach Grönland geflogen war, um sich vor Ort den Klimawandel im Angesicht des schmelzenden Arktis-Eises erklären zu lassen, galt sie weltweit als Klima-Kanzlerin.

Bild: Medvedev/CC-BY-SA-3.0

Doch davon ist zurzeit wenig zu spüren. Sie hat zwar in dieser Woche beim Petersberger Klimadialog wieder eine Rede gehalten, wie man sie sonst nur noch auf grünen Parteitagen zu hören bekommt ("Nichtstun ist keine Alternative").

Auch Norwegens Umweltminister lobte diese Merkel-Rede, fügte aber süffisant hinzu, dass es ansonsten in Deutschland an "Leadership" beim Klimaschutz fehle. Das ist treffend.

Denn es ist vor allem die Merkel-Regierung, die zurzeit in Europa jeden Fortschritt im Klimaschutz und bei der Energie-Effizienz torpediert. Im Streit darüber innerhalb der Bundesregierung zwischen den Ministern Rösler und Altmaier hat es die Kanzlerin versäumt, sich eindeutig auf die Seite ihres Umweltministers zu stellen. Klimakanzlerin, quo vadis?

Reden und handeln beim Klimaschutz und bei der Umsetzung der Energiewende klaffen immer mehr auseinander. Vor allem deshalb ist es auf EU-Ebene bisher nicht gelungen, die Treibhausgas-Emissionsziele von bisher 20% auf leicht erreichbare 30% bis 2020 zu erhöhen.

Als vor kurzem die CDU/CSU-Abgeordneten im Europäischen Parlament den Versuch scheitern ließen, den CO2-Emissionshandel wiederzubeleben, hielt sich Angela Merkel vornehm zurück. Aber jetzt auf dem Petersberg sagte sie, Europa sei "Vorreiter" beim Klimaschutz. Anderswo wird darüber nur noch gelacht.

Die Kanzlerin ließ es ebenso zu, dass ihre beiden Energiewende-Streithähne im Kabinett, Rösler und Altmaier, die Energiewende mehr und mehr verstolpern. Sie könnte aber auch von ihrer Richtlinienkompetenz als Kanzlerin Gebrauch machen. Doch dazu gehört jedoch auch Kampfgeist für das, was ich als richtig erkannt habe.

Eine Kanzlerin ist nach dem Willen des Grundgesetzes mehr als eine Moderatorin

Ob die ehemalige Klimakanzlerin ausgerechnet im Wahljahr Wert legt auf den Titel "Klimakanzlerin a. D"?

Auf dem Petersberg bei Bonn hat Angela Merkel geklagt, dass sie gegen die "geballte Macht der deutschen Wirtschaft" keinen Klimaschutz durchsetzen könne.

Aber genau das hat sie über viele Jahre ihren Wählerinnen und Wählern versprochen. So ein Versprechen kann aber wahlentscheidend sein – der fundamentale Vorteil der Demokratie.

Mehr von Franz Alt auf seiner Website Sonnenseite.com.