Kommunalwahl Hessen: Grüne stürzen ab

Seite 2: Schwarz-Grün verliert Mehrheit im "Zukunftslabor" Frankfurt

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In der hessischen Metropole Frankfurt am Main, wo die AfD im Trendergebnis bei 10,3 Prozent liegt, hat die bislang regierende schwarz-grüne Koalition keine Mehrheit mehr, nachdem die Ökopartei dort von 25,8 auf 15,2 Prozent abstürzt und die CDU nur auf 24,6 Prozent kommt. Für eine große Koalition mit der bei 23,5 liegenden SPD reicht es möglicherweise nicht nach Prozenten, aber nach Mandaten. Reicht es nicht, könnten die Grünen oder die 7,8 Prozent starken Liberalen mit einbezogen werden. Weil Frankfurt für ihn ein "Zukunftslabor" ist, in dem Entwicklungen wie Rot-Grün und Schwarz-Grün vorweggenommen wurden, hält der Blogger und ehemalige Wirtschaftswoche-Chefredakteur Roland Tichy dieses Ergebnis auch für überregional interessant.

Unpassende Textbausteine bei der Ursachenforschung

Bei der Ursachenforschung für ihre Verluste tendierten die etablierten Parteien gestern zu Sichtweisen, die wahrscheinlich nicht alle Bürger teilen: CDU-Politiker beklagten eine niedrige Wahlbeteiligung, von der kleinere Parteien profitierten, und der hessische SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel meinte, das Kumulieren und Panaschieren überfordere die Wähler und mit einem "einfacheren" Wahlsystem werde die Wahlbeteiligung steigen. Dass das nicht ganz zur Realität passende Textbausteine waren, zeigte sich an der Wahlbeteiligung, die mit 48 Prozent nicht niedriger, sondern sogar etwas höher war als 2011.

Darüber hinaus plädierte Schäfer-Gümbel gestern für eine Drei-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen. Die würde die Wahlbeteiligung wahrscheinlich eher senken als erhöhen, und seiner eigenen Partei nicht mehr Stimmen, aber mehr Mandate mit weniger Stimmenanteil bringen. Der SPD-Politiker argumentierte dabei nicht nur mit "Populisten", sondern auch mit "Spaßparteien" wie den Sonnebornisten von der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (PARTEI).

Auch hier passt der Textbaustein insofern nicht, als die PARTEI zwar mit voraussichtlich 1,4 Prozent einen Ratsherrn in den Frankfurter Römer entsenden darf, aber andere kleine Parteien wie die Piraten (deren Stimmenanteil nach derzeitigem Auszählungsstand von zwei auf 0,8 Prozent sinkt) und die Europa-Liste ELF (0,3 Prozent) ihre Mandatsträger verlieren. Auch die Protestpartei Bürger für Frankfurt (BFF) muss mit 2,8 statt vorher 3,8 Prozent Stimmen abgeben.

Der Grünen-Landesvorsitzende Kai Klose erklärt die Verluste seiner Partei mit einer durch Fukushima hervorgerufenen Sonderkonjunktur 2011, aber die Gewinne der AfD damit, dass die Bundesregierung "im Umgang mit der Flüchtlingsthematik" nicht so "besonnen" und "professionell" agiert wie dies die schwarz-grüne hessische Landesregierung seiner Meinung nach macht.

Auch der hessische CDU-Generalsekretär Manfred Pentz sieht für das seinem Eindruck nach lediglich "durchwachsene" Ergebnis keinerlei Verantwortung bei der Landesregierung. Und Ministerpräsident Volker Bouffier meint in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vorsorglich, die Kommunalwahl sei "ganz sicherlich" kein Test für die drei Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gewesen, die am nächsten Sonntag stattfinden - was unter anderem Hannelore Crolly in der Tageszeitung Die Welt ganz anders sieht.