Klimawandel und Viren: Wenn der Permafrost taut

Seite 2: Gefahren aus dem hohen Norden

Wissenschaftler der Universität im kanadischen Ottawa haben kürzlich für einen See im hohen Norden Kanadas gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Menge an Gletscherwasser – für sie ein indirektes Maß für den Klimawandel – und der Aktivität der Viren gibt. Je mehr Schmelzwasser, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Viren auf neue Wirte überspringen. Ihre Schlussfolgerung:

Sollte der Klimawandel die Ausbreitungsgebiete von Virenwirten und -reservoirs nordwärts verschieben, könnte die hohe Arktis zu einem fruchtbaren Boden für neue Pandemien werden.

Eine am 10. November als Vorab-Publikation erschienene Studie aus Frankreich weist in eine ähnliche Richtung. (Preprint bedeutet, dass der Text noch nicht durch den Peer-Review, das heißt, die Begutachtung von Fachkolleginnen und -kollegen gegangen ist.) Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Mikrobiologie der Universität von Marseille beschreiben darin, wie sie mehrere Viren aus Proben wieder zum Leben erwecken konnten, die am Fluss Lena im Osten Sibiriens und auf der Halbinsel Kamtschatka am nördlichen Pazifik gewonnen wurden.

Aus Sicherheitsgründen haben sie sich dabei auf Viren beschränkt, die nur Einzeller befallen und für Wirbeltiere keine Gefahr darstellen. Sorgen macht ihnen allerdings, dass offenbar mehrere Jahrzehntausende im Permafrost den sehr einfachen Organismen nichts anhaben können. Insgesamt sieben Viren konnten dazu gebracht werden, sich zu vermehren. Das jüngste war 27.000 und das älteste ganze 48.500 Jahre alt.

Die kanadischen Autoren weisen derweil auf die gefährlichen Viren hin, die in den letzten Jahren auf Menschen übergesprungen seien, wie etwa "Influenza A, Ebola und SARS-CoV-2" und warnen in diesem Zusammenhang vor den Gefahren, die im auftauenden Permafrost in der Arktis schlummern könnten. Darunter sind übrigens auch bereits bekannte Viren: Sowohl in Sibirien als auch in Nordamerika gibt es im Permafrost zahlreiche Gräber und ganze Friedhöfe mit Pockenopfern.

Angesichts dessen wundert es eigentlich, dass über das Problem bisher kaum publiziert wurde. Die französischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kritisieren in ihrem Papier, dass es zwar eine reiche Literatur über Mikroben aus dem Eis gebe, über Viren jedoch nur zwei Publikationen aus den Jahren 2014 und 2015.

Die Bundesregierung scheint derweil zu meinen, dass wir es auch so genau nicht wissen müssen. Wie berichtet wurde in dem Bemühen, "Russland zu ruinieren" (Außenministerin Annalena Baerbock), auch die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen Instituten weitgehend eingestellt. Betroffen ist nicht zuletzt die Klimaforschung.

Passt irgendwie zu dem Bemühen, Deutschland künftig mit besonders klimaschädlichen Frackinggas aus den USA zu versorgen und RWE das Abbaggern der Braunkohle zu sichern: Im Sturzflug in die Klimakrise, aber bitte mit verbundenen Augen.

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