Koalitionsverhandlungen: Energiewende in schlechten Händen
Seite 2: Schwarz-rotes Ausbremsen? Koalitionsverhandlungen zur Energiewende
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Etwas besser, aber auch nicht überwältigend ist die Zustimmung für die sich anbahnende große Koalition auf Bundesebene. Zusammen hatten Union und SPD im September rund 32,5 Millionen Stimmen bekommen, was in etwa 53 Prozent der Wahlberechtigten entsprach. Im Bundestag reicht das immer noch für eine komfortable Mehrheit von knapp 80 Prozent der Sitze, die die Opposition an die Wand drücken wird und mit der sich spielend auch das Grundgesetz ändern lässt.
In den Koalitionsgesprächen geht es derweil ans Eingemachte. Seit Ende letzter Woche verhandeln Union und SPD über die Zukunft der Energieversorgung. Die Auswahl der Verhandlungsleiter lässt nichts Gutes erwarten. Auf der einen Seite der Merkel-Vertraute und Bundesumweltminister Peter Altmaier, der schon im Frühjahr durch ein Thesen-Papier (Mövenpick II - Ausbaubremse statt Strompreisbremse) auffiel, mit dem die Energiewende ausgebremst werden sollte. Auf der anderen Seite die sozialdemokratische Landeschefin von NRW Hannelore Kraft, die keinen Hehl draus macht, dass ihr Herz für Kohlekraftwerke schlägt.
Arbeitsplätze und billige Energie seien wichtiger als Klimaschutz, hatte sie bereits im Vorfeld der Gespräche wissen lassen. Was sie mit billiger Energie meint, ließ sie dabei offen. Die Strompreise der Industrie kann sie jedenfalls kaum im Sinn haben, denn die sind schon jetzt ziemlich günstig. An der Strombörse in Leipzig hat im Oktober der Grundlaststrom durchschnittlich 3,768 Cent pro Kilowattstunde betragen, rund 0,6 Cent weniger als in der Schweiz und 0,7 Cent weniger als in Frankreich. Beim Spitzenlaststrom war der Abstand geringfügig größer.
Standortnationalismus
Vor diesem Hintergrund ist auch ein gemeinsamer Aufruf der Industriegewerkschaften Bergbau Energie Chemie und Metall (IG BCE, IG Metall) mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) besonders bemerkenswert. Im Namen der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft fordern die Verbände den Bau neuer Kohlekraftwerke, die Zentralisierung der Energiepolitik und letztlich die Abkehr von politischen Zielvorgaben für den Ausbau der erneuerbaren Energieträger.
Was ist an den Klagen über teuren Industriestrom dran? Zu den oben zitierten recht niedrigen Börsenstrompreisen sind noch Netzentgelte, Stromsteuer und die Umlage für die erneuerbaren Energieträger (EEG-Umlage) hinzuzurechnen. Unterm Strich kamen dabei 2012 für nichtprivilegierte industrielle Abnehmer 13,87 Cent pro Kilowattstunde heraus, für Privatkunden, die auch noch Mehrwertsteuer bezahlen, hingegen 25,74 Cent. Die energieintensive Industrie, die von den genannten Abgaben im unterschiedlichen Maße befreit und den beiden Gewerkschaften ein besonderes Anliegen ist, musste 2012 sogar nur 9,3 Cent pro Kilowattstunde aufwenden. Damit lag sie unter dem Durchschnitt dessen, was Großverbraucher in der EU bezahlen.
Es geht also nicht um die Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen, sondern um den Ausbau des Vorsprungs der deutschen Industrie vor ihren europäischen Konkurrenten. Aber derlei gehört hierzulande ja zur unhinterfragten Staatsräson.
Soziale Energiewende
Ganz anders hingen eine in etwa zeitgleich veröffentliche Charta der Umwelt- und Sozialverbände. Arbeiter Wohlfahrt, der BUND, die Diakonie, der Deutsche Naturschutzring, die Deutsche Umwelthilfe, der Paritätische Gesamtverband, die Naturfreunde, die Volkssolidarität und die Nationale Armutskonferenz bezeichnen darin die Energiewende als "ein zukunftsweisendes, solidarisches Gemeinschaftsprojekt. Sie ist nicht nur unter Umweltgesichtspunkten sinnvoll und notwendig, sondern auch ein Projekt der sozialen, internationalen und generationenübergreifenden Gerechtigkeit" und dürfe nicht ausgebremst werden.
Unter anderem wird ein weiterer dynamischer Ausbau gefordert. Der Einspeisevorrang müsse erhalten bleiben, die Energiepreise die ökologischen Kosten abbilden und die Lasten gerecht verteilt werden. Dazu müsse das Entlastungsvolumen der Industrieprivilegien zurückgefahren und die gesunkenen Börsenstrompreise an die Verbraucher weitergeben werden. Gebäudesanierung sei sehr wichtig, dürfe aber nicht zur Verdrängung von Mietern durch einen zu starken Anstieg der Mieten führen. Diese dürften nicht stärker steigen, als die Heizkosten der Mieter durch die Maßnahmen gesenkt werden.
Ansonsten fordern die Verbände für eine sozial ausgestaltet Energiewende auch, dass die Sozialleistungen wie Wohngeld, ALG II und Alters Grundsicherung an die gestiegenen Energiekosten angepasst werden. Die Belastungen sind in den letzten Jahren oft erheblich gewachsen, wie eine Meldung des Fachinformationsdienstes IWR verdeutlicht. Demnach hat Heizöl sich in den letzten 15 Jahren um 300, Erdgas um 100 und Treibstoffe um 150 Prozent verteuert. Der Strompreis, der allein die Gemüter zu bewegen scheint, verzeichnete dagegen mit 66 Prozent den geringsten Zuwachs.
CDUler wollen Fracking
Bundesumweltminister Peter Altmaier hat derweil schon mal eine Stichwortliste der Themen vorgelegt, die er mit Hannelore Kraft besprechen will. Daraus geht unter anderem hervor, dass er eine umfassende Neugestaltung des Erneuerbare-Energiegesetzes (EEG) anstrebt, die zum 1. Januar 2015 in Kraft treten soll. Unter anderem will er über Abstandregelungen für Windkraftanlagen sprechen und strebt eine vollständige Umstellung auf Marktmechanismen an. Auch über das höchst umstrittene Fracking will er sprechen.
Aggressive Begleitmusik zu den Verhandlungen kommt derweil von einigen CDU-Bundestagsabgeordneten, die in einem Positionspapier die Einschränkung der EEG-Förderung fordern. Der Fokus müsse wieder auf den Wettbewerb gelegt und mehr "Technologieoffenheit" herrschen. EEG-Anlagenbesitzer sollen als Sofortmaßnahme nur noch 50 statt bisher 95 Prozent der entfallenen Vergütung bekommen, wenn ihre Anlage aus netztechnischen Gründen nicht einspeisen kann. Auch sonst wird keine energiepolitische Provokation ausgelassen: Gorleben dürfe bei der Endlagersuche als Standort nicht ausgeschlossen werden, eine Korrektur der viel zu niedrigen Preise für CO2-Emissionen solle bis 2020 unterbleiben und der Rahmen für "nichtkonventionelle Erdgasförderung" geschaffen werden.