Kommentar: Selbstbeweihräuchernde Partei Deutschlands

Grafik: TP

Die SPD bejubelt ihren Neuanfang und die Abkehr von HartzIV. Warum eigentlich?

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Vor etwas mehr als zwei Jahren, am 1. März 2017 trat Hannelore Kraft am politischen Aschermittwoch in Schwerte auf. Sie war nicht allein, an ihrer Seite war der Mann, der der SPD zu neuem Glanz verhelfen sollte, der den "kleinen Mann" als den Menschen wiederentdeckte, der der SPD am Herzen liegen sollte, und zu dessen Ehren "When the Saints are Marching in" gespielt wurde: Martin Schulz.

Die SPD befand sich zu jener Zeit in einer Art Rausch. Martin Schulz, der EU-Abgeordnete, war nach Deutschland gekommen und lieferte den Medien wie auch der SPD markige Sprüche und Gefühlvolles im Wechsel. "Wir treten an, um die stärkste Partei in Deutschland zu werden. Ich trete an, um Bundeskanzler zu werden", rief er selbstbewusst und seine Partei fühlte, wie es in der FAZ hieß, wieder Euphorie.

Martin Schulz wurde als der große HartzIV-Reformator gefeiert, als Hoffnung für SPD und Deutschland, doch allzu schnell war der Schulz-Zug wieder auf ein Abstellgleis gefahren, Martin Schulz geriet zum größten Teil in Vergessenheit, die SPD, die anfangs eine Große Koalition ausgeschlossen und verkündet hatte, sie würde in die Opposition gehen, entschloss sich anders.

Déjà Vu

Wer die SPD momentan beobachtet, fühlt sich an die Zeit des Schulz-Zuges erinnert, an feiernde Genossen und wiederentdeckte soziale Profile. Diesmal ist es nicht Martin Schulz, der im Zentrum der Euphorie steht, sondern Andrea Nahles. Ihre Vorschläge zur "Abkehr von Hartz IV" werden als großer Befreiungsschlag angesehen, als Linksruck und Neuausrichtung. Doch während bei Martin Schulz seine mangelnde Erfahrung im Bereich der deutschen Sozialpolitik noch als Grund für seine nur unausgegorenen und größtenteils auf Arbeitslosengeld I ausgerichteten Ideen gelten konnte, ist dies bei Andrea Nahles nicht der Fall.

Von 2013 bis 2017 war sie Bundesministerin für Arbeit und Soziales und hätte, wäre ihr das Arbeitslosengeld II solch ein Dorn im Auge, hier bereits den Hebel ansetzen können, um es den Beziehern dieser Transferleistung leichter zu machen. Das Gegenteil war der Fall. Ihre diversen Aktivitäten in Bezug auf ALG II waren geprägt von einer Art Verschiebebahnhof der Gelder, von der Konzentration auf die Langzeitarbeitslosen und auf die Förderung, die Andrea Nahles immer wieder in den Vordergrund rückte, als sei diese Aufgabe eine, die erst jetzt Eingang in ALG I und II finden sollte.

Dass ALG II unter der Prämisse "Fordern und Fördern" stand, dass daraus aber längst nur noch ein "Fordern und Fordern" wurde, bleibt dabei elegant außen vor. Die Förderung in regelmäßigen Abständen wieder als "next big thing" herauszustellen, zeugt von einer gewissen Chuzpe, aber auch von der Ratlosigkeit nicht nur bei Andrea Nahles.

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