Kommentar: Selbstbeweihräuchernde Partei Deutschlands

Seite 3: Deutschland ist und bleibt eine Arbeitsgemeinschaft

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Der Satz an sich ist letztendlich nicht nur eine Plattitüde, er verhindert von Anfang an auch eine Auseinandersetzung mit den Fragen, die sich um die "Arbeit" drehen:

- Was bedeutet Arbeit für den Einzelnen?

- Wann ist Arbeit tatsächlich sozial?

- Ist Arbeit um jeden Preis wirklich hilfreich?

- Ist die allgegenwärtige Konzentration darauf, dass Menschen sich eben als Mitglied der Gesellschaft fühlen sollen, wenn sie arbeiten, nicht vielmehr das Problem?

Antwort auf die Frage, in welcher Position Frau Nahles die Arbeit sieht, gibt folgender Satz des Konzepts:

Die Grundpfeiler unseres Sozialstaatsversprechens sind Arbeit, Solidarität, und Menschlichkeit.

Menschlichkeit steht hier an letzter Stelle noch hinter der Solidarität, die selbst hinter der Arbeit steht. Die Arbeit wird also als Grundpfeiler des Sozialstaatsversprechens gesehen, so dass von Anfang an dieser Aspekt als unbedingte Tatsache für weitere Kommentare steht.

Die folgende Erläuterung dieses Konzeptes liest sich demnach auch wie eine längere Liste von Phrasen:

Das heißt zunächst: Den Sozialstaat auf der einen Seiten und die Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite verbinden gegenseitige Rechte und Pflichten. Das heißt weiter: Die Leistungen des Sozialstaats sind soziale Rechte, die Bürgerinnen und Bürger zustehen. Sie sind Inhaberinnen und Inhaber dieser Rechte, keine Bittsteller. Das heißt außerdem: Der Sozialstaat hat gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern eine Bringschuld, nicht andersrum die Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Sozialstaat eine Holschuld. Und das heißt schließlich: Der Sozialstaat muss den Einzelnen und sein Schicksal respektieren. Er muss Instrumente schaffen, die den individuellen Anforderungen und unterschiedlichen Problemstellungen der Menschen gerecht werden.

Nichts von alledem klingt schlecht, aber es sind Selbstverständlichkeiten. Wer meint, dass diese Absichtserklärungen oder Konzepte gut klingen, dem sei empfohlen, einmal jeden Satz in das Gegenteil umzukehren und zu schauen, ob sich dies überhaupt mit einem Rechtsstaat und seinen Gesetzen vereinbaren ließe. So wird klar, dass hier einfach nur eine Liste von Aspekten, die sich aus dem deutschen Rechtssystem automatisch ergeben, als eine Liste dargestellt wird, die innovativ für ein neues Sozialsystem ist.

Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber denen, die für wenig Geld arbeiten gehen

Dem Redationsnetzwerk Deutschland (einem Inhaltezulieferer der Madsack-Gruppe, bei der das SPD-Medienbeteiligungsunternehmen größte Kommanditistin ist) sagte Andrea Nahles, dass die Regelsätze des ALG II unangetastet bleiben würden: "Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die für wenig Geld jeden Tag zur Arbeit gehen. Wenn wir denen das Gefühl geben, dass sich ihr Einsatz finanziell nicht mehr lohnt, zerstören wir jede Motivation." Zusätzliches Geld sollten Leistungsempfänger aber zum Beispiel über "ein Bonussystem für Weiterbildung und auch bei speziellem Bedarf" bekommen.

Angesichts der Tatsache, dass sich Gerhard Schröder einst rühmte, den besten europäischen Niedriglohnsektor geschaffen zu haben, ist diese Aussage bestenfalls zynisch. Angesichts der oft mehr als mageren Löhne beziehungsweise Gehälter heißt dies also, dass sich ein sehr geringer Regelsatz (unabhängig davon, welche Fehler bei seiner Ermittlung gemacht wurden) dadurch rechtfertigen lässt, dass jemand, der einer Erwerbstätigkeit nachgeht, genauso wenig erhält als würde er ALG II beziehen - oder nur geringfügig mehr.

Dazu kommt, dass Andrea Nahles keineswegs auf den Aspekt eingeht, dass gerade ALG II-Empfänger dazu gezwungen sind, auch minderbezahlte Tätigkeiten anzunehmen, da sonst eine Sanktion droht, die bis zu einem vollständigen Einbehalten der Leistungen führen kann.

Teil 2: Sanktionen, Langzeitarbeitslosenförderung und weitere Nebelkerzen

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