Kommt das Ende der deutschen Einheitsstrompreise?
Die Liberalisierung der Strommärkte sollte Wettbewerb fördern. Nun zeigen sich Probleme im System. Wird Deutschland in Strompreiszonen aufgeteilt?
Bei der Liberalisierung der Strommärkte Ende der 1990er-Jahre hoffte man den Wettbewerb im Stromhandel anzukurbeln. Da Strom, wie damals oft angenommen, aus der Steckdose kommt, wollte man ihn frei handeln, um damit die Kosten für die Endkunden zu senken.
Es gab die Vorstellung, dass der Strom billiger würde, wenn er auf dem Weg von der Erzeugung zum Kunden öfter den Eigentümer wechselt.
Zudem war man zum Zwecke der Handelserleichterung nach der Trennung von physikalischen Netzen und Stromhandel von der Fiktion ausgegangen, dass Deutschland wie eine große Kupferplatte betrachtet werden könnte und in der ganzen Republik die gleichen Bedingungen herrschen würden und somit der Strom unmittelbar und verlustfrei von der Erzeugung zum Kunden transportiert werden könnte.
Für den Ausgleich zwischen dieser Fiktion und den realen Fakten wurden die Verteilnetzbetreiber herangezogen, welche die Kosten für diesen Ausgleich in den Netzbetriebskosten, für die eine staatlich regulierte Rendite garantiert wurde, abrechnen konnten. Diese Netzbetriebskosten wurden dann kundenbezogen an den jeweiligen Stromhändler weitergereicht, welcher sie auf den Preis für den jeweiligen Kunden aufschlug.
Bundesdeutsche Netzbetriebskosten in Schieflage
Nun hat sich in den vergangenen Jahren die Struktur der Stromerzeugung gewaltig gewandelt. Wo in den 1990er-Jahren die Stromerzeugung von etwa 300 meist fossilen Kraftwerken geleistet wurde, hat die Energiewende hin zu den Erneuerbaren die Zahl der Stromerzeuger in den zweistelligen Millionenbereich katapultiert.
Damit verbunden war die Bedeutungsverlagerung von den an den zentralen Großkraftwerken hängenden insgesamt vier Übertragungsnetzbetreibern auf die gut 900 Verteilnetzbetreiber.
Hatten diese zur Zeit der Vorherrschaft der fossilen Großkraftwerke mit der Stromverteilung eine vergleichsweise einfache Aufgabe, wo sich Neuinvestitionen überwiegend auf die Erschließung neuer Gewerbe- oder Wohnbauareale konzentrierten, wurde die Einbindung der steigenden Anzahl dezentraler erneuerbarer Stromquellen anspruchsvoller.
Mit der Umgestaltung der Stromversorgung in einen eher virtuellen Stromhandel, bei welchem man die Hoffnung hatte, internationale Investoren anzuziehen, welche den deutschen Strommarkt ohne physikalische Bindung an Deutschland aus kostengünstigeren Regionen des Weltmarkts bearbeiten können sollten, hat man sich im Zusammenhang mir der auf die Erneuerbaren ausgerichteten Energiewende dann ganz offensichtlich verlaufen.
Diesen strategischen Fehler wollte dann niemand korrigieren
Für eine hinter den Kulissen diskutierte Korrektur des Strommarktdesigns war die Politik bislang nicht bereit und suchte die Rettung im Kleinklein oder Fahren-auf-Sicht. Da schob man dann gerne die EU als Hemmnis vor, die auf der Trennung von Netzbetrieb und Stromhandel bestehe.
Wer jetzt den großen Masterplan zur Umgestaltung des Strommarktdesigns vermisst, sollte berücksichtigen, dass dieser eine längere Gültigkeit besitzen müsste, als die üblichen Legislaturperioden und somit künftige Regierungen zwingen müsste, auf der gelegten Spur zu bleiben. Zudem kommt dabei der deutsche Föderalismus als gravierendes Hemmnis dazu, sodass letztlich nur die Operation am offenen Herzen bleibt.
Ein Vorbild für die Energiewende hin zu den Erneuerbaren gibt es für Deutschland bislang nicht. Nur China ist derzeit offensichtlich bestrebt, vergleichsweise direkt auf Erneuerbare umzusteuern.
Und dass Deutschland, was lange Zeit Vorbild für China war, jetzt einen Rollentausch vornimmt und China beim Wechsel zu den Erneuerbaren als Vorbild nehmen könnte, lässt der deutsche Stolz nicht zu.
Wie lange sollen Strompreisen ohne Bezug zum physischen Netz bleiben?
Ein Forschungspapier eines Konsortiums von TU München, FIM/FIT Fraunhofer, DIW Berlin, EWI Institut der Universität zu Köln und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat schon vor Jahren gedrängt, dass die Energiewende ein passendes Marktdesign benötige, wenn sie nicht scheitern solle.
Der derzeit gebräuchliche Strommarkt bildet die physischen Gegebenheiten des Netzes nicht direkt ab, sondern setzt auf nachträgliche Anpassungen über die beaufschlagten Netzkosten.
Die vorhandene Flexibilität auf der Nachfrageseite, welche die Integration volatiler erneuerbarer Energien in das Stromsystem unterstützen könnte, wird bislang nicht ausreichend belohnt.
Eine Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen könnten hier hilfreich sein. Das schlägt auch die EU vor, die fordert, dass die Marktgebiete beim Strom die physikalischen Gegebenheiten des Stromnetzes widerspiegeln sollten.
Dort, wo das Netz kaum Leitungen bereitstellt, sollte verhindert werden, dass etwa Windstrom aus Norddeutschland virtuell nach Bayern verkauft wird, obwohl er in der Realität gar nicht transportiert werden kann.
Denn in solchen Fällen müssen dann teure Kohle- oder Gaskraftwerke im Süden angeworfen werden, um die Energie trotzdem zu liefern. Und die daraus entstehenden sogenannten Redispatchkosten werden auf alle Stromverbraucher umgelegt.
Lorenz Storch auf BR24
Was einleuchtend erscheint, stößt auf massiven Widerstand von Bauern und mit ihnen verbundenen Politikern wie Hubert Aiwanger in München. Letzterer will weiterhin eine deutschlandweit einheitliche Strompreiszone.
Weil in Bayern vergleichsweise wenig Windräder stehen, würde der Strom dort teurer und in Norddeutschland, wo viele Windkraftanlagen stehen, billiger. Dann stünde Bayern ein wirtschaftlicher Abstieg bevor.
Dass Regionen, welche Erneuerbaren aufgeschlossener sind, von regional günstigeren Strompreisen einen Vorteil haben wollen, wird bei den Stromwendeverweigerern gerne verdrängt.