Köthen oder die neue Bescheidenheit der Antifaschisten
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Die Rechte mobilisiert zu rechten Demos in Köthen - doch allseits gibt es Entwarnungen, weil keine Hitlergrüße zu sehen sind
In den letzten Tagen gab es in Köthen verschiedene rechte und neonazistische Demonstrationen, nachdem infolge einer Auseinandersetzung mit zwei afghanischen Männern ein 22-jähriger Deutscher an einem Herzinfarkt gestorben ist. Doch beschäftigt in den letzten Tagen Politik und Medien fast nur eine Frage: Wird Köthen ein neues Chemnitz?
Der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, verneint, und Franz Josef Wagner schreibt in der Bild-Zeitung in seiner Brief-Kolumne an Köthen gar von einer "Stadt der Hoffnung", weil sich die Einwohner angeblich nicht von Rechten instrumentalisieren ließen. Da merkt man, wie inhaltlos dieser Kampf gegen rechts geworden ist.
So wird schon als Erfolg gefeiert, wenn zwei Tage hintereinander rechte Demonstrationen durch Köthen zogen, aber kein Hitlergruß zu sehen war. Dafür war aber vielleicht eher das große Polizeiaufgebot in der Stadt verantwortlich, das samt Wasserwerfer in der Stadt positioniert ist. Vielleicht hat in Köthen auch die rechte Taktik besser als in Chemnitz funktioniert.
Dort wurde schließlich auch von Neonazis die Parole ausgegeben: Heute sind wir Volk und nicht Gesinnung und lassen den rechten Arm unten. Das klappte damals nicht überall. So kann gesagt werden, dass Köthen für die Rechte durchaus ein Mobilisierungserfolg war, was auch David Begrich vom zivilgesellschaftlichen Verein Miteinander im Interview mit dem Deutschlandfunk bestätigte.
Er sei überrascht und erschrocken gewesen, wie schnell es der Neonaziszene gelungen sei, 2.500 Menschen auf den Straßen in Köthen zu mobilisieren. Dort wurden offen neonazistische Reden gehalten. Der AfD gelang es wiederum, auf einer eigenen Demonstration auch Teile der Köthener Bevölkerung zu erreichen. Eigentlich wäre eine solche rechte Mobilisierung für die Antifa-Szene ein Grund für höchste Aufregung und die Organisierung von Gegenaktionen.
Doch nach Chemnitz wird es schon als großer Erfolg gefeiert, wenn die rechten Demos ohne NS-Symbole über die Bühne gehen und keine Videos zu sehen sind, auf denen Menschen von Rechten tatsächlich oder vermeintlich gejagt werden.
Herzversagen kann sehr wohl mit den Auseinandersetzungen zu tun haben
Anlass der rechten Aufmärsche war der Tod eines 22-Jährigen während einer Auseinandersetzung mit zwei afghanischen Migranten. In der Pressemeldung der Polizei heißt es:
Nach dem vorläufigen, mündlich übermittelten Obduktionsergebnis ist der 22-jährige Köthener einem akuten Herzversagen erlegen, das nicht im direkten kausalen Zusammenhang mit den erlittenen Verletzungen steht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden die Ermittlungen nunmehr wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung gegen den 18-jährigen Tatverdächtigen geführt. Gegen den 20-jährigen Tatverdächtigen wird wegen des Anfangsverdachts der Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Entsprechende Haftanträge werden durch die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau am zuständigen Amtsgericht in Dessau-Roßlau gestellt.
Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost
Hier wird zum Ausdruck gebracht, dass der Mann zwar nicht an Verletzungen bei der Auseinandersetzung starb, aber nicht, wie es in einigen Pressemeldungen wiedergegeben wurde, dass die Auseinandersetzungen nichts mit dem Tod zu tun haben. Daher sind ja auch beiden Migranten in Untersuchungshaft genommen worden.
Der Köthener Fall erinnert an den Tod von Dominik Brunner 2009, der sich einmischte, als zwei migrantische Jugendliche Schüler in einer S-Bahn belästigten, sich dann mit den Tätern eine körperliche Auseinandersetzung lieferte und schließlich an einem Herzstillstand starb. Obwohl auch er nicht an den durch die Schläge hervorgerufenen Verletzungen, sondern an einem Herzstillstand starb, wurden die Schläger wegen Mordes verurteilt.
Einer ist mittlerweile entlassen, der andere muss seine Haftstrafe bis nächstes Jahr verbüßen. Der Tod des erfolgreichen bayerischen Unternehmers Brunner sorgte bundesweit bei bürgerlichen Medien und Politikern für Aufsehen. Mittlerweile erinnert eine Stiftung an das Engagement des Mannes.
Die weiteren Ermittlungen in Köthen müssen nun zeigen, wie die Auseinandersetzung abgelaufen ist. Nur sollte der Rekurs auf den Fall Brunner noch mal deutlich machen, dass allein dadurch, dass der Tod nicht durch die Schläge, sondern durch einen Herzinfarkt erfolgte, die beiden Männer noch nicht entlastet sind.
Auch über die Rolle von Migranten reden
Das weltoffen-liberale Lager konzentrierte sich beim Fall Köthen vor allem auf die Frage nach einem "zweiten Chemnitz" und man schien dann erleichtert, dass das Opfer einem Herztod und nicht einem Messerstich zum Opfer gefallen ist. Doch man sollte auch über die beiden Männer aus Afghanistan reden, die sicher nicht freiwillig nach Köthen gekommen sind, sondern dort leben mussten, weil sie im Ausländeramt dazu verpflichtet wurden.
Arbeiten durften sie nicht und so blieben sie unter sich. Hier entwickelten sich Konflikte, wie wir sie auch in vielen anderen Städten beobachten. Es bilden sich Männergruppen, die in bestimmten Konstellationen für sich und andere gefährlich werden können. So geschehen in Frankfurt/Oder, als eine Gruppe syrischer Migranten einen Club überfiel, in dem sie lange Zeit ohne Diskriminierungen verkehrten.
Der Oberbürgermeister der Linken, Rene Wilke, erwägt Maßnahmen zur Abschiebung dieser Gruppe. Nur so könne er die Integrationsmaßnahmen für die Mehrheit der Migranten in der Stadt gegenüber der Bevölkerung verteidigen, erklärt Wilke. Man muss ihm zugutehalten, dass er in der Diskussion die für den Überfall und andere Straftaten Verantwortlichen klar benennt und betont, dass sie nicht für "die Flüchtlinge" oder eine bestimmte Nationalität stünden.
Trotzdem muss man fragen, warum statt Strafen wie bei deutschen Staatsbürgern das Mittel der Abschiebung gewählt werden soll. Das sollte wirklich nur in absoluten Notfällen wie bei dem Islamisten Sami A . zur Anwendung kommen, wo sich die Richter mit ihrer Rückkehrforderung bisher zum Glück nicht durchsetzen konnten.