Klimakrise: Signale stehen auf Rot
Weltwetterorganisation WMO legt alarmierenden Bericht über den Zustand des Klimasystems vor. Tempo des Meeresspiegelanstiegs verdoppelt sich in weniger als 30 Jahren
Die Zeit wird knapp. Es bleibt nur noch ein sehr kleines Fenster, um das 2015 in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, betonte am Mittwochmorgen der Sonderberater des UN-Generalsekretärs für Klimaschutzfragen, Selwin Charles Hart gegenüber der internationalen Presse. Die Regierungen müssten ihr Klimaschutz-Engagement erheblich verstärken und unter anderem endlich die Subventionen für fossile Kraftstoffe und Kohle abschaffen.
Die Weltmeteorologie-Organisation WMO hatte Hart um einen Stellungnahme anlässlich der Vorstellung des jährlichen Klima-Zustandsberichts gebeten. Dieser fällt 2022 mal wieder besonders alarmierend aus. Bei vier von sieben Indikatoren des Klimasystems gebe es neue Rekorde, so WMO-Generalsekretär Petteri Taalas am Mittwoch in Genf auf einer Pressekonferenz.
1. Das Niveau der atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid (CO2), des wichtigsten Treibhausgases, nimmt weiter zu, womit mehr Wärmeenergie im Klimasystem aufgenommen werden kann.
2. Als eine Folge davon nimmt auch die Versauerung der Ozeane weiter zu, da die Meere bei höheren Wassertemperaturen und höherem CO2-Gehalt der Luft mehr CO2 als Kohlensäure aufnehmen. Allen im Meer lebenden Organismen mit kalkhaltigen Schalen oder Skeletten, wie etwa den ohnehin stark gefährdeten Korallen, macht das zunehmend zu schaffen.
3. Eine andere Folge der weiter steigenden CO2-Konzentration ist die Erwärmung der Ozeane, die 2021 ebenfalls neue Rekorde erreichte. Gut 90 Prozent der zusätzlichen Wärmeenergie landet nämlich in den Meeren und nur den kleineren Teil messen wir als die meist zitierte globale (Luft-)Temperatur.
4. Als Folge der steigenden Luft- und Meerestemperatur gibt es auch einen neuen Rekord beim Stand der Meeresspiegel. Dieser steigt zum einen durch das Abtauen der Gletscher in den Gebirgen und vor allem der großen Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis. Zum anderen dehnt sich das erwärmte Wasser aus, was ebenfalls nicht unwesentlich zum Anstieg der Meere beiträgt.
In den 1990er-Jahren waren es jährlich im Durchschnitt noch 2,1 Millimeter, zwischen 2002 und 2013 dann 2,9 Millimeter und seit dem sogar 4,5 Millimeter pro Jahr. Der Meeresspiegelanstieg beschleunigt sich also und verdoppelt sich derzeit in etwas weniger als 30 Jahren.
Das ist ein klassischer Fall exponentiellen Wachstums, zudem eines Wachstums, das besonders schwer aufzuhalten ist, weil Eismassen und Wärmeaufnahme der Ozeane sich noch lange nicht in einem neuen Gleichgewicht eingependelt haben, das den gestiegenen Treibhauskonzentrationen in der Luft entspräche.
1,11 Grad über dem Niveau der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Bei der globalen Temperatur – gemessen in zwei Metern über dem Erdboden und über den ganzen Planeten und das ganze Jahr gemittelt – gab es hingegen 2021 keinen neuen Rekord. Allerdings gehörte jedes einzelne der vergangenen sieben Jahre zu den sieben wärmsten je registrierten. Immerhin lag 2021 aber bereits 1,11 (+/-0,13) Grad Celsius über dem Niveau der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, also einer -gemessen an den Auswirkungen für die globale Umwelt – gerade noch als vorindustriell anzusehenden Zeit.
Die globale Temperatur schwankt von Jahr zu Jahr etwas. Die WMO hatte erst kürzlich, wie berichtet, erklärt, dass die Schwelle von 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten fünf Jahre erstmalig überschritten wird. Bis die Erwärmung nachhaltig auf diesem Level ankommt, würde es aber einige weitere Jahre dauern.
Doch schon jetzt nimmt die Erwärmung durchaus Besorgnis erregende Ausmaße an, wie unter anderem die jüngsten Hitzewellen zeigen. Aus Indien hatte der dortige Wetterdienst für den 15. Mai Temperaturen zwischen 45 und 50 Grad Celsius gemeldet. Schon Ende April und Anfang Mai hatte es dort und im benachbarten Pakistan eine schwere Hitzewelle mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 43 und 46 Grad Celsius gegeben.
Die Folgen der drastischen Klimaveränderungen sind für die menschen in vielerlei Hinsicht fatal. WMO-Generalsekretär Taalas verwies unter anderem darauf, dass das Schrumpfen und Verschwinden der Gebirgsgletscher die Wasserversorgung für viele asiatische Länder, darunter China, Vietnam, Bangladesch und Indien, gefährdet.
Außerdem verstärke der Klimawandel neben der Pandemie und dem Ukraine-Krieg die aktuelle Hungerkrise. Er bedauere es daher, dass die Medien insbesondere in Europa sich derzeit ganz auf den Krieg konzentrieren und nicht ausreichend über die jüngsten Berichte des UN-Klimarates IPCC informiert haben. Letztlich seien Krieg und Pandemie schlimme Herausforderungen, aber die Klimaveränderungen würden sie in den Schatten stellen.
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